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Eidg. Justiz und Polizei Departement (EJPD)

Stabilität heisst nicht Stagnation

Bern (ots)

Es gilt das gesprochene Wort
Der Staat als solide Basis für eine dynamische Wirtschaft
Referat von Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold zur
Eröffnung der Messe Basel vom 4. Mai 2001
(Anrede)
Ich freue mich, hier in Basel an der Eröffnung der Messe Basel
teilnehmen und Ihnen allen die besten Grüsse des Bundesrates
überbringen zu dürfen.
Die Messe hat für unser ganzes Land einen grossen symbolischen
Wert.
Basel ist das Tor der Schweiz zur Welt. Das ist das Bild, das mir
schon als Kind immer vermittelt wurde. Basel ist einer der grossen
Marktplätze der Schweiz. Die Stadt hat in diesem Sinn ihren
wirtschaftlichen Stellenwert für unser Land behauptet.
Basel ist aber noch weit mehr als dies. Basel ist Zentrum einer
internationalen Region, die drei verschiedenen Staaten angehört.. Man
kann Basel deshalb zu Recht als europäische Drehscheibe bezeichnen,
selbst wenn dies für manchen Schweizer hinter dem Hauenstein - von
hier aus gesehen - etwas seltsam anmuten mag.
Die Offenheit der Basler ist sprichwörtlich. Ich erwähne als
Stichworte den Humanismus, den diese Stadt schon immer ausstrahlte,
die Erfolge der Industrie und der Dienstleistungsunternehmungen und
nicht zuletzt auch die soziale und kulturelle Dimension. Es ist wohl
kaum Zufall, dass ausgerechnet in Basel einer der bekanntesten
Schweizer Architekten das Gebäude einer der renommiertesten Schweizer
Dienstleistungsunternehmung gestaltet hat.
Persönlich erlebe ich die Offenheit der Basler auch in meiner
eigenen Tätigkeit, beispielsweise bei der Schaffung eines
Integrationsprogrammes von Ausländerinnen und Ausländern oder für den
Kontakt mit dem angrenzenden Ausland. Basel ist für mich deshalb
nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein kulturelles Tor.
Enge Kontakte über die Grenze sind eine Selbstverständlichkeit.
So lebt sich in der Regio basiliensis. Trotzdem ist Basel aber
auch eine Grenzstadt geblieben. Eine Grenzstadt inmitten eines mehr
und mehr zusammenwachsenden Europas. Mitten durch die Regio
Basilensis zieht eine der letzten Zoll- und bald auch Währungsgrenzen
Westeuropas. Basel befindet sich, obwohl mitten im Kontinent 
gelegen, an der Aussengrenze der Europäischen Union.
Das blockiert vieles. Und viele wünschen, dass die Politik hier
sozusagen öffnend eingreift.
Generell höre ich oft den Vorwurf, die Politik mache zu wenig, sie
sei zu langsam,  sie nehme gesellschaftliche Entwicklungen nicht auf
und sie sei unfähig, Entwicklungen vorweg zu nehmen. Demgegenüber
versteht sich die Messe Basel als eine Demonstration der Dynamik und
der Modernität von Wirtschaft und Technik. Dieser offenbare Gegensatz
zwischen Politik und Wirtschaft lädt geradezu zu einigen Reflexionen
ein.
Als erstes möchte ich festhalten, dass ein stabiler und
zuverlässiger Staat ein ganz zentraler Standortfaktor für unsere
Wirtschaft ist. Damit spreche ich mich überhaupt nicht für Stagnation
aus. Ganz im Gegenteil: Auch der Staat muss seine Strukturen und
seine Rolle immer wieder überdenken.
Ich bin aber vollends davon überzeugt, dass die Politik unserer
Wirtschaft mit aufgeregtem Aktivismus nicht dient.
Und ich bin auch davon überzeugt, dass Stabilität, Solidität und
Vorausschaubarkeit des staatlichen Handelns um so wichtiger sind, je
dynamischer die Wirtschaft sich entwickelt.
Lassen Sie mich nur einige wenige Funktionen von Staat und Politik
aufzählen, die mir für eine erfolgreiche Wirtschaft wichtig
erscheinen.
Der Staat schafft den Freiraum für die Wirtschaft und sichert ihn
rechtlich ab.
Der Staat sorgt mit der Ausübung des Gewaltmonopols dafür, dass
dieser Freiraum auch tatsächlich wahrgenommen werden kann.  diesen.
Unser System ist auf Konsens und damit auf Lösungen angelegt,
zweifellos eine Trumpfkarte für stabile politische Verhältnisse.
Ebenso wichtig ist es, dass der Staat für einen gewissen sozialen
Ausgleich sorgt und damit gesellschaftlichen Verwerfungen vorbeugt.
Und selbstverständlich ist es eine wichtige Aufgabe unseres
Staates, dafür zu sorgen, dass unsere Wirtschaft nicht zuletzt im
internationalen Vergleich unter möglichst guten Rahmenbedingungen
arbeiten kann.
Mit anderen Worten:
Der Staat muss diese Stabilität garantieren können, damit die
Wirtschaft dynamisch wirken kann.
Vielleicht werden Sie mir nun sagen, dass dies
Selbstverständlichkeiten sind. Da stimme ich Ihnen zu. Nur gehen
leider Selbstverständlichkeiten allzu leicht vergessen. Deshalb
müssen wir sie uns immer wieder in Erinnerung rufen. Stellen Sie sich
darum einmal vor, in unserem Staat würden die politischen
Verhältnisse und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dauernd
ändern. Stellen Sie sich vor, der Staat könnte sein Gewaltmonopol und
seine Rolle als Garant für Sicherheit nicht mehr ausüben. Stellen   
Sie sich eine Schweiz mit Streiks und sozialen Aufständen vor.
Es ist eigenartig. Da ist man selber mit dem eigenen politischen
System oft unzufrieden. Doch wenn man etwas genauer analysiert,
welche konkreten Resultate angeblich attraktivere politische Systeme
liefern, da wird man im Urteil über unser System sehr schnell wieder
ziemlich positiv. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Staat und
Politik haben nicht für Aufgeregtheit, Attraktion und Unterhaltung,
sondern für stabile Verhältnisse und möglichst gute Lösungen zu
sorgen.
m Rückblick dürfen wir sicher festhalten, dass Zuverlässigkeit und
Dauerhaftigkeit herausragende Eigenschaften des schweizerischen
politischen Systems sind. Sie verleihen der Schweiz einen
entscheidenden Standortvorteil.
Aber Stabilität heisst nicht Stagnation.
Ich nehme die Messe Basel als Beispiel.
Das Gleiche gilt auch für unser politisches System: Es muss
Stabilität vermitteln und sich gleichzeitig immer auch den
Herausforderungen der Zukunft stellen. Wenn wir einfach unbesehen und
stur an jenen politischen Strukturen festhalten, die im vorletzten
Jahrhundert entstanden sind, dann werden wir letztlich die eben
zitierte Stabilität nicht mehr erreichen können. Wenn die Politik
eher die Vergangenheit verwaltet, statt die Zukunft gestaltet, dann
dient sie weder Bürgerinnen und Bürgern noch der Wirtschaft. Dies
gilt gerade heute, wo sich viele Teilbereiche der Gesellschaft
radikal umgestalten. Ich denke etwa an die Entwicklung der
Informationstechnologie, an die internationale Vernetzung oder an die
Gewichtsverschiebungen im föderalen Gleichgewicht unseres Staates. Da
muss der Staat einen verlässlichen Boden für diese Veränderungen
bieten.
Wir stehen heute in ethischer, gesellschaftlicher und
technologischer Hinsicht vor weit komplexeren Problemen als noch vor
einigen Jahrzehnten. Die politisch zu lösenden Fragen beschlagen oft
mehr als nur einen Fachbereich und vor allem mehr als nur einen
Staat.
Staat und Politik müssen  also Veränderungen in der Gesellschaft
flexibel aufnehmen. Das bedingt die Bereitschaft zu Reformen. Und es 
braucht auch etwas Mut, um Veränderungen anzupacken.
Ich habe vor rund einem Jahr für ein Referat zum Thema "Braucht
die Schweiz neue Institutionen oder eine neue Mentalität" den Titel
gewählt:
"Die Reformen beginnen im Kopf."
Dieser Leitsatz begleitet mich bei allen meinen Reformprojekten.
Für mich heisst das, dass ich die als notwendig erachteten
Veränderungen anpacke und in einem offenen Sinn und Geist begleite.
Aber nicht nur das. Er drückt auch aus, dass die als notwendig
erachteten Reformen nur eine Chance haben, wenn wir - und ich betone
wir - tatsächlich bereit sind, Veränderungen zu akzeptieren. Das ist
nicht immer einfach. Ich spüre dies in vielen meiner Dossiers, in
denen ich etwas bewegen will: Zum Beispiel bei der erleichterten
Einbürgerung oder bei der Reform des Systems der Inneren Sicherheit.
Gerne benutze ich die Gelegenheit, um auf einen Testfall unserer
Reformbereitschaft zu sprechen zu kommen, der mich intensiv
beschäftigt, nämlich die Staatsleitungsreform.
Hier gibt es tatsächlich einen auffälligen Gegensatz zwischen
Wirtschaft und Staat. Die Wirtschaft passt sich neuen Gegebenheiten
an, ändert dynamisch ihre Strukturen, um möglichst erfolgreich zu
sein. Demgegenüber stammen die wichtigsten Strukturen des staatlichen
Handelns aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Verhältnisse und die
Anforderungen an die staatlichen Leistungen und Funktionen haben sich
in der Zwischenzeit aber gründlich verändert.
Mit der Staatsleitungsreform wollen wir möglichst gute
Arbeitsstrukturen für die Regierung. Es geht uns um
Kapazitätssteigerung,  um möglichst gute Voraussetzungen für einen im
Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft leistungsfähigen Staat.
Dabei ist es für mich selbstverständlich, dass wir Bewährtes
beibehalten und dort verändern, wo dies Sinn macht.
Zuerst zum Bewährten.
Es gibt einiges, das sich in unserem Staat bewährt hat. Ich
erwähne die meiner Ansicht nach zwei wichtigsten Punkte:
Die Ausgewogenheit unter den Regionen und Kantonen, der
Föderalismus. Entscheide werden stets mit Rücksicht auf regionale
oder sprachliche Besonderheiten und Minderheiten gefällt. Wir haben
in dieser Hinsicht eine institutionell abgesicherte Konfliktkultur.
Oder, wie es der Oesterreicher Ernst Jandl in einem Gedicht mit dem
Titel "Demokratie" ausdrückt:
"Unsere Ansichten gehen als Freunde auseinander".
Und da ist auch der Sinn für pragmatische Lösungen, denen wir  den
Vorzug vor gewagten Experimenten geben. Das führt zu unserer typisch
schweizerischen Konkordanz und zum Prinzip der
Kollegialitätsregierung. Ein Prinzip, das auch in den Kantonen und in
den meisten Gemeinden spielt.
Föderalismus und Konkordanz führen letztlich zu soliden Lösungen,
die wir auch in Zukunft wollen.
Ich komme nun zu jenen Punkten, die für mich Reformen unumgänglich
machen.  Auch hier möchte ich die meiner Ansicht nach zwei
wichtigsten Punkte erwähnen. Immer mehr Fragen müssen auf
internationaler Ebene angegangen werden. Die internationale Dimension
auch in der schweizerischen Politik wird immer ausgeprägter. Dies
verlangt  eine höhere Präsenz der Bundesrätinnen und Bundesräte im
Ausland. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der innenpolitischen
Präsenz gehen. Der zweite Punkt ist die Verschiebung der Gewichte
unter den staatlichen Ebenen, vor allem immer mehr zum Bund.
Lassen Sie mich das Gesagte an einigen Beispielen verdeutlichen.
In der Politik gilt dasselbe wie in der Wirtschaft: Die
internationale Verflechtung wird immer enger.
Das Schweizer Volk hat am 21. Mai 2000 mit grossem Mehr die
bilateralen sektoriellen Verträge angenommen.  Damit haben wir einen
wichtigen Schritt getan,  um Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu
erlangen. Wir erwarten von diesem Abkommen einen Beitrag zur
Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft und
zur Qualität des Standortes Schweiz.
Nun gilt es aber auch, den nächsten Schritt zu unternehmen, den
Schritt hin zum europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts. Die EU hat einen Paradigmawechsel vollzogen: Ausgehend
von der  Wirtschaftsorientierung und der Schaffung des Binnenmarktes
ist sie nun daran, gemeinsame europäischer Sicherheitsstrukturen
aufzubauen.
Das ist ein logischer Schritt. Auch für uns. Denn der für die
Wirtschaft geschaffene Freiraum muss auch rechtlich solid abgesichert
und unter anderem dauerhaft vor schädlichen Einflüssen geschützt
werden. Denn die Akteure des internationalen organisierten
Verbrechens nutzen die Freiheiten und Möglichkeiten der international
vernetzten Wirtschaft. Dagegen kann nur eine ebenfalls vernetzte und
internationale Verbrechensbekämpfung erfolgreich sein.
Als zweitwichtigster Handelspartner der EU, als Land mit einer
offenen demokratischen Gesellschaft und einer liberalen
Wirtschaftsordnung, haben wir natürlich ein starkes Interesse daran,
uns am europäischen Sicherheitsraum zu beteiligen. Damit wird das
EJPD zu einem Schlüsseldepartement der schweizerischen Europapolitik.
Das zeigt sich aktuell bei den Sondierungsgesprächen für eine zweite
bilaterale Verhandlungsrunde mit der EU. Ich bin daher selber oft in
den EU-Mitgliedsländern unterwegs.
Aber auch andere Departemente, die eigentlich traditionell auf die
Innenpolitik ausgerichtet sind, müssen heute in internationalen
Kategorien denken und handeln. Zum Beispiel in der
Verteidigungspolitik. Auch unsere Sicherheit verlangt zunehmend nach
Zusammenarbeit mit dem Ausland. Wir müssen die notwendigen Kontakte
und Vernetzungen suchen und pflegen. Das ist nach meiner Ueberzeugung
die einzige erfolgversprechende Strategie für die Schweiz, um
langfristig unseren Stellenwert und damit unsere Akzeptanz und
Handlungsfreiheit international zu erhalten. Wir wollen hier eine
eigenständige, selbstbewusste Haltung einnehmen, um ein ernst zu
nehmender Partner zu sein.
Deshalb ist auch die Zustimmung zur Teilrevision des
Militärgesetzes, über die das Volk am 10. Juni abstimmen wird,
wichtig.
Mit der Möglichkeit zur Schutzbewaffnung schweizerischer
Soldatinnen und Soldaten im Friedensdienst im Ausland erweitern wir
unsere Einsatzmöglichkeiten und damit unseren Stellenwert und unseren
Einfluss bei Aktionen der internationalen Gemeinschaft.
Der Kosovokrieg hat gezeigt, wie wichtig diese Einflussnahme ist:
Wir haben Zugang dort, wo wichtige Entscheide gefällt werden, wie z.
B. beim Stabilitätspakt für den Balkan. Das war nicht von Anfang an
selbstverständlich. Denn unser Beitrag für die Befriedung des Kosovo
wurde ursprünglich als zu gering eingeschätzt. Dass dieser Eindruck
unter anderem auch durch das SWISSCOY-Engagement korrigiert werden
konnte, hat nicht zuletzt dazu beigetragen, dass wir unser
Rückkehrprogramm für die Kosovoflüchtlinge planmässig durchführen
konnten.
Es gibt hier aber auch das umgekehrte Beispiel, das zeigt, was
passiert, wenn diese Vernetzung nicht funktioniert: Obwohl die
Schweiz pro Kopf der Bevölkerung am meisten Flüchtlinge aus dem
Kosovo aufgenommen hat, konnten wir nicht erreichen, dass die Last
besser auf die Schultern der westeuropäischen Länder verteilt wurde.
Wir mussten mit diesem Problem selber fertig werden.
Das Fazit ist:
Die Vertretung und Wahrnehmung unserer ureigenen Interessen können
immer weniger nur in unseren eigenen vier Wänden passieren. Es
braucht Präsenz und Aktivität im Ausland. Es braucht diese
Vernetzung, es braucht dazu ein grosses Engagement der Politik, es
braucht aber auch die Unterstützung der Wirtschaft, die über
hervorragende internationale Kontakte verfügt und innenpolitisch ein
gewichtiges Wort mitzureden hat.
Deshalb zähle ich übrigens bei den allfälligen Verhandlungen zu
Schengen/Dublin ebenso wieder auf politische Unterstützung der
Wirtschaftskräfte unseres Landes, wie wir sie bei den Bilateralen
sektoriellen Verträgen hatten.
Ich komme nun zu einigen konkreten Beispielen zum Stichwort
Föderalismus.
Wir alle haben erfahren, dass jede Aussenpolitik innenpolitisch
abgestützt sein muss. Sonst verliert sie sich im luftleeren Raum. In
einer Demokratie wie der unsrigen, mit ihren ausgeprägten
Volksrechten, ist die Nähe zum Volk das letztlich Entscheidende für
eine erfolgreiche Politik. Diese Nähe wird neben der Direkten
Demokratie durch den Föderalismus erreicht. Kernprinzip des
Föderalismus ist das Prinzip der Subsidiarität. Das heisst, der Bund
übernimmt die Verantwortung nur dort, wo die Kantone nicht mehr
selber in der Lage sind, eine Aufgabe zu erfüllen oder zu
entscheiden. Zu diesem Prinzip stehe ich auch. In der Umsetzung
dieses Prinzips braucht es aber gewisse Anpassungen an die
gesellschaftlichen Entwicklungen. Denn seit seiner Gründung ist der
Bundesstaat natürlich erheblich komplexer geworden. Notwendig
geworden ist mittlerweile die Entflechtung der gewachsenen
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Dieses Projekt wurde mit
dem Neuen Finanzausgleich in Angriff genommen.
Ein anderes grosses Projekt ist die gemeinsam von Bund und Kantonen
in Auftrag gegebene Ueberprüfung der Inneren Sicherheit der Schweiz,
USIS. Die Ergebnisse des ersten Schrittes, der Analyse des
Ist-Zustandes, haben gezeigt, dass die föderalistischen Strukturen
unseres Polizeiwesens zu grossen Unterschieden bei Ausbildung,
Material und Informationsaustausch zwischen den kantonalen und
städtischen Polizeikorps führen. Womit ein gemeinsames
grenzüberschreitendes Handeln stark behindert wird. Das Nebeneinander
unterschiedlich ausgestalteter kantonaler Strafprozessordnungen und
der Strafverfahrensgesetze des Bundes erschwert zudem eine effiziente
Strafverfolgung. Hier ist aber bereits eine Vereinheitlichung auf
nationaler Ebene im Gang. Wir werden die kantonalen
Strafprozessordnungen in den nächsten Jahren durch ein
Eidgenössisches Strafprozessgesetz ablösen und zudem ein zentrales
Bundesstrafgericht schaffen.
Beide Projekte, Neuer Finanzausgleich und USIS, zeigen, dass wir den
Mut haben müssen, auch im Föderalismus gewachsene Strukturen zu
hinterfragen und zu ändern. Ich bin sehr für die föderalistische
Schweiz, aber der Föderalismus darf nicht Selbstzweck sein.
Leider habe ich doch ab und zu den Eindruck, dass oft
Prinzipienreiterei betrieben wird anstatt sich der konkreten Sache
anzunehmen. Das finde ich nicht nur schade, sondern auch schädlich.
Natürlich ist es einfacher, Bisheriges zu verteidigen. Aber: Wenn wir
uns immer nur in der "Sicherheit" wiegen wollen, dass alles so
bleibt, wie wir es kennen, dann bildet vielleicht plötzlich der
stabile Staat nicht mehr jene Möglichkeiten für die dynamische
Wirtschaft, die diese brauchen würde. Ein stabiler, aber
unbeweglicher Staat. Das, meine Damen und Herren, ist nicht die
Schweiz, die mir vorschwebt und die ich mitgestalten will.
Stabilität heisst, wie schon gesagt, nicht Stagnation. Was ich will,
sind stabile Strukturen und ein offener Geist für Reformen. Die
Strukturen geben uns den Halt, die Linie, den Boden für Reformen. Und
das bedeutet für die Reformen des Staates: Wir müssen Bewährtes
bewahren und dort verbessern, wo es nötig ist. Wir dürfen keine
Experimente machen und wollen das Ganze mit Augenmass und
Besonnenheit angehen. Das gilt sowohl für die Regierungsreform, aber
auch für die Parlaments- und die Volksrechtsreform, denn sie bilden
ein einziges System.
Bei der Staatsleitungsreform, der Reform der Bundesregierung, für die
der Bundesrat die Federführung hat, haben wir deshalb Folgendes
entschieden. Wir wollen das Mehrparteiensystem aufrecht erhalten.
Alle massgeblichen politischen Kräfte sollen der die Regierung
bleiben. So wie es auch in praktisch allen Kantonen der Fall ist. Aus
demselben Grund will der Bundesrat am bewährten kollegialen
Regierungssystem grundsätzlich festhalten. Varianten mit einem
dominanten Bundespräsidenten oder mit der Erhöhung der Zahl der
Bundesratsmitglieder haben wir verworfen. Wir wollen keinen Ausbau
der Verwaltung. Das steht nach dem klaren Nein zur
Staatssekretären-Vorlage von 1996 klar ausser Frage.
Gestärkt werden muss vielmehr die politische Führung: Die
Regierungsebene soll so gestaltet werden, dass der Bundesrat die
politische Gesamtverantwortung für die Staatsführung stärker
wahrnehmen kann, dass er für die notwendigen Kontakte mit dem
Ausland, den Kantonen, dem Parlament und der Oeffentlichkeit mehr
Handlungsspielraum erhält, und dass er selber wieder vermehrt den
politischen Gestaltungsprozess initiieren und führen kann. Das
"Agenda setting" muss klar beim Bundesrat liegen und nicht bei der
Verwaltung.
Damit ist auch derjenige Spielraum gewonnen, den wir brauchen, um
Reformbedarf erkennen und Reformprozesse durchführen zu können. Diese
Ziele will der Bundesrat mit einer Zwei-Kreise-Regierung erreichen.
Der Bundesrat als Siebnerkollegium trägt die übergeordnete politische
Gesamtverantwortung. Zusätzliche Regierungsmitglieder auf einer
zweiten Stufe tragen in einem klar umschriebenen Teilbereich
politische Mitverantwortung. Wir nennen sie deshalb "delegierte
Minister". Sie haben einen politischen Status, sind also keine
Verwaltungsfunktionäre.
Entscheide soll nur das Bundesratskollegium fällen können, weil dies
Ausdruck der übergeordneten politischen Gesamtverantwortung ist. Das
Kollegialprinzip funktioniert in einem kleinen Gremium am besten. Die
delegierten Ministerinnen und Minister verfügen nach der Vorstellung
des Bundesrates jedoch über ein Antragsrecht. Die delegierten
Ministerinnen und Minister sollen in ihren Zuständigkeitsbereichen
die künftigen Ansprech- und Verhandlungspartner des Auslands, des
Parlamentes, der Kantone und Gemeinden, und auch der Verwaltung sein.
Ich verspreche mir von dieser personellen und fachlichen
Verstärkung der Regierung einen namhafte Erweiterung des
Handlungsspielraums. Mit der Delegation von Geschäften an die
zusätzlichen Regierungsmitglieder wird der Bundesrat sich vermehrt
auf zentrale Regierungsgeschäfte und die Gesamtverantwortung
konzentrieren können.
Meine Damen und Herren 
   Wir müssen nicht radikale Aenderungen an den politischen
Entscheidungsstrukturen vornehmen, sondern wir müssen vielmehr
sachliche Reformen, die notwendig sind, erkennen und anpacken.
Wir sind überzeugt, mit den skizzierten Massnahmen eine massvolle,
aber effektive Regierungsreform in die Wege zu leiten.
Wir betreiben nicht Reformen um der Reformen willen. Wir wollen
jene Reformen anpacken, die es dem Staat heute und morgen  erlauben,
eine zuverlässige Basis zu bieten für eine dynamische Wirtschaft, für
eine dynamische Gesellschaft und für die Herausforderungen der
Zukunft.
Damit, meine Damen und Herren, wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche
und dynamische Messe Basel 2001.

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EJPD

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