Erfolgreiche WTO-Konferenz in Doha/Katar
Vaduz (ots)
Das Treffen der WTO-Mitglieder auf Ministerebene vom 9. bis 14. November 2001 in Doha konnte mit einem bedeutenden Erfolg abgeschlossen werden: Die 142 WTO- Mitglieder einigten sich auf die Lancierung einer neuen Welthandelsrunde, d.h. eine neue multilaterale Liberalisierungsrunde.
Liechtenstein war an dieser Konferenz durch Regierungsrat Hansjörg Frick, Inhaber des Ressorts Wirtschaft, welcher der Konferenz die ersten drei Tage beiwohnte, und Botschafter Norbert Frick, Ständiger Vertreter Liechtensteins bei der WTO in Genf, vertreten. Das Treffen in Doha gab Regierungsrat Hansjörg Frick Gelegenheit zu zahlreichen bilateralen Kontakten, im Besonderen auch mit den anwesenden Ministern der EFTA-Staaten.
Der Erfolg der Konferenz in Doha kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein gleiches Treffen im Dezember 1999 in Seattle, ebenfalls mit dem Ziel eine neue Welthandelsrunde einzuläuten, war unter tumultösen Begleitumständen gescheitert. Die WTO-Mitgliedstaaten waren sich grundsätzlich schon seit langem darüber einig, dass ein zweites Seattle vermieden werden muss. Ein erneutes Scheitern hätte für die Glaubwürdigkeit der WTO und für die Zukunft des multilateralen Handelssystems möglicherweise verheerende Folgen gehabt. Die Vorverhandlungen für den Beschluss in Doha liefen am WTO-Sitz in Genf dann auch schon seit fast einem Jahr, in den letzten Monaten praktisch pausenlos. Trotzdem war es bei Konferenzbeginn in Doha noch keineswegs sicher, dass bei den umstrittenen Bereichen Einigung erzielt werden kann.
Zu den umstrittenen Bereichen zählten der Agrarbereich, Fragen zu Handel und Umwelt, Arbeitsnormen, Fragen zur Umsetzung der Abkommen der Uruguay-Runde, Bestimmungen des Abkommens zum geistigen Eigentum - dabei insbesondere der Zugang zu Medikamenten - sowie der Bereich Handel und Investitionen und Handel und Wettbewerb. Die diesbezüglichen Zielsetzungen der Entwicklungsländer und der Industriestaaten, oder je nach Bereich auch in anderen Zusammensetzungen, standen sich oft diametral entgegen. Grundsätzlich nicht umstritten waren Verhandlungen über weitere Verbesserungen des Marktzugangs für Industriegüter und im Dienstleistungsbereich, wobei aber auch diese Bereiche von gewissen Entwicklungsländern in Frage gestellt wurden. Unumstritten war, dass die Voraussetzungen zur stärkeren Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft verbessert werden müssen und den spezifischen Anliegen dieser Staaten noch gezielter Rechnung zu tragen ist.
Die neue Verhandlungsrunde, die wahrscheinlich als Doha-Runde in die Geschichte eingehen wird, wird Anfang 2002 beginnen und sollte in drei Jahren abgeschlossen werden. Die Verhandlungen finden am Sitz der WTO in Genf statt. Die Verhandlungsergebnisse stellen wie bei der Uruguay-Runde ein Gesamtpaket dar, d.h. Verhandlungsergebnisse in Teilbereichen erlangen erst Gültigkeit, wenn sämtliche Verhandlungspartner dem Gesamtergebnis zustimmen können (das entsprechende Prinzip wird mit «Nichts ist vereinbart, bis Alles vereinbart ist» umschrieben). Die nächste Ministerkonferenz der WTO im Jahr 2003 wird eine erste Zwischenbilanz erstellen.
Liechtensteinische Position
Regierungsrat Hansjörg Frick würdigte die in Genf getätigten Vorarbeiten und setzte sich mit klaren Worten für die neue Welthandelsrunde ein. Wie andere europäische Minister plädierte er für eine möglichst umfassende Runde, welche einen Interessenausgleich zwischen allen Teilnehmern erlaube. Ein auf verlässlichen internationalen Spielregeln aufgebautes Welthandelssystem sei im Interesse aller Staaten, speziell aber im Interesse von kleineren oder noch weniger entwickelten Staaten. Liechtenstein unterstütze deshalb die Bestrebungen, auf ein möglichst offenes multilaterales System hinzuarbeiten, das auch den sich immer wieder ändernden Wirtschaftsrealitäten Rechnung trägt. Regierungsrat Frick gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, dass im Text-Entwurf viel Rücksicht auf die Entwicklungsländer genommen und deren legitimen Interessen und Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Er appellierte an alle Teilnehmer, gezielt auf die Lancierung einer neuen Handelsrunde hinzuarbeiten und die dafür notwendige Kompromissbereitschaft zu zeigen. Er erinnerte daran, dass es hier nicht darum gehe eine Welthandelsrunde abzuschliessen, sondern erst darum, eine solche zu lancieren.
Arbeitsprogramm für die neue Welthandelsrunde
Das beschlossene Arbeits- bzw. Verhandlungsprogramm, mit welchem der Rahmen für die kommende Welthandelsrunde abgesteckt wird, ist zwangsläufig ein Kompromiss, da die WTO nach dem Konsensprinzip arbeitet. Ein Beschluss ist nur dann gültig, wenn diesem kein WTO-Mitglied widerspricht. Bei über 140 Mitgliedern kann das Konsensprinzip ein hohes Hindernis für einen Beschluss darstellen. Der vorliegende Kompromiss hat deshalb allen Staaten oder Interessengruppierungen teilweise weitgehende Konzessionen abverlangt. Das Arbeitsprogramm beinhaltet wie erwartet Verhandlungen über den weiteren Abbau tarifärer und nicht- tarifärer Handelshemmnisse im Industriegüterbereich, die Erleichterung der administrativen Verfahren und die Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen. Im Weiteren werden die (bereits laufenden) Verhandlungen im Bereich Dienstleistungen fortgesetzt. Im Bereich Landwirtschaft - traditionell stark umstritten - haben sich jene Staaten (wie die Schweiz und die EU) durchgesetzt, die sich für die Beachtung des Grundsatzes der Multifunktionalität einsetzten (Multifunktionalität heisst, dass beim Handel mit Landwirtschaftsprodukten auch nichtkommerzielle Aspekte, z.B. Umweltanliegen, berücksichtigt werden dürfen. Interne Subventionen, wie Direktzahlungen, sind demnach weiterhin erlaubt.). Allerdings enthält der Beschluss eine Verpflichtung, über die Reduktion sämtlicher Exportsubventionen und handelsverzerrender Praktiken im Agrarbereich zu verhandeln. Liechtenstein kennt schon heute keine Exportsubventionen. Im Bereich Schutz des Geistigen Eigentums werden Verhandlungen über den erweiterten Schutz von geographischen Herkunftsangaben geführt werden. Bestrebungen zur generellen Abschwächung der Patent-Bestimmungen für Pharmaprodukte im Fall lebensgefährdender Epidemien (z.B. bei Aids) fand nicht die notwendige Unterstützung. Allerdings wurde diesbezüglich auf die Anliegen der ärmsten Länder viel Rücksicht genommen, indem ihnen die Frist für die Implementierung des Trips-Abkommens im Pharmabereich automatisch um weitere 10 Jahre bis 2016 verlängert wird und nach dieser Frist die Möglichkeit für individuelle Ausnahmen besteht. Staaten wie Indien und Brasilien, die schon heute generische Medikamente herstellen, können dies nun bis Ende 2004 weiterhin lizenzfrei tun. In Bezug auf die Entwicklung multilateraler Regelungen betreffend Investitionen und Wettbewerbsfragen wird erst die nächste Ministerkonferenz Beschluss fassen. Zwischenzeitlich werden die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Das Gleiche gilt für Verhandlungen zu Fragen im Bereich Handel und Umwelt. Betreffend Arbeitsnormen wurde lediglich die Zuständigkeit der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) festgehalten. In den sogenannten neuen Bereichen (Investitionen, Wettbewerb, Umwelt, Arbeitsnormen) haben sich die Entwicklungsländer also mit Erfolg gegen zu schnelle Fortschritte gewehrt. Der Ministerbeschluss beinhaltet zudem Verhandlungen über den weiteren Ausbau des multilateralen Regelwerks wie die Erarbeitung von neuen Anti-Dumping-Regeln oder Vorschriften über Subventionen, wobei auch bei diesen Themen den speziellen Bedürfnissen der Entwicklungsländer stärker Rechnung getragen werden soll. Im Weiteren werden die Regeln über die WTO- Kompatibilität von Freihandelsabkommen, ein auch für die EFTA- Staaten wichtiges Thema, überprüft werden. Die Ministererklärung enthält auch ein umfangreiches Kapitel über die Implementierung (der in der Uruguay-Runde getroffenen Vereinbarungen), bei dem den Entwicklungsländern Nachbesserungen in Aussicht gestellt werden. Diese sollen im kommenden Jahr ausgehandelt und dann bereits vor Abschluss der nächsten Runde vorzeitig implementiert werden.
Beurteilung aus liechtensteinischer Sicht
Der Beschluss, eine neue multilaterale Liberalisierungsrunde zu lancieren, ist für Liechtenstein positiv. Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Welthandel werden durch den verstärkten Ausbau der Spielregeln erhöht. Der weitere Abbau der tarifären (Zölle) und nichttarifären Handelshemmnisse ist für die stark exportorientierte liechtensteinische Industrie von grosser Bedeutung. Im Bereich der Dienstleistungen werden die liechtensteinischen Wirtschaftssubjekte an weiteren Liberalisierungsfortschritten und neuen Marktzugangschancen teilhaben können.
Aufnahme von China in die Welthandelsorganisation
Die vierte WTO-Ministerkonferenz bildete den feierlichen Rahmen für den formalen Beschluss, China und Taiwan in die Welthandelsorganisation aufzunehmen. Die Verhandlungen mit China über den Beitritt zur WTO haben lange 15 Jahre gedauert und konnten im September erfolgreich abgeschlossen werden. Der WTO- Beitritt Chinas wird den Zugang zum und die Bearbeitung des chinesischen Marktes für ausländische Unternehmen wesentlich erleichtern. Angesichts der heutigen und vor allem der zukünftig möglichen Bedeutung des chinesischen Marktes kommt dem WTO- Beitritt Chinas für den Welthandel grösste Bedeutung zu.
Derzeit führt die WTO mit 27 weiteren Staaten Beitrittsverhandlungen, darunter mit Russland.
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