pafl: WTO-Länderexamen: Handelspolitik der Schweiz und Liechtensteins
(ots)
Vaduz, 17. Dezember (pafl) -
Am 15. und 17. Dezember 2004 fand in Genf das zweite WTO-Länderexamen über die Wirtschaftspolitik der Schweiz und Liechtensteins statt. Für die Schweiz war dies bereits das vierte Länderexamen. Aufgrund der engen wirtschaftlichen und vertraglichen Verflechtungen der Schweiz und Liechtensteins, insbesondere aufgrund des Zollvertrages, wurde bei diesem Examen zum zweiten Mal gleichzeitig die Wirtschaftspolitik der Schweiz und Liechtensteins erfasst.
Nach einem kurzen Überblick über das wirtschaftliche Umfeld, konzentriert sich der Bericht des WTO-Sekretariats auf den Rahmen und die Ziele der Handelspolitik. Er analysiert die Handelspraktiken nach Massnahmen und nach Wirtschaftssektoren. Die WTO präsentiert sehr detailliert die Zollpolitik sowie die Handelsmassnahmen im Rahmen der Landwirtschaftspolitik. Spezielle Aufmerksamkeit widmet der Bericht all jenen Bereichen, die durch das WTO-Abkommen erfasst werden, u.a. insbesondere den technischen Handelshemmnissen, dem öffentlichen Beschaffungswesen, der Telekommunikation, dem geistigen Eigentum sowie den restlichen Dienstleistungen. Behandelt werden auch die Entwicklung der Aussenbeziehungen der Schweiz und Liechtensteins auf der Basis bilateraler und regionaler Handelsabkommen.
Die Regierungen der Schweiz und Liechtensteins haben ebenfalls einen Bericht veröffentlicht. Sie präsentieren darin die Wirtschaftsentwicklung ihres Landes und ihre internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Beide Staaten betonen ihr aktives Engagement in Bezug auf die nächste Verhandlungsphase der Doha-Runde.
Der Bericht des WTO-Sekretariats und die beiden Regierungsberichte wurden im WTO-Generalrat am 15. und 17. Dezember 2004 von den WTO- Mitgliedstaaten (zur Zeit zählt die WTO 148 Mitgliedstaaten) diskutiert. Das Resultat dieser Beratung wird in einer Schlusserklärung der Vorsitzenden des Rates festgehalten.
Ziel des WTO Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik ist es, einen Beitrag zur besseren Einhaltung der Regeln und Verpflichtungen der WTO-Übereinkommen und zu einem reibungslosen Funktionieren des multilateralen Handelssystems zu leisten, indem eine grössere Transparenz und ein besseres Verständnis der Handelspolitik und praktiken der Mitgliedstaaten geschaffen wird. Im Rahmen des Länderexamens werden keine Liberalisierungsverhandlungen geführt. Das Länderexamen bildet allerdings eine sehr informative Grundlage, um bei einem anderen Land zusätzlichen Liberalisierungsbedarf aufzudecken und diese Liberalisierungen dann während den offiziellen Verhandlungsrunden einzufordern.
Schlussfolgerungen des Berichts des WTO-Sekretariats
Das Wirtschaftswachstum hat sich in der Schweiz und in Liechtenstein seit 2000 unterschiedlich entwickelt. In Liechtenstein war das Wachstum der Wirtschaft mit einer Ausdehnung der Beschäftigung und einer Diversifizierung der Aktivitäten verbunden. Hingegen erlebte die Schweiz eine lange Phase der Stagnation, und bisher hat der Aufschwung nicht zu einer Abnahme der Erwerbslosigkeit geführt. Zudem wird festgestellt, dass die Wirtschaften der beiden Länder immer stärker auf die verarbeitende Industrie im Bereich der Hochtechnologie und auf Dienstleistungen ausgerichtet sind.
Das Sekretariat stellt fest, dass die Handelspolitik der Schweiz und Liechtensteins auf Grund des Abkommens zur Zollunion von 1923 hauptsächlich durch die Schweiz bestimmt wird. Der Beitritt Liechtensteins zum EWR hat gemäss diesem Bericht die Wirtschaft Liechtensteins in den letzten Jahren stark angekurbelt.
Es wird festgehalten, dass die WTO weiterhin eine zentrale Rolle in der Handelspolitik der beiden Staaten spielt, dass jedoch auch die regionalen Abkommen einen wachsenden Raum einnehmen.
Das Sekretariat erinnert daran, dass der gemeinsame Zolltarif zwischen der Schweiz und Liechtenstein, der mit Ausnahme von Erdgas und Erölprodukten vollumfänglich konsolidiert ist, immer noch ausschliesslich aus spezifischen Zöllen besteht. Das Sekretariat hat ausgerechnet, dass der einfache Durchschnitt des Wertäquivalents der unter Meistbegünstigungsbedingungen effektiv angewandten Zölle im Jahr 2004 9,3 Prozent beträgt. Gemäss der Definition der WTO liegt der Durchschnitt des Wertäquivalents für Zölle auf Landwirtschaftsprodukte bei 36 Prozent, bei nichtlandwirtschaftlichen Produkten hingegen lediglich bei 2,3 Prozent. Produkte von 18 Prozent der Tariflinien können zollfrei eingeführt werden, während für 39 Prozent der Tariflinien Zölle erhoben werden, die 2 Prozent oder weniger betragen.
Das Sekretariat anerkennt jedoch, dass die Zollverfahren wirksam und transparent sind. Es erinnert allerdings daran, dass sich die beiden Länder für eine grosse Anzahl Landwirtschaftsprodukte das Recht vorbehalten haben, die spezielle Schutzklausel des WTO-Abkommens über die Landwirtschaft geltend zu machen.
Das Sekretariat hält für den Bereich technische Regulierungen fest, dass die Harmonisierung der Regulierungen der Schweiz und Liechtensteins mit jenen der EU den Handel mit der restlichen Welt ebenfalls erleichtern.
Es ist die Auffassung des Sekretariats, dass die beiden Länder ein liberales Aussenhandelsregime für industrielle Produkte und Dienstleistungen anwenden. Die Unternehmen Liechtensteins und der Schweiz sind in den meisten Fällen sehr wettbewerbsfähig und weisen einen hohen Export auf. Es wird zudem festgehalten, dass die Reformen der Dienstleistungsmärkte Liechtensteins und der Schweiz weitergeführt werden. In gewissen Bereichen, namentlich bei den Finanzdienstleistungen, ist das Sekretariat der Meinung, dass die beiden Länder über ihre multilateralen Verpflichtungen hinaus liberalisiert haben.
Das Sekretariat stellt fest, dass auf Grund der hohen Ausserkontingentszollansätze für die meisten Importprodukte im Landwirtschaftsbereich, die im Wettbewerb mit einheimischen Erzeugnissen stehen, die Preise für Nahrungsmittel auf dem Binnenmarkt höher sind als in der Mehrheit der anderen Länder, dies zu Lasten der Konsumentinnen und Konsumenten und der anderen Wirtschaftszweige. Es wird schliesslich hervorgehoben, dass die Behörden versuchen, geographische Herkunftsbezeichnungen, Etikettierung sowie biologische Produktionsnormen zu fördern, dies im Hinblick auf die Entwicklung eines Marktes für qualitativ hoch stehende Landwirtschaftsprodukte und Nahrungsmittel.