pafl: Aussenminister Ernst Walch am WTO-Ministertreffen der G10-Staaten vom 5. Juli 2004 in Genf
(ots)Diskussion über das Landwirtschaftsdossier im Mittelpunkt
Auf Einladung des Schweizer Wirtschaftsministers und Bundespräsidenten Joseph Deiss trafen sich die Landwirtschaftsminister und Hohe Beamte der G10-Staaten am 5. Juli 2004 in Genf. Liechtenstein war durch das für Aussenwirtschafts- und Aussenhandelsfragen zuständige Regierungsmitglied, Aussenminister Ernst Walch, und WTO-Botschafter Norbert Frick vertreten.
Die Einladung nach Genf erfolgte zu einem kritischen Zeitpunkt der WTO-Verhandlungen. Nach dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancun im vergangenen September haben sich die WTO- Mitgliedstaaten zu Beginn dieses Jahres einen neuen wichtigen Termin gesetzt. Bis Ende Juli soll über ein Rahmenabkommen entschieden werden, in welchem die konkreten Rahmenbedingungen für die weiteren Verhandlungen festgeschrieben sind. Dieses Ziel ist anspruchsvoll, da die festzuschreibenden Prinzipien den weiteren Verhandlungsspielraum bereits stark eingrenzen sollen. Entsprechend wichtig ist es allen WTO-Mitgliedstaaten, eigenen grundsätzlichen Anliegen noch vor diesem Zeitpunkt zum Durchbruch zu verhelfen. Das Landwirtschaftsdossier hat sich als schwierigster Bereich und als zentraler Zankapfel der laufenden Welthandelsrunde herausgestellt.
Die Interessengruppe der 10
Die G10-Staaten (die vier EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz sowie Bulgarien, Taiwan, Israel, Japan, Korea und Mauritius), die sowohl Industrie- wie Entwicklungsländer umfassen, haben sich vor einem Jahr innerhalb der WTO zu einer Interessengruppe zusammengeschlossen, um ihren Anliegen durch ein gemeinsames Auftreten und mit gemeinsamen Positionen im Bereich der Agrarverhandlungen das notwendige Gewicht zu geben. Die Arbeiten der G10 werden von der Schweiz koordiniert.
Alle G10-Staaten treten für eine weitere Stärkung des multilateralen Handelssystems und für einen erfolgreichen Abschluss der vor rund zweieinhalb Jahren in der katarischen Hauptstadt Dauha lancierten Welthandelsrunde ein. Die G10-Minister erklärten in Genf erneut, zur Erreichung dieses Ziels weiterhin mit allen anderen WTO- Mitgliedstaaten und mit den Vorsitzenden der einzelnen Verhandlungsbereiche eng und konstruktiv zusammenarbeiten zu wollen.
Schwerpunkthema Landwirtschaft
Das Ministermandat von Dauha für die laufende Welthandelsrunde, auch Dauha-Entwicklungsagenda genannt, macht weitgehende Reformen im Bereich des weltweiten Handels mit Agrarprodukten unerlässlich. Importzölle und Agrarsubventionen müssen weiter reduziert oder eliminiert werden. Das Ziel an sich ist nicht umstritten. Bei den diesbezüglichen Verhandlungen in der WTO werden drei Pfeiler unterschieden: Marktzugang (Zölle, Importquoten), Inlandstützungen /- subventionen, Exportstützungen /-subventionen. Die G10-Minister haben alle Aspekte der einzelnen Pfeiler im Detail diskutiert und die Resultate in einem umfassenden und ins Detail gehenden Communiqué veröffentlicht. Für die G10-Staaten sind Veränderungen beim Marktzutritt, sprich Abbau von Zollschutz, das schwierigste Thema. Bei gewissen Produkten können auch moderate Zollsenkungen grössere Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit einheimischer Produzenten haben. Am Anschluss an das eigentliche Ministertreffen kamen die Minister auch mit dem Vorsitzenden der Sondersession des WTO-Landwirtschaftskomitees zusammen.
Den G10-Staaten ist gemeinsam, dass alles Nettolebensmittelimporteure sind und bereits einen relativ niedrigen Nahrungsmitteleigenversorgungsgrad aufweisen. Mit einem Anteil von 4 Prozent an der Weltbevölkerung importieren die G10-Staaten 13 Prozent der weltweiten Agrarexporte. Japan, der grösste G10-Staat ist gleichzeitig auch der weltweit grösste Nettolebensmittelimporteur. Weiter ist für die G10-Staaten die Berücksichtigung der Multifunktionalität der Landwirtschaft, d.h. die Berücksichtigung der nicht handelsbezogenen Anliegen, zentral. Es sind dies Anliegen wie dezentrale Besiedlung, Erhalten der Umwelt, ökologische Auflagen, Tierwohl, Sicherheit der Nahrungsmittel, Schutz der Lebensmittel, usw. Die liechtensteinische Agrarpolitik beruht auf dieser Basis. Für Liechtenstein ist es deshalb wichtig, diese Anliegen in der WTO entsprechend klar zu vertreten. Das Treffen der G10-Minister bot hierfür eine ideale Gelegenheit. Das Prinzip der Multifunktionalität ist zwar im Dauha- Mandat festgeschrieben, die Probleme liegen aber wie immer im Detail. Die G10-Minister waren der Meinung, dass die Vielfalt der Landwirtschaft in den einzelnen Ländern, welche unter unterschiedlichen natürlichen, klimatischen, historischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen betrieben werden, respektiert werden muss.
Die Minister der G10-Staaten sind sich dessen bewusst, dass ohne substanzielle Liberalisierung des grenzüberschreitenden Agrarhandels durch Abbau der Zölle und marktverzerrender Subventionen die Dauha- Runde scheitern wird. Auch die G10-Staaten lehnen deshalb weitere Reformen nicht ab, obwohl in den vergangenen Jahren - dies trotz der Verletzlichkeit ihrer Agrarwirtschaft - bereits substanzielle Reformen in der Agrarpolitik umgesetzt worden sind. Die Minister der G10-Staaten setzen sich aber dafür ein, dass weitere Reformen, auch WTO-bedingte, progressiv und sozialverträglich umgesetzt werden können. Im Weiteren setzen sich die G10-Staaten dafür ein, dass den berechtigten Anliegen der Entwicklungsländer umfassend Rechnung getragen wird.
Die WTO arbeitet nach dem Konsensprinzip. Die G10-Minister sind überzeugt, dass speziell im Agrardossier der einzige Weg zu einem Konsens in der richtigen Balance zwischen Ambition und Flexibilität liegt. Diese Balance wiederum liegt in der ausgewogenen Berücksichtigung der Sensibilitäten, Interessen und Probleme sämtlicher WTO-Mitglieder, seien es Industriestaaten, Entwicklungsländer, Agrarprodukte exportierende oder importierende Staaten.