Fürstentum reicht Klage in Den Haag ein
Liechtenstein: Deutschland
verletzt Völkerrecht
Bundesrepublik erstmals allein vor dem
Internationalen Gerichtshof beklagt
Vaduz/Den Haag (ots)
Deutschland muss sich erstmalig allein vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) verantworten: Das Fürstentum Liechtenstein hat heute Morgen durch seinen Sonderbeauftragten und Verfahrensbevollmächtigten, den Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Alexander Goepfert aus der internationalen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer, Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen fortgesetzter Verletzung des Völkerrechts seit 1998 eingereicht.
Hintergrund dieser Klage ist die Behandlung liechtensteinischen Vermögens auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei durch die Bundesrepublik. Es wird nach deutscher Rechtsprechung aus dem Jahr 1998 als deutsches Auslandsvermögen behandelt, das zur Begleichung deutscher Kriegsschulden herangezogen werden kann. Deutschland weigert sich bislang, Liechtenstein hierfür zu entschädigen. Der Internationale Gerichtshof soll nun als zentrale Gerichtsinstanz der Vereinten Nationen feststellen, dass Deutschland die Regeln des Völkerrechts verletzt. Die Klageschrift rügt, dass die Bundesrepublik die Eigenstaatlichkeit des seit 1806 souveränen und in beiden Weltkriegen neutralen Staates Liechtenstein missachtet und die Eigentumsrechte seiner Staatsbürger verletzt. Zudem habe es Deutschland bislang unterlassen, Liechtenstein und seine Staatsbürger zu entschädigen.
Entsprechend beantragt Liechtenstein beim IGH, die Bundesrepublik Deutschland für völkerrechtlich verantwortlich zu erklären. Sie soll verurteilt werden, eine Entschädigung für die erlittenen Schäden und Verluste zu leisten.
Das Fürstentum Liechtenstein sieht sich zur Wahrung seiner Souveränitätsrechte und im Interesse seiner Staatsbürger zum Gang vor den Internationalen Gerichtshof gezwungen, da sich die Bundesrepublik Deutschland nach rund zweijährigen diplomatischen Konsultationen weigert, auch nur in Verhandlungen mit Liechtenstein einzutreten. Die Entscheidung über die Einreichung der Klage fiel mit Regierungsbeschluss vom 23. Januar 2001.
Unmittelbar Geschädigte sind insbesondere eine Reihe liechtensteinischer Familien, deren Vermögen auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei nach 1945 auf der Grundlage der "Benesch-Dekrete" entschädigungslos enteignet worden war. Betroffen sind unter anderem erheblicher Land- und Forstbesitz, Häuser und Schlösser mit Inventar, Kunstgegenstände sowie Wirtschaftsbetriebe.
Die Bundesregierung hat in den diplomatischen Konsultationen den Standpunkt bekräftigt, dass dieses von den damaligen Machthabern in der Tschechoslowakei konfiszierte Vermögen liechtensteinischer Staatsbürger wie deutsches Auslandsvermögen zu behandeln sei und zur Begleichung deutscher Kriegsschulden herangezogen werden kann. Das Auswärtige Amt beruft sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 1998.
Die Zulässigkeit der Klage vor dem Internationalen Gerichtshof ergibt sich aus der "Europäischen Konvention über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten" aus dem Jahr 1957, der sowohl Deutschland als auch Liechtenstein ohne Vorbehalt beigetreten sind. Sie ist im Verhältnis der beiden Staaten zueinander am 18. Februar 1980 in Kraft getreten.
Um den Forderungen des Staates und seiner Staatsbürger Nachdruck zu verleihen, hat Liechtenstein einen hochkarätigen juristischen Beraterkreis berufen. Neben dem Sonderbeauftragten und Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. Alexander Goepfert, gehören die international renommierten Völkerrechtler Professor Dr. Dieter Blumenwitz (Universität Würzburg), Professor Dr. James Crawford aus Cambridge (Spezialberichterstatter zum Thema "Völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit" der International Law Commission der Vereinten Nationen) sowie Professor Dr. Gerhard Hafner (Universität Wien) hierzu.
Gleichfalls macht das Fürstentum Liechtenstein von seinem Recht Gebrauch, für das Verfahren einen "ad hoc-Richter" in den 15-köpfigen Internationalen Gerichtshof zu berufen. Nominiert wird der weltweit anerkannte Völkerrechtler und Oxford-Professor Ian Brownlie, der bereits in einer Reihe von Streitigkeiten vor dem IGH aufgetreten ist.
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