PISA 2000 Kompetenzmessung bei Jugendlichen
Neuenburg (ots)
Für das Leben gerüstet?
Die Schülerinnen und Schüler in der Schweiz verfügen im internationalen Vergleich über durchschnittliche Lesefähigkeiten. Jede fünfte getestete Person kann am Ende der obligatorischen Schulzeit höchstens einen einfachen Text verstehen und ist somit auf den Einstieg ins Berufsleben schlecht vorbereitet. Ebenfalls durchschnittlich schneiden die Jugendlichen in der Schweiz in den Naturwissenschaften, überdurchschnittlich dagegen in der Mathematik ab. Von unserer Volksschule können nicht alle im gleichen Mass profitieren: Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und solche mit mangelnden Kenntnissen in der Unterrichtssprache aus immigrierten Familien haben geringere Chancen, ihr Leistungspotenzial zu nutzen.
Dies zeigt das von der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) lancierte und von zahlreichen Ländern - in der Schweiz von BFS und EDK - durchgeführte Forschungsprojekt PISA (Programme for International Student Assessement).
Die Lesefähigkeiten standen im Zentrum der im Jahr 2000 international durchgeführten PISA-Erhebung (vgl. Kasten). Daneben wurden auch die Kompetenzen in Mathematik und in den Naturwissenschaften erhoben. Die Schweiz testete insgesamt rund 10'000 Schülerinnen und Schüler, davon 6'100 15-Jährige für den internationalen Vergleich und rund 8'200 Neuntklässlerinnen und Neuntklässer für den Vergleich zwischen den Sprachregionen. Da viele 15-Jährige bereits in der neunten Klasse sind, überlappen sich die zwei Populationen.
Ein grosser Anteil mit geringen Lesefähigkeiten
Im internationalen Vergleich sind die Lesefähigkeiten in der Schweiz durchschnittlich. Die Jugendlichen liegen mit ihren Ergebnissen im Mittelfeld der am PISA-Projekt beteiligten OECD-Länder. Auffallend hoch ist der Anteil Jugendlicher mit sehr geringen Lesekompetenzen: Rund 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Schweiz können gegen Ende der obligatorischen Schulzeit höchstens einen ganz einfachen Text verstehen und interpretieren. Einem Drittel von ihnen fehlen selbst diese eingeschränkten Kompetenzen weitgehend. Entsprechend schwierig dürfte sich deshalb ihre Integration in den Arbeitsmarkt gestalten, da sie kaum in der Lage sind, die Anforderungen einer Berufslehre oder von Weiterbildungsangeboten zu erfüllen.
Erfreulicher ist die Situation bei der Gruppe mit den besten Resultaten. Zu ihr gehören in der Schweiz rund 9 Prozent der Schülerinnen und Schüler, was dem Durchschnitt der OECD-Länder entspricht.
Kein besonderes Interesse am Lesen
Das Leseinteresse und die Lesegewohnheiten sind in der Schweiz nicht sonderlich ausgeprägt. Ein Drittel unserer Schülerinnen und Schüler liest ausserhalb von der Schule nicht. Höheres Interesse geht aber mit besseren Leistungen einher, genauso wie selbst gesteuertes Lernen und bessere Fähigkeiten zusammen-hängen. In allen Ländern - so auch in der Schweiz - erreichen interessierte Jugendliche, die den Lehr-Lern-Prozess durch den Gebrauch von eigenen Lernstrategien unterstützen, bessere Leistungen.
Sehr gut in der Mathematik, mittelmässig in den Naturwissenschaften
In den Naturwissenschaften sind die Leistungen der Jugendlichen in der Schweiz analog zu den Lesefähigkeiten durchschnittlich. Hingegen schneiden die Schülerinnen und Schüler in Mathematik im internationalen Vergleich sehr gut ab. Damit bestätigen sich die Resultate früherer Studien.
Soziale Herkunft ist ein entscheidender Faktor
Jugendliche mit guten Test-Ergebnissen wachsen meist in einem Elternhaus auf, das sich durch Bildungsnähe auszeichnet. Die für den Lernerfolg der Kinder günstige Umgebung zu Hause wird vor allem von gut ausgebildeten Eltern ermöglicht. Die Bildungsnähe des Elternhauses wirkt sich insbesondere auf die Leseleistungen und die naturwissenschaftlichen Kompetenzen aus - weniger auf die mathematischen Leistungen. Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für hohe Kompetenzen im Lesen hat aber auch der Berufsstatus der Eltern. Väter und Mütter, die einen Beruf mit hohem Prestige und entsprechendem Gehalt ausüben, garantieren zu Hause ein bildungsnahes Umfeld, und ihre Kinder erreichen in der Regel bessere Leseleistungen. Innerhalb der OECD-Länder sind in Belgien, Deutschland und in der Schweiz die Lesekompetenzen am deutlichsten vom Berufsstatus der Eltern geprägt. Der Schule gelingt es folglich nur beschränkt, den Einfluss der ungleichen Lernvoraussetzungen auf die Leistungen aufzuheben.
Wenn sich die ungünstigen Voraussetzungen potenzieren
Vor welch grosser Herausforderung unser Bildungssystem steht, wird noch deutlicher, wenn zum bildungs-fernen Hintergrund der Jugendlichen mangelnde Kenntnisse der Unterrichtssprache hinzukommen. In der Schweiz ist der Anteil Jugendlicher aus immigrierten Familien in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und betrug im Jahr 2001 gut 20 Prozent. Rund die Hälfte von ihnen verstand die vorgelegten Texte nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten. Allerdings zeigen die Resultate des PISA-Projektes auch, dass sich der Leistungsrückstand mit zunehmender Verweildauer in der Schweiz reduziert: Je besser sie mit der Unterrichtssprache vertraut sind, desto besser sind auch ihre Leistungen. Dass sowohl die sprachliche als auch die schulische Integration erfolgreich verlaufen können, beweisen jene Schülerinnen und Schüler, die sich höchste Kompetenzen im Verständnis der Unterrichtssprache anzueignen vermochten. Der Immigrationsstatus allein beeinflusst nicht zwingend die schulischen Leistungen.
Hartnäckige Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Trotz verschiedener Massnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter in der Schule sind nach wie vor Leistungsunterschiede nachweisbar. In der Schweiz erreichen Knaben bessere Leistungen in Mathematik und nur unbedeutend bessere in Naturwissenschaften, Mädchen schneiden beim Lesen besser ab. Insbesondere in der Gruppe der tiefsten Leseleistungen sind die Knaben übervertreten. In den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften sind die geschlechtsspezifischen Differenzen kleiner als beim Lesen.
Problematisch sind die Defizite für Mädchen und für Knaben gleichermassen, da in vielen Berufsfeldern sowohl mathematisch-naturwissenschaftliche als auch sprachliche Fachkompetenzen verlangt werden.
Der Computer wird in erster Linie zu Hause genutzt
In den untersuchten Ländern nutzen durchschnittlich 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler mehrmals wöchentlich einen Computer zu Hause. In der Schule sind dies lediglich 35 Prozent. Eine Ausnahme bildet namentlich Dänemark, wo das Verhältnis zwischen der Nutzung des Computers in der Schule (57 Prozent) und zu Hause (68 Prozent) ausgeglichener ist. Die Schweiz ihrerseits weicht mit lediglich 21 Prozent der Jugendlichen, die den Computer in der Schule nutzen, deutlich vom Durchschnitt ab (Nutzung zu Hause: 63 Prozent). Diese Ergebnisse verweisen auf Handlungsbedarf, wenn es darum gehen soll, Chancengleichheit im Zugang zu den neuen Medien zu ermöglichen.
Neuerscheinungen:
Moser, Urs: Für das Leben gerüstet? Die Grundkompetenzen der Jugendlichen - Kurzfassung des Nationalen Berichtes PISA 2000, BFS/EDK Neuchâtel 2001 Bestellnummer: 473-0000 Preis: Gratis. Erscheint deutsch, französich, italienisch und englisch.
BFS/EDK, Für das Leben gerüstet? Die Grundkompetenzen der Jugendlichen - Nationaler Bericht der Erhebung PISA 2000 Neuchâtel 2002 Bestellnummer: 470-0000 Preis noch unbestimmt. Erscheint vorraussichtlich im Februar 2002 deutsch und französich.
Kontakt:
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