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An der Kandare, Kommentar zur Bank of Japan von Martin Fritz

Frankfurt (ots)

In Deutschland wäre es undenkbar, dass Regierung und Zentralbank ihre Politik aktiv koordinieren und sich in einer gemeinsamen Erklärung auch noch gegenseitig zu ihren jeweiligen Aufgaben verpflichten. Ebenso irritiert riebe man sich die Augen, liefe der Notenbankpräsident schnurstracks zum Regierungschef, um jeden Schwenk der Geldpolitik zu erläutern.

Aber Japan tickt anders: Traditionell steht die Bank of Japan (BoJ) dem Finanzministerium nahe. In den siebziger Jahren wurde sie von der Politik skrupellos zur Belebung der Wirtschaft eingespannt. Erst im Zuge der Liberalisierung des Finanzmarktes gewann die BoJ 1998 formal ihre Unabhängigkeit. Jedoch hat dies wenig an der Gewohnheit der Politiker geändert, die Zentralbank in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken oder sie als billigen Sündenbock zu benutzen.

Aber anders als die Federal Reserve oder die Europäische Zentralbank ist die BoJ seitdem ihren Aufgaben nicht gerecht geworden. Auf die Bankenkrise der neunziger Jahre reagierte sie zu spät, gegen das Gift der Deflation hat sie zu wenig getan. Zu Recht legt Gouverneur Masaaki Shirakawa den Finger in die Wunden der Regierung, die bei Deregulierung und Sozialreform den Kopf in den Sand steckt. Aber Shirakawa zeigt keine Einsicht, dass auch die BoJ viel mehr tun müsste. Wollte er ein starkes Zeichen für die Unabhängigkeit seiner Institution setzen, müsste er aus Protest gegen den Druck zurücktreten. Stattdessen leistet er vermeintlich listig Widerstand; er erfüllt zum Beispiel die Forderung nach dem doppelt so hohen Inflationsziel, verweigert aber eine zeitliche Vorgabe; oder er kauft erstmals unbefristet Anleihen, aber erst 2014.

Dabei wird die neue Regierung spätestens im April die Oberhand gewinnen. Dann kann Abe über die Auswahl eines neuen Gouverneurs und dessen zwei Stellvertreter die BoJ an die Kandare nehmen, ohne ihre Unabhängigkeit formal beschneiden zu müssen.

Das ist leicht zu kritisieren. Aber wegen der hohen Staatsschulden lassen sich Geld- und Fiskalpolitik in Japan (und anderswo) nicht mehr so sauber trennen, wie es das Ideal verlangt. Ebenjene Verschuldung lässt Tokio kaum noch Handlungsspielraum. Nun spielt Japan das Spiel, das die USA seit 2008 spielen. Dabei wird auch der Wechselkurs zum Politikum, was man ebenfalls leicht anprangern kann. Aber im Vergleich etwa zu Dollar oder Yuan ist Japan mit dem überteuerten Yen ein Opfer des Währungskrieges, kein Angreifer.

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