pafl: Vortrag von Professor Thomas Cottier in Vaduz
(ots)
Vaduz, 4. Mai (pafl) -
Auf Einladung von Regierungsrätin Rita Kieber-Beck hielt Professor Thomas Cottier am 3. Mai im Gasthof Löwen einen Vortrag zum Thema "Die Aufgaben der WTO im Prozess der Globalisierung: Herausforderungen und Perspektiven". Diese Veranstaltung fand im Rahmen der Vortragsreihe "Aussenpolitik und Aussenwirtschaft der Zukunft" statt.
Professor Cottier studierte an der Universität von Bern Rechtswissenschaften und setzte seine Ausbildung an den Universitäten von Michigan und Cambridge fort. In den Jahren 1986 bis 1993 war er Mitglied der Schweizer GATT-Delegation und ab 1989 stellvertretender Direktor des Bundesamtes für geistiges Eigentum. Seit 1994 ist Professor Cottier Ordinarius für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Bern. Er ist Mitglied zahlreicher Streitbeilegungsausschüssen des GATT und der WTO, Direktor des NCCR-Projekts International Trade Regulation und Direktor des World Trade Institutes und des MILE Programms in Bern.
Professor Cottier erläuterte in seinem Referat vor zahlreich erschienenem Publikum die Geschichte, Prinzipien und Aufgaben der WTO, deren äussere Wahrnehmung sich stark von der Realität unterscheide. Das multilaterale System funktioniere besser als von Aussen wahrgenommen werde, schliesslich würden die WTO-Mitglieder mehr als 90 Prozent des Welthandelsvolumens erwirtschaften.
Die zäh verlaufenden Verhandlungen in der Doha-Entwicklungsrunde waren weiters Thema des Vortrages von Professor Cottier. Er erläuterte den Liberalisierungsdruck in der Doha-Runde, die sich - im Unterschied zur Uruguay-Runde - auch auf die Dienstleistungen ausgeweitet hat. Die merkantilistische Grundhaltung verschiedener Verhandlungspartner im Bereich Agrarschutz sei klar zu erkennen. Trotzdem müsse wohl auch die Schweiz und Liechtenstein damit rechnen, falls es zu einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde komme, sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auf das Niveau der EU-Offerte einstellen zu müssen.
Weltweit existiere heute die Tendenz einer Abkehr vom Multilateralismus hin zu bilateralen Freihandelsabkommen beziehungsweise zu Präferenzabkommen. Dies führte Professor Cottier besonders auf den grossen Einfluss der eher kurzfristigen Interessen der Industrie zurück. Da das WTO-Abkommen solchen bilateralen Präferenzabkommen nicht übergelagert sei, können solche Präferenzabkommen transkontinental relativ einfach abgeschlossen werden. Dieser Rückschritt in die Desintegration beherberge jedoch die Gefahr eines "globalen Wildwuchses".
Dritter Themenblock in den Ausführungen von Professor Cottier waren verfassungsrechtliche Probleme in der WTO. Der Referent ging hier auf die Entscheidungsprozesse innerhalb der Organisation ein und erläuterte, warum das Konsensprinzip innerhalb der WTO eine so grosse Rolle spielt. Bei einem Mehrheitsentscheidungsfindungsprinzip - das sich in diversen multilateralen Organisationen findet - hätten die Mitgliedstaaten, die in die Kategorie "Entwicklungsländer" fallen (G90), einen über ihre Stimmenzahl zu starken Einfluss auf das Geschehen. Die Organisation "NCCR Trade Regulation/Swiss National Center of Competence in Research", in welcher Professor Cottier als Direktor tätig ist, untersuche dieses Thema zurzeit vertieft. Eine Studie des NCCR-Projekts habe ergeben, dass die Balance innerhalb der Staaten bei "gewogenen Stimmrechten" beibehalten werden könnte.
Professor Cottier wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass der eigentliche Grundgedanke und das übergeordnete Ziel der WTO die Stabilität und Friedenssicherung seien. Diese Grundphilosophie sei jedoch vielerorts bereits in Vergessenheit geraten. Deshalb hielte er es für angezeigt, wenn sich die staatlichen Institutionen und insbesondere die Industrie wiederum vermehrt an einem längerfristigen und breiteren Ansatz im Rahmen des Multilateralismus mit seiner globalen Sicherheitsstruktur orientieren würden.
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