Ansprache des Landtagspräsidenten Klaus Wanger anlässlich des Staatsfeiertages 2001
Vaduz (ots)
Den offiziellen Staatsfeiertag feiern wir traditionsgemäss zusammen mit der fürstlichen Familie. Wir bekunden damit die Verbundenheit zwischen Fürst und Volk. Eine Verbundenheit, die unserem Land und seinen Menschen mit der Hilfe Gottes Glück und Segen gebracht hat. In den schwersten Notzeiten und Krisen unseres Landes hat uns das Fürstenhaus immer selbstlos unterstützt. Dies gilt uneingeschränkt bis zum heutigen Tage.
In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, als Liechtenstein in materieller Hinsicht ein armes Land war, unterstützten uns die Fürsten von Liechtenstein in aussergewöhnlich hohem Masse. So erinnert mich z.B. das Denkmal vor der Pfarrkirche in Schaan an die grosse Hilfsbereitschaft von Fürst Johann II. beim Bau der Pfarrkirche und beim Rheineinbruch. Dort lesen wir folgende Worte: ,Dem Vater des Volkes, Dem Helfer der Armen, Dem Freunde des Friedens, Dem Hirten der Kunst., Diese Worte charakterisieren einen Fürsten in einer Zeit, da vor allem die Linderung der Not in unserem Lande im Vordergrund stand.
Für unseren heutigen Fürsten Hans Adam II. stand im Jahre 1984 bei der Uebernahme der Stellvertretung und der Ausübung der dem Fürsten zustehenden Hoheitsrechte nicht mehr die materielle Hilfe für unser Land im Vordergrund, sondern die äusserst anspruchsvolle Aufgabe der internationalen Absicherung des Kleinstaates Liechtenstein in der Völkergemeinschaft. Mit grosser Energie und visionärem, konsequentem Weitblick führte er uns u.a. zusammen mit Regierung und Landtag 1990 als Vollmitglied in die UNO und 1995 in den EWR. Dies sind nur zwei Eckpfeiler unserer jüngsten Geschichte, welche die Eigenstaatlichkeit stärkten und die wirtschaftliche Stellung in Europa absicherten.
Fürst Hans Adam II., der erste Fürst des Hauses Liechtenstein, der im Lande geboren und aufgewachsen ist, pflegte innenpolitisch von Beginn an einen neuen Führungsstil. Ein Führungsstil, der von Offenheit und Bürgernähe geprägt ist. Diese Offenheit und Bürgernähe begleitet nun auch seit vielen Jahren den ungelösten Verfassungskonflikt. Ein Konflikt, der meiner Ansicht nach nun so schnell wie möglich friedlich beigelegt werden muss.
Der zuletzt eingeschlagene Weg, Gutachten hochrangiger Verfassungsrechtler der einen Seite durch Gegengutachten der anderen Seite zu widerlegen, war und ist für diese Problemlösung nicht zielführend. Argumente der einen Seite scheinen für viele Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner genau so plausibel zu sein wie die Argumente der anderen Seite. Der Verfassungskonflikt ist für mich somit nach wie vor nicht eine juristische, sondern eine politische, ja staatspolitische Angelegenheit von grösster Tragweite, die nur auf einer gegenseitigen Vertrauensbasis zu lösen ist. Wie Sie der Presse entnehmen konnten, wurden in den letzten Wochen von verschiedenen Seiten mit S. D. dem Landesfürsten und S. D. dem Erbprinzen Gespräche geführt mit der Zielsetzung, einen Kompromiss im Verfassungskonflikt zu finden und somit eine Konfrontation zu vermeiden. In aller Offenheit und auf gegenseitiger Vertrauensbasis wurden die Problemfelder diskutiert und aus meiner Sicht ein Weg gefunden, der zu einem tragfähigen Kompromiss bei der Lösung des Verfassungs- konfliktes führt. Ohne auf die einzelnen Artikel des Kompromissvorschlages näher einzutreten, regelt dieser u.a. in Bezug auf die bestehende Verfassung von 1921 mehrfach interpretierbare und dadurch unklare Verfassungsbestimmungen. Er verlangt jedoch weiterhin, dass die beiden Souveräne Fürst und Volk, Letzteres vertreten durch den Landtag, die Ausübung der staatlichen Gewalt zum Wohle unseres Landes nur in gegenseitigem Vertrauen und im Konsens verwirklichen können. Persönlich bin ich der festen Ueberzeugung, dass die friedliche Beilegung des nun bald 10 Jahre dauernden Verfassungskonflikts auf der Grundlage dieses Kompromissvorschlages heute die beste Lösung für unser Land darstellt. Die Alternative wäre eine Auseinandersetzung mit S.D. dem Landesfürsten, mit einem Gewinner und einem Verlierer, wobei es auch für den Gewinner nur ein Pyrrhussieg wäre. Oder anders ausgedrückt: Ohne Bereitschaft, diesem Weg zuzustimmen und einen Kompromiss zu akzeptieren, gibt es nur Verlierer. Ausserdem würde eine Konfrontation eine Staatskrise mit unabsehbaren innen- und aussenpolitischen Folgen
heraufbeschwören, und dies in einer Zeit, in der u.a. die Angriffe auf unseren Finanzplatz unverändert anhalten. Diese Alternative ist aus meiner Sicht, liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner, nicht zu verantworten. Ich hoffe und wünsche im Interesse aller Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes, dass der Landtag und anschliessend die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner mit grosser Mehrheit diesem Kompromiss bei einer Volksabstimmung zustimmen werden. Dann können wir wieder unbelastet und mit vereinten Kräften uns den Herausforderungen der Zukunft stellen.
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