PISA-Ergebnisse des Fürstentums Liechtenstein
Vaduz, 28. November (ots)
Sperrfrist: 28. November 2002, 19.00 Uhr
Im Rahmen des PISA-Programms (Programme for International Student Assessment) der OECD wurden im Jahr 2000 die Kompetenzen der 15-Jährigen im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften international getestet. Geprüft wurden Kenntnisse und Fähigkeiten, die Jugendliche für die erfolgreiche Bewältigung realitätsnaher Herausforderungen im Leben benötigen. Der vorliegende Bericht enthält die PISA- Ergebnisse des Fürstentums Liechtenstein im Vergleich mit deutschschweizer Kantonen.
Um vergleichbare Indikatoren zum Stand der Bildung in verschiedenen Ländern ermitteln zu können, wurden in der PISA- Studie die Leistungen der 15-Jährigen verglichen. Dies hat den Nachteil, dass sich die befragten Jugendlichen auf verschiedene Klassen der Volksschule und der Berufs- und Mittelschule verteilen. Der Vergleich des Fürstentums Liechtenstein mit den drei Kantonen Bern, Zürich und St. Gallen wurde deshalb mit den Ergebnissen der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse durchgeführt.
Grundkompetenzen im Fürstentum Liechtenstein im Vergleich zu den Kantonen Bern, St. Gallen und Zürich
Die Ergebnisse der Vergleichsgruppen liegen in der Regel nahe beieinander. Die teilweise statistisch signifikanten Leistungsunterschiede zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den drei Kantonen der Deutschschweiz sind als gering zu bezeichnen. Der Kanton St. Gallen erreicht in allen drei Bereichen die höchsten Ergebnisse. Die Unterschiede gegenüber dem Fürstentum Liechtenstein sind jeweils statistisch signifikant, aber eher klein. Die Ergebnisse des Fürstentums Liechtenstein und der Kantone Zürich und Bern liegen nahe beieinander und unterscheiden sich nur zufällig.
Die Streuung der Leistungen ist im Kanton St. Gallen in der Regel am geringsten. Aber auch im Fürstentum Liechtenstein ist der Unterschied zwischen den schwachen und starken Schülerinnen und Schülern eher klein, vor allem wenn man an den hohen Anteil von Jugendlichen aus immigrierten Familien denkt. Am grössten ist die Streuung der Leistungen im Kanton Zürich.
Die im internationalen Vergleich nachgewiesenen Ergebnisse ziehen sich durch den regionalen Vergleich zwischen den Kantonen der Deutschschweiz und dem Fürstentum Liechtenstein durch. Gute Ergebnisse werden in der Mathematik erreicht. Vergleichsweise mittelmässige Ergebnisse werden im Lesen und in den Naturwissenschaften erreicht. Erkenntnisse aus dem internationalen Vergleich haben deshalb auch für das Fürstentum Liechtenstein und die drei Kantone ihre Gültigkeit.
Leistungen der Einheimischen
Die geringen Unterschiede zwischen den Regionen in den durchschnittlichen Leistungen sind nicht einfach auf Unterschiede in den Schulsystemen (beispielsweise Schulstrukturen oder Lehrpläne) zurückzuführen, sondern vor allem eine Folge der Zusammensetzung der Schülerschaft. Wird der Geburtsort der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler für den Vergleich berücksichtigt, dann liegen die Ergebnisse der Regionen noch näher beieinander. Wenn für den Vergleich nur die einheimischen Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, die wie ihre Eltern in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein geboren sind, dann gibt es zwischen St. Gallen und Zürich in der Lesekompetenz und in der mathematischen Grundbildung keine signifikanten Unterschiede mehr, die naturwissenschaftliche Grundbildung ist hingegen in St. Gallen auch bei einheimischen Schülerinnen und Schülern am höchsten. Die Ergebnisse des Fürstentums Liechtenstein liegen bei den einheimischen Schülerinnen und Schülern ebenfalls deutlich höher, sind aber in allen Fachbereichen nicht ganz so hoch wie jene in St. Gallen und wie die Ergebnisse in der Mathematik in Zürich.
Förderung von Kinder und Jugendlichen mit unterschiedlicher kultureller Herkunft und aus sozial einfachen Verhältnissen
Der Anteil Jugendlicher aus immigrierten Familien erklärt zu einem Teil die eher mittelmässigen Ergebnisse des Fürstentums Liechtensteins im Vergleich zum Kanton St. Gallen. Dies zeigt, dass das Bildungssystem des Fürstentums Liechtenstein zumindest für die einheimischen Jugendlichen ähnlich gut funktioniert wie jenes in St. Gallen. Es zeigt aber auch, dass die Integration von Jugendlichen aus immigrierten Familien im Fürstentum Liechtenstein nicht optimal funktioniert und Massnahmen in diesem Bereich angesagt sind. Diese Folgerung lässt sich auch für die Kantone Bern und Zürich anbringen.
Ein beachtlicher Teil der Jugendlichen aus immigrierten Familien, die wie ihre Eltern im Ausland geboren sind, erreicht hohe Lesekompetenzen (Kompetenzniveaus «4» oder «5»). Allerdings ist demgegenüber der Anteil von Risikoschülerinnen und Risikoschülern (Kompetenzniveaus «1» oder «<1»)unter den Jugendlichen aus immigrierten Familien, die wie ihre Eltern im Ausland geboren sind, besonders gross.
Der Anteil der Immigranten wird in der Schweiz aber vermutlich auch im Fürstentum Liechtenstein in Zukunft ansteigen, weshalb sich nicht nur das Bildungssystem, sondern die Gesellschaft insgesamt vermehrt auf Kinder auszurichten hat, die das Lesen in der Unterrichtssprache nicht problemlos erlernen. Ein entscheidende Faktor, wie gut und wie viel ein Kind liest, ist das Elternhaus. Dies gilt für einheimische Familien ebenso wie für eingewanderte. Es ist deshalb wichtig, dass insbesondere der Lese-Lern-Prozess im erweiterten Kontext «Gesellschaft- Elternhaus-Schule» angegangen wird.
Grosse Überlappungsbereiche in den Leistungen der Schülerinnen und Schüler verschiedener Schultypen
Als Folge der schulischen Selektion unterscheiden sich die Leistungen nach Schultyp sehr deutlich. Die durchschnittliche Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler ist im Gymnasium 68 Punkte höher als in der Realschule und in der Realschule 104 Punkte höher als in der Oberschule. In der Mathematik sind die Unterschiede ähnlich hoch. Die durchschnittlichen Leistungen im Gymnasium sind 54 Punkte höher als in der Realschule, jene in der Realschule 104 Punkte höher als in der Oberschule. Trotz dieser deutlichen Unterschiede sind die Bandbreiten der Leistungen in allen Schultypen gross. Besonders Lehrpersonen an Oberschulen sind mit einem starken Leistungsgefälle konfrontiert. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler der Oberschule und der Realschule liegen beispielsweise im Lesen in einem Überlappungsbereich von 37 Prozent. 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Oberschule erreichen mindestens den Mittelwert der Realschule. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler der Realschule und des Gymnasiums liegen im Lesen in einem Überlappungsbereich von 61 Prozent. Rund 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Realschule erreichen mindestens den Mittelwert des Gymnasiums.
Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse
Abschliessend gilt es noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse des Fürstentums Liechtenstein zwar aufgrund einer Vollerhebung der 15-Jährigen zustande gekommen sind, die Anzahl der einbezogenen Schülerinnen und Schüler des Fürstentums Liechtenstein aber ungeachtet dieser Tatsache für einen internationalen wie regionalen Vergleich gering ist. Um zu verlässlicheren Aussagen über die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Fürstentum Liechtenstein zu gelangen, wäre deshalb der Blick auf jährlich erfasste Kompetenzen und die Kontrolle der Schwankungen zwischen den Jahrgängen notwendig.
Sperrfrist: 28. November 2002, 19.00 Uhr
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Nr. 653 28. November 2002
(SDA-ATS//)
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