Weiterbildung in der Schweiz
Neuenburg (ots)
Steiniger Weg zur lernenden Gesellschaft
In den letzten Jahren stagniert die organisierte Weiterbildung in der Schweiz. Hingegen stützen sich Erwachsene vermehrt auf selbständiges Lernen mit Hilfe von Fachliteratur, Vorträgen, Tagungen oder Lernsoftware. Dies zeigen wiederholte repräsentative Untersuchungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus den Jahren 1993 bis 2000. Die aktuellen Ergebnisse 1999/2000 zeigen: Jährlich bilden sich 1,9 Millionen Erwachsene in 2,7 Millionen Kursen während 123 Millionen Stunden weiter. Trotz diesen eindrücklichen Zahlen befindet sich die Schweiz mit 39% der Bevölkerung, die Kurse besucht, im internationalen Vergleich bestenfalls im Mittelfeld.
Die Welt entwickelt sich immer mehr Richtung wissensbasierter Wirtschaft und Gesellschaft. Weiterbildung soll Individuen befähigen, dieser technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung folgen zu können. Sie soll deren Wissen und Kompetenzen auf dem neusten Stand halten. Weiterbildung soll den Teilnehmenden aber auch Spass und Freizeitvergnügen sein, ihr Wohlbefinden fördern und ihnen die Möglichkeit bieten, Gleichgesinnte zu treffen.
Schweiz im internationalen Mittelfeld
Im Jahre 2000 haben sich vier von zehn erwachsenen Schweizerinnen und Schweizern in mindestens einem Kurs weitergebildet (39%). Zwei Drittel der Kurse wurden dabei aus beruflichen Gründen besucht.
In Skandinavien und in den anglophonen Mitgliedländern der OECD ist die Beteiligung an Weiterbildung teilweise beträchtlich höher. So belegen etwa in Dänemark 49%, in Norwegen 44% und Australien 43% der Bevölkerung im Erwerbsalter berufliche Kurse, in der Schweiz nur 32%. Das Schlusslicht bilden Polen mit 11%, Ungarn mit 13% und das flämische Belgien mit 14%. Zwar nehmen in sämtlichen Vergleichsländern Personen mit höherer Bildung viel häufiger an Kursen teil als Personen ohne Bildungsabschluss nach der obligatorischen Schulzeit. Es fällt aber auf, dass es jenen Ländern mit den gesamthaft höchsten Kursbeteiligungen gelang, sämtliche Bildungsschichten für Weiterbildung anzusprechen. Menschen ohne Bildungsabschlüsse besuchen dort häufiger Kurse als anderswo. Ohne Einbindung dieser bildungsfernen Bevölkerungsschichten wird das Ziel der lernenden Gesellschaften weiterhin nur schwer zu erreichen sein - auch in der Schweiz.
Organisierte Weiterbildung stagniert
In den letzten Jahren hat sich die Teilnahmequote an organisierter Weiterbildung in der Schweiz kaum verändert. Seit 1993 bewegt sich die Teilnahme an sämtlichen Kursen knapp unter der 40%-Marke. Die Gewichte haben sich allerdings verschoben. So hat während den neunziger Jahren die berufliche Weiterbildung an Bedeutung gewonnen (von 23% auf 29%). Die Teilnahme an Freizeitkursen nahm hingegen ab (von 21% auf 12%).
Für den Kursbesuch wurde 1999 weniger Zeit aufgewendet als noch wenige Jahre zuvor. Gesamthaft ist die Summe der investierten Stunden von 130 (1996) auf 123 Millionen gesunken. Tendenziell hat vor allem die Bedeutung längerer Kurse abgenommen.
Es fällt aber auf, dass die erwachsene Bevölkerung neben den Kursen vermehrt auch auf andere Mittel zur Weiterbildung zurückgreift. Am beliebtesten sind die Fachbücher und zeitschriften, gefolgt von den Vorträgen und Tagungen, der Lernsoftware oder verschiedenen Medienarten (z.B. Video). 1999 gaben 52% der Befragten an, sich auf die eine oder andere eben genannte Art weitergebildet zu haben; 1996 waren es lediglich 40% gewesen. Die so genannten 'selbständigen Lernformen" stellen oft eine Ergänzung zu besuchten Kursen dar. Der Anteil der Bevölkerung, die sich ausschliesslich mit Hilfe solcher Formen weitergebildet hat, stieg von 18% im Jahr 1996 auf 25% im Jahr 1999.
Kursbesuch: ein Drittel konstant - ein Drittel sporadisch - ein Drittel nie
Die Weiterbildungserhebungen des BFS sind so angelegt, dass es möglich ist, während einigen Jahren immer wieder die gleichen Personen zu befragen. Es zeigt sich, dass zwischen 1996 und 1999 2,9 Millionen Erwachsene mindestens einen Kurs besucht haben. Das sind immerhin zwei Drittel der Wohnbevölkerung (63%). Für die Hälfte dieser Teilnehmenden scheint der Kursbesuch etwas Selbstverständliches zu sein. Während den vier beobachteten Jahren liessen sie höchstens ein Jahr ausfallen. Die restlichen Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen nahmen eher sporadisch an organisierter Weiterbildung teil. Beträchtlich sind die Unterschiede der Weiterbildungs-Konstanz zwischen Personen mit unterschiedlich hohen Grundausbildungen. Jede zweite Person mit einem tertiären Bildungsabschluss besuchte regelmässig Kurse (47%). Von den Personen ohne nach-obligatorische Ausbildung bildete sich hingegen nur jede neunte regelmässig in Kursen weiter (11%).
Betriebe investieren selektiv in ihr Humankapital
Betriebe investieren selektiv in die Weiterbildung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein gutes Viertel (28%) der Erwerbstätigen wurde 1999 durch ihre Arbeitgeber beim Kursbesuch unterstützt. Sei es, dass dieser den Kurs selber veranstaltete oder dass der Kurs ganz oder teilweise während der Arbeitszeit stattfand oder dass er sie finanziell unterstützte.
Frauen werden weniger unterstützt als Männer. Nur jede vierte Frau profitierte von ihrem Arbeitgeber, hingegen jeder dritte Mann. Die Unternehmensleitung (43%) und Vorgesetzte (38%) wurden grosszügiger unterstützt als die übrigen Beschäftigten (24%), gut Verdienende mehr als Erwerbstätige mit tiefem Einkommen, ebenso wie gut Ausgebildete mehr gefördert wurden als Personen ohne nach-obligatorische Ausbildung.
Grossbetriebe investieren mehr ins Wissen ihrer Angestellten. Sie unterstützten 39% ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche Kurse besuchen. Mittelbetriebe im Schnitt 30% und Kleinbetriebe 20%. Am häufigsten wurden erwerbstätige Kursbesucherinnen und -besucher unterstützt, wenn sie in der öffentlichen Verwaltung (inkl. Gesundheit, Bildung) arbeiten (39%). Dieser Bereich weist überdurchschnittlich viele höher qualifizierte Arbeitskräfte auf. Als nächstes folgt die Finanz-, Versicherungs- und Informatikbranche, in welcher die typischen Arbeitsplätze der Wissensgesellschaft vertreten sind.
Kontakt:
Rolf Lischer, BFS, Sektion Schul- und Berufsbildung,
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E-Mail: Ruedi.Jost@bfs.admin.ch
Neuerscheinung:
BFS, Weiterbildung in der Schweiz 2001, Eine Auswertung der
Schweizerischen Arbeitskräfteerhebungen 1996 - 2000, Neuchâtel 2001
(erscheint voraussichtlich im September 2001).
Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des BFS
http://www.statistik.admin.ch