Berufe in der Denkmalpflege: Archäologe/Archäologin
Vaduz (ots)
Am 7. September 2002 findet der 10. Europa-Tag des Denkmals im Fürstentum Liechtenstein unter dem Motto «Berufe in der Denkmalpflege» statt. Anlässlich dieser europaweit durchgeführten Veranstaltung können die Arbeitsräume der Archäologie in der Messinastrasse 5 in Triesen zwischen 13.00 - 18.00 Uhr besichtigt werden. Als Einstimmung auf diese Besichtigungsmöglichkeit wird im folgendem Text die Arbeit eines Archäologen näher beschrieben.
In wunderschönen Gegenden der Erde dem Boden die Geheimnisse entreissen, den Ötzi, das Gold des Priamos oder Atlantis finden und immer der Dankbarkeit aller Beteiligten gewähr! Diese Vorstellungen entsprechen leider nicht ganz den wirklichen Gegebenheiten.
Es beginnt schon mit der Ausbildung zum Archäologen. Vor die Forschung haben die Götter nämlich ein anspruchsvolles Studium gesetzt, dessen offizielle Regelzeiten bis zum Erreichen des ersten akademischen Grads des Magisters in Deutschland und Österreich oder eines Lizentiates in der Schweiz mit 4-6 Jahren angesetzt sind. Es gilt Sprachen zu beherrschen, die eigentlich schon lange nicht mehr gesprochen werden - Latein und für spezielle Archäologierichtungen sogar Altgriechisch. Während der Ausbildung spezialisieren sich die Studentinnen und Studenten auf jene Spezialgebiete des breit gefächerten Fachs, von welchen sie ganz besonders fasziniert sind, ohne dabei die wirtschafts-, kultur- und sozialgeschichtlichen Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Sie bleiben geisteswissenschaftlich geschulte Allrounder. Als Ur- und Frühgeschichtler erforschen sie die Spuren, welche die Menschen von den Anfängen ihrer Entwicklung an bis in die Jahre um 700 n. Chr. im Boden hinterlassen haben. Als klassische Archäologen stellen sie die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes in das Zentrum ihrer Betrachtungen, während die provinzialrömische Archäologie sich den Kulturen der Provinzen des römischen Reichs verschrieben hat. Mittelalter- und Neuzeitarchäologen befassen sich mit der materiellen Hinterlassenschaft des Menschen, welche während der letzten 1'300 Jahre im Boden verborgen geblieben ist. Auf die Erforschung der Frühzeit der Industrialisierung konzentriert sie die Industriearchäologie. Die verschiedenen Studienrichtungen werden an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten zahlreicher europäischer Universitäten gelehrt.
Für das Archäologendasein sind Neugier, geschichtliches Interesse, ein enormes Durchhaltevermögen, ein hohes Mass an Disziplin und nicht zuletzt auch Konzentrationsfähigkeit gefragt. Das Gedächtnis wird mit Zahlen, vielen Fachbegriffen und feingegliederten Kultur- und Epochenbezeichnungen getestet. Dabei ist das Gefühl für Stile und Formen gefordert. Karten, Pläne und Grundrisse werden nicht nur gelesen. Sie müssen auch eigenhändig hergestellt werden können. Einem Puzzle ähnlich fügen Archäologen einzelne Spuren zu einem Gesamtbild zusammen. Nur selten werden ganze Objekte dem Boden entnommen. Meist sind es gerade kleine Teile von Müllhalden aus früherer Zeit, denen das Interesse der Archäologen gilt. Handwerkliches Geschick und viel Geduld wird ihnen abgefordert. In unzähligen Filmproduktionen - Indiana Jones gehört zu den prominenteren Beispielen - wird ein Bild vom abenteuerlichen Archäologenleben gezeichnet. Die Realität sieht anders aus. Die Archäologen arbeiten oft wochenlang auf engstem Raum, auf dem Boden kniend und Seite an Seite mit Kolleginnen und Kollegen. Sie sind der Witterung, dem Staub und dem Dreck ausgesetzt. Ihr Rücken schmerzt. An ihren Händen bilden sich Blasen. Auf der Suche nach verborgenen Schätzen kämpft das Filmidol Indiana Jones mit vielen Prüfungen und Fallen. Am Ende wird all sein Bemühen mit Gold belohnt. Ganz im Gegensatz dazu lastet auf der Arbeit des Archäologen der ständige Zeitdruck bevorstehender Bauvorhaben. Er gräbt in der Regel nur noch, um für die Nachwelt zu dokumentieren, was anschliessend der Zerstörung durch die Baumaschinen preisgegeben wird. Gold findet er nur in den seltensten Fällen.
Die Berufsaussichten für Archäologinnen und Archäologen sind schlecht. In Museen, an Forschungsinstitutionen und Universitäten sowie in staatlichen Denkmal- und Archäologieämtern gibt es nur wenige freie Arbeitsplätze. Flexibilität ist daher bei der Suche nach der geeigneten Beschäftigung gefragt. Archäologinnen und Archäologen arbeiten nicht nur bei staatlichen Institutionen oder privaten Ausgrabungsunternehmen. Viele schreiben für Zeitungen oder Verlage, berichten im Fernsehen, betätigen sich als Reiseführer in der Touristikbranche oder walten als Experten für Auktionshäuser oder Galerien.
Archäologe/Archäologin - Ein furchtbarer Beruf? Nein! Ganz im Gegenteil. Es gibt wahrscheinlich nur wenige Berufe, die derart vielfältig sind. In Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen Kontakte zu den unterschiedlichsten Berufsgruppen. Sie alle - Naturwissenschaftler, Geologen, Numismatiker, Historiker, Chemiker, Physiker etc. - unterstützen die Archäologie beim Bemühen, einzelnen Fragmenten, Gegenständen oder ganzen Fundgruppen jene Informationen zu entlocken, die einen Blick zurück in die Welt der vergangenen Jahrtausende erlauben. Sie tragen zur Beantwortung der Fragen bei, wie die Menschen in vergangenen Zeiten gelebt und an was sie geglaubt haben, was sie hergestellt und was sie angepflanzt haben und worin sie sich deren Lebensgewohnheiten von den unserigen unterscheiden. Archäologische Ausgrabungen im freien Feld bilden eine willkommene Abwechslung zur Arbeit am Schreibtisch. Also doch ein Traumberuf!
Liechtenstein hat sich durch die Unterzeichnung des «Europäischen Übereinkommens über den Schutz des archäologischen Kulturgutes» (1976) und des «Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologischen Erbes» (1997) zur wissenschaftlichen Erforschung, Dokumentation, Publikation und Pflege archäologischer Funde und Befunde verpflichtet. Das aus dem Jahr 1977 stammende Denkmalschutzgesetz regelt die Belange der Archäologie. Sie bildet zusammen mit der Denkmalpflege eine Abteilung des Hochbauamtes.
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