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Staatskanzlei Luzern

Borkenkäfer haben Hochkonjunktur

Luzern (ots)

Bereits im Verlaufe des letzten Jahres wurde eine
Massenvermehrung der Borkenkäfer prognostiziert. Nun ist es soweit:
In den fichtenreichen Wäldern des Mittellandes und der Voralpen wird
zur Zeit massiver Borkenkäferbefall an stehenden Fichten (Rottannen)
festgestellt.
Seit dem Wetterumschwung mit sommerlichen Temperaturen häufen sich
die Meldungen über Borkenkäferschäden: Beginnend mit Rötungen im
Kronenansatz leuchten wenige Tage später rotbraune Baumkronen im
üppigen Waldgrün. Ein untrügerisches Zeichen dafür, dass die erste
Borkenkäfergeneration am Verpuppen und Ausfliegen ist. Gleichzeitig
leiten die gefrässigen Käfer damit die zweite Käfergeneration ein.
Deren Entwicklung dauert 6 bis 8 Wochen. Ab Mitte August ist mit
weiteren Schäden zu rechnen.
Auch abseits der Lotharschäden
Hauptverantwortlich für diese unerfreuliche Entwicklung ist der
Wintersturm Lothar, der gesamtschweizerisch rund 15 Mio. Bäume
gebrochen oder gefällt und sehr viele noch stehende Wälder arg in
Mitleidenschaft gezogen hat. In den riesigen Schadholzmengen und
begünstigt durch die sehr guten Witterungsbedingungen während der
Vegetationsperiode 2000 konnte sich der damalige Restbestand an
Borkenkäfern ("eiserner Bestand") nahezu explosionsartig vermehren.
Dort wo die Schadenflächen sehr rasch geräumt wurden, haben die Käfer
nun in den Randbereichen die noch stehenden Bäume befallen. In den
nicht sofort geräumten Gebieten erfolgt der Befall an stehenden
Bäumen erfahrungsgemäss verzögert, weil die Käfer im liegenden
Schadholz noch genügend geeignete Brutstätten vorfinden. Vielerorts
werden aber auch Befallsherde - sogenannte Käfernester - in noch
einigermassen geschlossenen Wäldern entdeckt. Ein eindeutiges Indiz
dafür, dass die Heftigkeit des Sturmes auch scheinbar intakte Wälder
bedeutend stärker in Mitleidenschaft gezogen hat, als dies auf den
ersten Blick vermutet werden könnte.
Befall Erkennen - Richtig Entscheiden
Von Menschenhand alleine lässt sich der kaum 5 mm grosse Käfer
unter den gegebenen Voraussetzungen nicht unter Kontrolle bringen. Es
herrschen für Borkenkäfer sehr günstige Witterungsbedingungen und
gleichzeitig sind attraktive Brutbäume  in grosser Anzahl vorhanden.
Das rechtzeitige Erkennen von Borkenkäferbefall ist bei dessen
enormen Vermehrungsraten (siehe Kasten) sehr schwierig und eine
Bekämpfung hat nur dann Aussichten auf Erfolg, wenn innerhalb einer
Region oder Geländekammer der grösste Teil der Käfernester
rechtzeitig und fachgerecht entfernt werden kann.
Die Waldbesitzenden entscheiden über Massnahmen
Es ist dem Forstdienst nicht möglich, überall präsent zu sein. Die
Waldbesitzenden werden daher aufgerufen, ihre gefährdeten Bestände im
Auge zu behalten und bei Fragen den Kontakt zum Revierförster zu
suchen. Mit dem Ziel, weitere finanzielle Verluste der
Waldbesitzenden möglichst gering zu halten, soll im richtigen Moment
der individuell wirtschaftlich und ökologisch richtige Entscheid
getroffen werden. Der Entscheid, Massnahmen zu ergreifen liegt
grundsätzlich beim Waldbesitzenden. Dabei ist es sehr wichtig, die
gegenwärtig herrschenden Rahmenbedingungen bei der Entscheidfindung
zu berücksichtigen (siehe Kasten). Die Nutzungsbewilligung wird vom
Revierförster erteilt. Für die Nutzung von Käferbäumen werden keine
Beiträge entrichtet.
Nur akut befallene Bäume sollen entfernt werden
Sofortmassnahmen sollen nur dann ergriffen werden, wenn dies noch
rechtzeitig möglich ist und damit ein Beitrag an die Vernichtung von
Borkenkäfern geleistet wird. Von dürren Bäumen oder Bäumen, an denen
die Rinde bereits abgefallen ist und die somit vom Borkenkäfer wieder
verlassen sind, geht keine Gefahr mehr aus. Sie sind als Brutstätten
für die Feinde der Borkenkäfer (Nützlinge) unbedingt stehen zu
lassen. Ebenso besteht beim Ergreifen von Bekämpfungsmassnahmen das
Risiko, dass nicht befallene Bäume aus prophylaktischen Überlegungen
gefällt werden. Damit werden die Kahlflächen unnötig vergrössert und
neue Bestandesränder geschaffen. Diese wiederum sind dem Wind, der
Sonne und erneut dem Borkenkäfer ausgesetzt.
Käferholzpreis ist am Sinken
Aber auch die Wirtschaftlichkeit der Massnahmen ist nicht ausser
Acht zu lassen. Gegenwärtig kann in einfachen Verhältnissen des
Mittellandes die Nutzung von Borkenkäferbäumen noch kostendeckend
erfolgen. Die Rechnung "Arbeit gegen Holz" geht in der Regel gerade
noch auf. Mit zunehmendem Holzangebot wird sich der Holzerlös jedoch
gegen unten bewegen. Kommt dazu, dass beim Export nach Österreich und
Italien in nächster Zeit mit einer ferienbedingten Stagnation zu
rechnen ist. Und: Je mehr Käferholz auf den Markt kommt, desto länger
bleiben die Holzpreise für das gesunde Holz auf tiefem Niveau stehen.
Keine gesicherten Erkenntnisse
Gesicherte Erkenntnisse, dass unter den gegebene Verhältnissen das
stetige Fällen von frisch befallenen Bäumen den Borkenkäfer aufhält,
gibt es nicht. Sicher ist der Witterungsverlauf zusammen mit der
Entwicklung der natürlichen Borkenkäferfeinde ein entscheidender
Faktor für die weitere Entwicklung. Dies haben die bisherigen
Erfahrungen mit Borkenkäfermassenvermehrungen wie zum Beispiel nach
Vivian deutlich gezeigt.
Die Borkenkäfer bringen Fichten zum Absterben, nicht aber den Wald
an sich. Es können ungemütliche, traurige und ungewohnte Waldbilder
entstehen. Doch unter den abgestorbenen Fichten wird wieder ein neuer
Wald entstehen.
Detailinformationen (Kasten)
   Der Entscheid, Borkenkäferbäume zu nutzen, will gut überlegt sein
Der Entscheid, Massnahmen zu ergreifen, liegt grundsätzlich beim
Waldbesitzenden. Dabei gilt es zu bedenken, dass
  • eine aktive Käferbekämpfung nur wirksam ist, wenn Käferbruten in ganzen Waldkomplexen bzw. Regionen bekämpft und vernichtet werden,
  • Aufwand und Ertrag berücksichtigt werden, insbesondere Holzabsatz- und Transport gesichert sind (nicht nur versprochen),
  • mit einem Überangebot an Käferholz die Holzpreise für gutes Holz auf tiefem Niveau stehen bleiben,
  • die befallenen Bäume rechtzeitig vor dem Abfallen der Rinde gefällt werden,
  • gefällte Bäume rasch abtransportiert oder noch im Wald entrindet werden, wobei die Rinde verbrannt werden muss, wenn bereits hellbraune Jungkäfer vorhanden sind,
  • wirklich nur Bäume gefällt werden, die von Käfern befallen sind, da es wichtig ist, möglichst wenig neue Angriffsfläche für Sonne, Wind und weitere Borkenkäfer zu schaffen,
  • eine Vielzahl der natürlichen Feinde der Borkenkäfer (Nützlinge) für ihre Entwicklung auf verlassene Käferbäume angewiesen sind und diese Bäume gleichzeitig die dahinterliegenden Bestände und den Boden schützen und einen wichtigen Beitrag für ein gutes Mikroklima für die nächste Baumgeneration leisten,
  • bei den Exporten nach Österreich und Italien in nächster Zeit eine ferienbedingte Stagnation zu befürchten ist,
  • Käferholz bei der Zwischenlagerung sehr rasch an Wert verliert (Bläuepilze!),
  • die Nutzung der Käferbäume eine Nutzungsbewilligung durch den zuständigen Revierförster erfordert.
Detailinformationen (Kasten)
   Borkenkäfer sind ein wesentlicher Bestandteil jedes Waldökosystems
Weltweit gibt es über 5'000 Arten (!), rund 120 davon leben in der
Schweiz. Der Buchdrucker ist die in unseren Wäldern wirtschaftlich
wichtigste Art. Seinen Namen hat ihm sein Frassbild gegeben, das mit
seinen vertikalen Mutter- und horizontalen Larvengängen an einen
Buchdruck mit Spalten und Zeilen erinnert.
Bei günstigen Bedingungen entwickeln sich pro Jahr zwei
Generationen. Im letzten Jahr waren es in gewissen Gebieten des
schweizerischen Mittellandes sogar drei Generationen. Die Dichte von
Borkenkäferpopulationen wird durch verschiedene natürliche
Begrenzungsfaktoren geregelt. Die wichtigsten sind die Witterung, das
Angebot an Brutmaterial, die Widerstandskraft der Wirtsbäume
(Disposition) und die natürlichen Feinde.
Ein Borkenkäferweibchen legt bis maximal 80 Eier. Unter günstigen
Bedingungen initiiert es weitere Generationen (sog.
Geschwisterbruten). Aus diesen ersten Generationen wiederum können im
gleichen Jahr auch noch eine bis zwei Folgegenerationen entstehen, so
dass von einem einzigen Weibchen letztendlich 30'000 - 80'000 Käfer
abstammen können. Im Extremfall wird eine vollständig befallene
Fichte von bis zu 50'000 Borkenkäfern bewohnt.
Detailinformationen (Kasten)
   Auch Borkenkäfer haben natürliche Feinde
Wie dies in jeder Räuber-Beute-Beziehung der Fall ist, entwickeln
sich auch die Feinde der Borkenkäfer bei einer Massenvermehrung erst
mit einer gewissen Verzögerung. Verschiedenste räuberische
Insektenarten wie Laufkäfer-, Kurzflügler-, Stutzkäfer- oder
Buntkäferarten und Schmarotzer (Parasitoide) wie Brack- oder
Erzwespenarten erzielen ihre Hauptwirkung erst dann, wenn genügend
Borkenkäfer-Beute vorhanden ist. Vogelarten haben bei plötzlich
steigendem Nahrungsangebot nicht die Möglichkeit, ihre
Vermehrungsrate rasch anzupassen. Sie reagieren kurzfristig, indem
sie sich zusammenscharen und sich mit der leicht verfügbaren Beute
ernähren.
Für die Feinde der Borkenkäfer, welche sich ebenfalls im Baum
entwickeln, ist es wichtig, dass die abgestorbenen Käferbäume nach
dem Ausflug der Buchdrucker noch mindestens ein bis zwei Monate
stehen bleiben. Nur so haben diese die Möglichkeit, sich auf ihre
Beute einzustellen.
Nützlinge vermögen zwar eine Massenvermehrung von Buchdruckern
nicht zu verhindern. Sie leisten aber einen wesentlichen Beitrag für
den Rückgang einer Käferpopulation. Nebst weiteren natürlichen
Regelmechanismen wie Krankheiten, Bakterien und Pilzen trägt der
Witterungsverlauf mit kühl-nassen Frühlings- und nasskalten
Sommermonaten entscheidend zum Zusammenbruch der Population bei.
Hinweis an die Redaktionen:
   Auf Wunsch kann Bildmaterial zur Verfügung gestellt werden:
Silvio Covi, Fachbereich Waldpflege, Tel 041 / 228 62 04; E-Mail: 
silvio.covi@lu.ch, Natel: 079 / 399 23 21

Kontakt:

Otmar Wüest, Kantonsförster, Tel. +41 41 228 62 01;
E-Mail: otmar.wueuest@lu.ch
Silvio Covi, Fachbereich Waldpflege, Tel +41 41 228 62 04,
E-Mail: silvio.covi@lu.ch, Natel: +41 79 399 23 21

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