Resultate der Arealstatistik 1992/97
Neuenburg (ots)
Tiefgreifender Wandel der Bodennutzung in der Schweiz
Die Siedlungsflächen haben in der Schweiz innert zwölf Jahren um 327 Quadratkilometer zugenommen. Das neu überbaute Areal ist damit grösser als das Kantonsgebiet von Schaffhausen. Pro Kopf der Wohnbevölkerung stehen in der Schweiz durchschnittlich fast 400 Quadratmeter Siedlungsfläche zur Verfügung. Wie die neue Arealstatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) weiter zeigt, ist Kulturland in der Schweiz zwar immer noch die flächenmässig bedeutendste Art der Bodennutzung, doch die Landwirtschaft verliert weiter an Boden. Innert zwölf Jahren schrumpfte ihre Fläche um 482 Quadratkilometer. An deren Stelle machen sich im ebenen Gelände vor allem die neuen Siedlungsflächen breit, während in steilen und abgelegenen Lagen Wald das Kulturland verdrängt.
Die erste Nachführung der neuen Arealstatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) ist abgeschlossen. Sie ermöglicht erstmals Aussagen zur Entwicklung der Bodennutzung - und dies landesweit und für einen Beobachtungszeitraum von 12 Jahren. Durch die Anwendung der identischen Erhebungsmethode mit den permanenten Stichprobenpunkten verfügt die Schweiz damit über eine präzise Veränderungsmatrix zu 74 Bodennutzungsmerkmalen; dies ist im europäischen Umfeld einmalig. Die Resultate der Arealstatistik ermöglichen es, das Ausmass der menschlichen Eingriffe und natürlichen Prozesse, welche unseren Lebensraum verändern, zahlenmässig zu dokumentieren. Damit wird dieses Instrument der Raumbeobachtung zu einer unentbehrlichen Grundlage bei der Planung und der Erfolgskontrolle von Massnahmen, die eine nachhaltige räumliche Entwicklung in der Schweiz zum Ziel haben.
Anhaltender Druck auf die unverbaute Landschaft
Der gesamte Bodenverbrauch für Siedlungszwecke (umfassend v.a. Gebäude mit Umschwung sowie Verkehrsflächen) ist in 12 Jahren um 13,3% auf 2791 Quadratkilometer gewachsen. Pro Kopf der Bevölkerung ergibt dies eine Zunahme von 382 auf 397 Quadratmeter. Allerdings bestehen hier beträchtliche regionale Unterschiede, bewegen sich die kantonalen Mittelwerte doch zwischen 131 und 711 Quadratmeter. So beanspruchen etwa die Leute in städtischen Gebieten mit hoher Besiedlungsdichte und einer räumlich konzentrierten Infrastruktur im Durchschnitt deutlich weniger Siedlungsfläche.
Mit einem Zuwachs von 1,1% pro Jahr weisen die Siedlungsflächen die grösste Veränderungsrate unter allen Kategorien der Bodennutzung auf. Die neu entstandenen Siedlungsflächen setzen sich zusammen aus 46,5% Gebäudeareal, in welchem der Umschwung inbegriffen ist, 20,5% Besonderen Siedlungsflächen wie Baustellen, Deponien und Versorgungsanlagen, 17,6% Verkehrsflächen, 9,2% Industrieareal und 6,3% Erholungs- und Grünanlagen. Gebaut wurden diese neuen Flächen zu 71,2% auf Wies- und Ackerland, zu 10,3% auf Obstbau, Rebbau, Gartenbau und die restlichen 18,5% auf Heimweiden, Alpwirtschaftsflächen, Gehölzen, Wald und Unproduktiven Flächen.
Auffallend ist die Entwicklung auf engem Raum im Mittelland, wo sich auf 27% des Territoriums der Schweiz 58,2% aller Siedlungsflächen konzentrieren. Von den 327 Quadratkilometer gesamtschweizerisch neu entstandenen Siedlungsflächen liegen mit 172 Quadratkilometer mehr als die Hälfte im Mittelland. Dies entspricht einem Gebiet von der anderthalbfachen Grösse des Vierwaldstättersees.
Die Landwirtschaft verliert an Boden
Mit einem Anteil von 15'251 Quadratkilometern oder 36,9% des schweizerischen Territoriums bleibt das Kulturland weiterhin die dominierende Bodennutzung - ungeachtet des landesweiten Flächenrückgangs von 3,1% seit der letzten Erhebung.
Vor allem an besten Lagen im Mittelland macht das starke Siedlungswachstum der Landwirtschaft die Böden streitig. So beläuft sich der Rückgang im Talgebiet auf 303 Quadratkilometer, was 63% der Gesamtverluste an landwirtschaftlichen Nutzflächen entspricht. Davon wurden gut 285 Quadratkilometer oder 94% für Siedlungszwecke umgenutzt, wobei das neue Gebäudeareal mit Abstand am meisten Platz beansprucht.
Während in den Vorzugslagen ein Wettstreit um den Boden besteht, sind weite Teile des Berggebietes sowohl nördlich als auch südlich der Alpen von einem je nach Region unterschiedlich starkem Rückzug der Landwirtschaft betroffen. Die alpwirtschaftlich genutzten Flächen umfassen immerhin 5'378 Quadratkilometer und entsprechen damit 35,3% des gesamten Kulturlandes. Ganz aufgegeben werden insbesondere schlecht erschlossene und mühsam zu bewirtschaftende Alpflächen, die gemäss Arealstatistik um 179 Quadratkilometer abgenommen haben. Dies entspricht einem Anteil von 37% am gesamten Kulturlandverlust. Auf 81% der verlassenen Alpwiesen und Alpweiden stehen inzwischen Wald, Gehölze, Gebüsch und Strauchvegetation.
Eine massive Abnahme von 25,8% verzeichnen die Feldobstbäume. Knapp drei Viertel des landschaftlich und ökologisch interessanten Hochstammobstes musste infolge seiner geringen Rentabilität in der mechanisierten Landwirtschaft anders genutzten Landwirtschaftsflächen weichen. Gut ein Viertel dieser Bäume - vor allem in der näheren Umgebung von Siedlungen gelegen - wurde für neue Siedlungsflächen gefällt.
Der Wald erobert Fläche zurück
Der Wald hat in 12 Jahren um 184 Quadratkilometer (1,6%) zugenommen. Dies ist etwas mehr als die Fläche des Kantons Appenzell Innerrhoden oder ein tägliches Wachstum von fünf Fussballfeldern. Dabei verzeichnet der ausschliesslich im Alpenraum vorkommende Gebüschwald eine Zunahme von 5,5% (32 Quadratkilometer), der übrige Wald von 1,4% (152 Quadratkilometer).
Das Bild der neuen Waldflächen wird nicht von Aufforstungen, sondern vielmehr von der natürlichen Wiederbewaldung geprägt. Auf 86,8% der neuen Waldflächen kommen die Bäume ohne menschliche Hilfe auf. Sie erobern in erster Linie Gebiete im Alpenraum unterhalb der natürlichen Waldgrenze, die von den Bergbauern aufgegeben oder nur noch sporadisch als Weiden genutzt werden. Das extensive Kulturland verbuscht allmählich und wird über das Stadium der Gehölze langsam zu Wald. Diese Entwicklung der Wiederbewaldung verläuft je nach Region und spezifischen Standortbedingungen mit unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit. Im Kanton Graubünden beträgt die Zunahme 4,4%, im Urnerland 3,4%, im Wallis 2,4% und im Tessin - wo bereits der grösste Teil des möglichen Waldgebietes bestockt ist - noch 2,2%.
Wie entsteht die Arealstatistik?
Die aktuelle Bodennutzung und deren Entwicklung werden mit der vom BFS durchgeführten Arealstatistik verfolgt. Grundlage der Erhebung sind Luftbilder des Bundesamtes für Landestopographie, welche regelmässig für die laufende Aktualisierung der Landeskarten benötigt werden und alle sechs Jahre die ganze Schweiz abdecken. Die erste Erhebung beruht auf Luftbildern von 1979 (Westschweiz) bis 1985 (Graubünden), die Zweite auf Luftbildern von 1992 (Westschweiz) bis 1997 (Graubünden). Den 2900 Luftbildern überlagert das BFS ein Stichprobennetz mit einer Maschenweite von 100 auf 100 Meter. Für jede Hektare wird am Schnittpunkt der 100-Meter-Koordinaten anschliessend die Bodenbedeckung bestimmt und mit einem zweistelligen Zahlencode einer von 74 möglichen Kategorien zugeteilt. Die Interpretation geschieht am Stereoskop, das eine dreidimensionale Betrachtung der Luftbilder erlaubt. Dadurch lassen sich auch die Hangneigung, Geländebrüche sowie Baum- und Gebäudehöhen besser erkennen. Um Fehler möglichst auszuschliessen, wird jeder der über 4,1 Millionen Stichprobenpunkte noch von einer zweiten Person kontrolliert. Allfällige Differenzen werden sodann im Team bereinigt und schwer erkennbare oder unklare Nutzungen erst nach einer Begehung im Gelände zugeordnet. Die Ergebnisse sind im geographischen Informationssystem von GEOSTAT gespeichert, was Kombinationen mit anderen Datensätzen erlaubt. Allerdings beziehen sich die Angaben jeweils auf die Schnittpunkte im Koordinatennetz, so dass Rückschlüsse auf die Bodennutzung einzelner Hektaren nur bedingt möglich sind.
Die Genauigkeit der Ergebnisse der Arealstatistik nimmt ab, je kleiner die beobachteten Räume bzw. je kleinflächiger die Nutzungsarten sind. So beträgt der Stichprobenfehler (gemäss Binominalverteilung) für ein Vertrauensintervall von 95% im Fall der Waldfläche der ganzen Schweiz 0,2%, im Fall der Siedlungsfläche 0,4%. Nimmt man einen mittelgrossen Kanton (z.B. Freiburg), so liegen die entsprechenden Werte bei 1,0% bzw. 2,0%.
Neuerscheinung:
BFS, Bodennutzung im Wandel, Arealstatistik, farbige Publikumsbroschüre, Neuchtel 2001, Bestellnummer: 429-0100, ISBN 3-303-02061-2, Preis: Gratis. Diese Broschüre ist auch in französischer (430-0100), italienischer (431-0100) und englischer (432-0100) Sprache verfügbar.
BFS, Arealstatistik Schweiz, Die Bodennutzung in den Kantonen, Gemeindeergebnisse 1979/85 und 1992/97: Kantone Graubünden und Tessin, Neuchtel 2001, Bestellnummer: 002-9708, ISBN 3-303-02058-2, Preis: 13 Fr.
Weitere Publikationen zur neuen Arealstatistik:
In der Serie Arealstatistik Schweiz, Die Bodennutzung in den Kantonen, Gemeindeergebnisse 1979/85 und 1992/97" sind erschienen:
Kantone VD, GE Bestellnummer 002-9701
Kantone FR, NE, JU Bestellnummer 002-9702
Kantone BE, LU, OW, NW Bestellnummer 002-9703
Kantone SO, BS, BL, AG Bestellnummer 002-9704
Kanton VS Bestellnummer 002-9705
Kantone ZH, ZG, SH, TG Bestellnummer 002-9706
Kantone UR, SZ, GL, AR, AI, SG Bestellnummer 002-9707
vo Leiss, Gaby Noser, hg. BFS, Einsatz der Satellitenfernerkundung für die Bodennutzungsstatistik, Methoden und Resultate eines Forschungsprojektes, Neuchtel 2000, Bestellnummer: 405-0000, ISBN 3-303-02059-0, Preis: 11 Fr.
BUWAL, BFS, Die Bodennutzung der Schweiz im europäischen Kontext, Integration der Arealstatistik in CORINE Land cover, Neuchtel 1998, Bestellnummer: 264-9800, ISBN 3-303-02041-8, Preis: Gratis. Diese Broschüre ist auch in französischer (265-9800) und englischer (266-9800) Sprache verfügbar.
Kontakt:
Anton Beyeler, BFS, Sektion Raumnutzung, Tel. +41 32 713 61 61
Publikationsbestellungen unter: Tel. +41 32 713 60 60, Fax:
+41 32 713 60 61, E-Mail: Ruedi.Jost@bfs.admin.ch
Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des
BFS http://www.statistik.admin.ch
und auf der Homepage der Arealstatistik
http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber02/asch/dframe1.htm