ikr: Anlass zum neuen Kindschaftsrecht - gemeinsame Obsorge am 16. Oktober 2014
Vaduz (ots/ikr) -
Mit dem neuen Kindschaftsrecht, welches per 1. Januar 2015 in Kraft tritt, wird die gemeinsame Obsorge als Regelfall nach einer Trennung oder Scheidung im Gesetz geregelt. Auch unverheiratete, nicht in häuslicher Gemeinschaft lebende Eltern können die gemeinsame Obsorge erlangen, allerdings wird an dem Grundsatz, dass zunächst die Mutter die alleinige Obsorge ab Geburt erhält, festgehalten. Wichtig erscheint, dass der gemeinsamen Obsorge nicht nur "symbolische Bedeutung" zukommt. Im Sinne des Kindeswohls und einer partnerschaftlichen Ausgestaltung der elterlichen Verantwortung ist in Zukunft eine tatsächliche Präsenz und faktische Verantwortung beider Elternteile anzustreben.
Das Ministerium für Gesellschaft, das Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft, die Arbeitsgruppe Obsorge, das Amt für Soziale Dienste und die Stabsstelle für Chancengleichheit haben am 16. Oktober 2014 zu einer Fachtagung zum neuen Kindschaftsrecht geladen.
Nach Grussworten der Regierung durch Thomas Zwiefelhofer folgte ein Referat von Jürgen Rudolph, Rechtsanwalt und ehemaliger Familienrichter und Mitbegründer der "Cochemer Praxis". Dieses Arbeitsmodell entstand 1992 in Cochem an der Mosel in Deutschland. Es verfolgt das Ziel, dass Eltern miteinander reden anstatt zu streiten. Im Vordergrund steht das Wohl des Kindes. Bei diesem Modell, bei dem Gerichte, Jugendämter und Sachverständige eng zusammenarbeiten und das Kind durch einen eigenen Anwalt vertreten wird, wird versucht, Partnerschaftsstreit und Kindeswohl voneinander zu trennen. "Eltern sollen die Verantwortung, für ihre Kinder Entscheidungen zu treffen, gemeinsam wahrnehmen und nicht den verschiedenen Institutionen überlassen, die an den familiengerichtlichen Verfahren beteiligt sind", so Rechtsanwalt Rudolph.
Bei der Verabschiedung der Revision des Kindschaftsrechts im Landtag wurde ein Leitfaden gefordert, der durch den Kinder- und Jugenddienst des Amtes für Soziale Dienste erstellt werden sollte. Er soll als gut verständliches Nachschlagewerk zum neuen Kindschaftsrecht für Betroffene und Fachpersonen dienen. Helene Vorhauser Malin, Leiterin des Kinder- und Jugenddienstes des Amtes für Soziale Dienste, stellte die Grundzüge des in Entstehung befindlichen Leitfadens vor. Dieser wird beim Inkrafttreten der Gesetzesänderungen am 1. Januar 2015 veröffentlicht und dann der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
Nach einer kurzen Erfrischungspause folgte eine äusserst interessante Podiumsdiskussion mit Sabine Gantner-Doshi, Rechtsanwältin, Mediatorin und Collaborative Lawyer (A), Simone Lugger-Kuhn, Amt für Justiz (FL), Helmut Schwärzler, Rechtsanwalt und Mediator (FL) sowie Willi Büchel, Landrichter (FL).
Die Referentin aus der Schweiz, Andrea Staubli, Gerichtspräsidentin am Bezirksgericht Baden und Mediatorin SDM (CH), berichtete von ihren Erfahrungen. Für sie stellt das Verfahren der Mediation, ob im Sinne einer Empfehlung, einer Aufforderung oder einer Anordnung, eine Erweiterung der "Werkzeugkiste" des Richters oder der Richterin dar. Sie erweitert das Repertoire der Konfliktlösung aber nicht nur für Gerichte, Behörden, sondern auch für die betroffenen Eltern bzw. Parteien. Ein Richter, der diesen Weg unterstütze, nimmt eine vom Gesetz vorgesehene Aufgabe wahr. Dieser Versuch lohne sich, zeigte sich Andrea Staubli durch ihre Erfahrungen überzeugt.
Ein vom Verein für Mediation anlässlich seines heuer 10-jährigen Bestehens gegebenes Abendessen bildete den kulinarischen Rahmen und einen gelungenen Abschluss.
Kontakt:
Stabsstelle für Chancengleichheit
Isolde Meier
T +423 236 60 60