ikr: Aufarbeitung der Vergangenheit der Pensionsversicherung für das Staatspersonal Fürstentum Liechtenstein
Swisscanto stellt erste Untersuchungsergebnisse vor
Vaduz (ots/ikr) -
Die unabhängigen Experten der Swisscanto Vorsorge AG haben am 6. Dezember 2012 die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand ihrer Untersuchungen zur Vergangenheit der Pensionsversicherung für das Staatspersonal (PVS) orientiert. Aufgrund der Komplexität und des langen Untersuchungszeitraums können noch keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Der Schlussbericht wird voraussichtlich per Ende Februar 2013 vorliegen.
Auftrag
Im Rahmen der Vernehmlassung zur geplanten Gesetzesrevision, die unter anderem die Ausfinanzierung der PVS vorsieht, wurde von verschiedener Seite eine Aufarbeitung der Ereignisse der Vergangenheit gefordert. Mit dieser Untersuchung, die einen Katalog von 18 Fragen umfasst, wurde die Swisscanto Vorsorge AG in Zürich betraut. Die Swisscanto Vorsorge AG hat für die Beurteilung der rechtlichen Fragen Dr. Erich Peter, ehemaliger Leiter der BVG Aufsicht Zürich, beigezogen. Untersucht wird insbesondere das Verhalten der einzelnen Akteure (Stiftungsrat, Geschäftsführung, Pensionsversicherungsexperte, Revisionsstelle, Aufsicht) im Zeitraum vom 1.1.2002 bis 31.12.2011. Zusätzlich wird untersucht, ob die politischen Behörden ihre Aufsichtsfunktion korrekt und zeitgerecht wahrgenommen haben.
Erste Feststellungen zu Versicherungstechnik und Rechnungslegung
Der Vorsorgeplan der PVS basiert auf dem Leistungsprimat, das systembedingt komplex und deshalb schwieriger zu verstehen ist als das allgemein verbreitete Beitragsprimat. Die Experten der Swisscanto Vorsorge AG weisen auf das ungewöhnliche System der PVS zur Messung der finanziellen Situation hin, das auf drei unterschiedlich berechneten Deckungsgraden (prospektive Bilanzierung in geschlossener und offener Kasse sowie retrospektive Bilanzierung) basiert und somit stark vom schweizerischen System abweicht. Der Deckungsgrad gibt an, zu wie viel Prozent die Vorsorgeverpflichtungen durch Vermögen gedeckt sind.
Die Experten der Swisscanto Vorsorge AG stellen fest, dass dieses intransparente System das Treffen adäquater Entscheidungen für Nichtexperten erschwert hat. Zudem liessen die spezialgesetzlichen Bestimmungen des Pensionsversicherungsgesetzes (PVG) und seiner Ausführungserlasse trotz detaillierter Regelungen einen relativ hohen Ermessensspielraum für die Berechnungen offen. Die Bilanzierungspraxis im Beobachtungszeitraum war unüblich und schwer nachvollziehbar, insbesondere was die konkrete Umsetzung der prospektiven Methoden betraf. Ob die Aktivierung von künftigen Beiträgen mit den Berechnungsannahmen auf der Leistungsseite konsistent war oder zu einer nicht gerechtfertigten Verbesserung des Deckungsgrads geführt hat, wird von der Swisscanto Vorsorge AG noch näher geprüft.
Allerdings erwähnen die Experten der Swisscanto Vorsorge AG, dass spezialgesetzliche Vorschriften eine Bilanzierung der Vorsorgekapitalien und der technischen Rückstellungen so, wie es der Schweizer Praxis entspricht, verunmöglichten. Für die Jahre des Überprüfungszeitraums liegen zwar Bestätigungen des Pensionsversicherungsexperten und der Revisionsstelle über die Einhaltung der Fachrichtlinien der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten und der Rechnungslegungsnorm Swiss GAAP FER 26 vor, auch wenn solche Bestätigungen aufgrund der von diesen Standards abweichenden Gesetzesnormen des PVG und seiner Ausführungserlasse nicht hätten abgegeben werden dürfen.
Vor dem Hintergrund einer nicht einfach verständlichen Bilanzierung und damit einer intransparenten Darstellung der tatsächlichen finanziellen Lage, wurde eine konsequentere Intervention erschwert. Allerdings hätten auch das Ausschöpfen der Sonderbeiträge der Dienstgeber von jährlich maximal 3.0% der beitragspflichtigen Besoldung in den Jahren 2002 bis 2008 oder die Anhebung der Gesamtbeiträge auf den obersten Wert der Bandbreite von 20% der beitragspflichtigen Besoldung bereits per 1.1.2010 anstatt per 1.1.2012 die finanzielle Lage nur leicht verbessert (ca. 6 Deckungsgradprozente). Es steht die Feststellung im Raum, dass die Entscheidungsträger womöglich wegen der mangelhaften Transparenz und angesichts der wenig klaren Informationen das wahre Ausmass der Unterdeckung nicht vollumfänglich haben erkennen können.
Erste Feststellungen zur Anlagetätigkeit
Die Unterdeckung wurde in erster Linie durch die ungenügende Rendite verursacht, mit der die technische Verzinsung von jährlich 4% (netto) deutlich verfehlt wurde. Die Auswertung der Vermögenanlage-Ergebnisse ergab, dass sowohl die Anlagestrategie als auch die Umsetzung nicht optimal waren. Rückblickend betrachtet wurde das Anlagerisiko zu einem ungünstigen Zeitpunkt verändert, was aus heutiger Perspektive als Fehlentscheid interpretiert werden kann. Auffällig war insbesondere der häufige Wechsel der Anlagestrategie, was jeweils zu Umstrukturierungsverlusten führte. Sowohl im Vergleich mit den Nettorenditen der Schweizer Pensionskassen im Untersuchungszeitraum von kumuliert 26.2% wie auch mit der PVS-eigenen Benchmark von 14.9% lagen die Nettorenditen der PVS mit 11.1% deutlich unter diesen Vergleichswerten.
Rückwirkend betrachtet war unter dem Aspekt der tiefen Renditen von durchschnittlich 1.1% pro Jahr der technische Zinssatz von 4.0% zu hoch angesetzt, was den Akteuren bekannt war. Mit dem technischen Zinssatz werden die Vorsorgeverpflichtungen bewertet. Je höher der technische Zinssatz ist, desto tiefer werden die Verpflichtungen bilanziert und desto höher ist der Deckungsgrad. Allerdings steht die PVS mit dieser Herausforderung nicht alleine da. Im Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Pensionskassen in der Schweiz lag der technische Zinssatz der PVS etwa im Mittelfeld.
Schlussbericht voraussichtlich per Ende Februar 2013
Aufgrund von diversen Anpassungen der für die PVS relevanten rechtlichen Grundlagen sind für die Untersuchung der einzelnen Jahre verschiedene gesetzliche Massstäbe anzuwenden. Bevor abschliessende Schlussfolgerungen gezogen sowie Beurteilungen zum Verhalten der einzelnen Akteure und Organe gemacht werden können, muss das umfangreiche Datenmaterial (mehr als 300 Dokumente sowie 2600 elektronische Dateien) gesichtet und analysiert werden, was entsprechend Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt. Bei der Auswertung wird auch Wert darauf gelegt, die Aufgabenerfüllung aufgrund der in den jeweiligen Zeitperioden geltenden Gesetzesbestimmungen und der damals anerkannten Praxis zu würdigen. Der Schlussbericht, der auch veröffentlicht wird, dürfte voraussichtlich per Ende Februar 2013 vorliegen.
Kontakt:
Peter Beck, persönlicher Mitarbeiter des Regierungschefs
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