Veranstaltungsprogramm der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern: Lesen und Schreiben in Luzern II
Luzern (ots)
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne informiere ich Sie heute über einen der nächsten Programmpunkte im Veranstaltungskalender der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern im September. Die bevorstehende Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Fall' des so hochgelobten wie skandalisierten Innerschweizer Schriftstellers Heinrich Federer:
Donnerstag, 5. September 2002, 20 Uhr in der ZHB
Buch-Vernissage und Eröffnung der begleitenden Ausstellung
Pirmin Meier Der Fall Federer - Priester und Schriftsteller in der Stunde der Versuchung. Eine erzählerische Recherche. Zürich, 2002
Einführungen: Prof. Markus Ries, Universität Luzern: Heinrich Federer: Grenzgänger und Grenzverletzter
Egon Ammann, Ammann Verlag: Historiographisches Erzählen - eine willkommene Bereicherung
Lesung: Der Autor Pirmin Meier liest und kommentiert Passagen aus seinem neuesten Buch: Der Fall Federer ..... Ammann Verlag 2002
Eröffnung der begleitenden Ausstellung zu Leben und Werk Heinrich Federers
Eintritt frei
Die rechtzeitige Ankündigung wie auch eine ausführlichere Besprechung des Abends würden mich sehr freuen. Auf der folgenden Seiten finden Sie noch kurze Informationen zu Heinrich Federer und der Recherche von Pirmin Meier, der für sein Gesamtwerk soeben mit dem angesehenen Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Weiteres Material zu Biografie und Werk ist auf unserer Homepage www.zhbluzern.ch versammelt. Für Rückfragen und weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen
Dr. Ina Brueckel Beauftragte für Öffentlichkeits- und Kulturarbeit Tel. +41/41/228'53'16 Fax +41/41/210'82'55 mailto:brueckel@zhbluzern.ch
Detailinformationen
Heinrich Federer geboren am 6.10.1866 in Brienz, Kanton Bern, gestorben in Zürich am 29.4.1928. Als Sohn eines Künstlers wuchs Federer im Kanton Obwalden auf und wurde von seiner Mutter früh zum geistlichen Beruf bestimmt. Nach Studien in Sarnen, Eichstätt, Luzern und St. Georgen wurde er 1893 katholischer Priester und Kaplan in Jonschwil. Wegen seines Asthmas gab er das Amt 1899 auf und trat als Redakteur bei den katholischen "Zürcher Nachrichten" ein, wo er schon bald als führender Kopf der katholisch-sozialen Bewegung galt.
Wegen der Anschuldigung homosexuellen Umgangs mit Minderjährigen wurde Federer 1902 Mittelpunkt eines Skandals und musste seine Stelle aufgeben. Was er auf langen Wanderungen in Italien notiert hatte, verarbeitete er ab 1911, nachdem er mit den "Lachweiler Geschichten" ein fulminantes Debüt erlebt und sich eine Existenzgrundlage geschaffen hatte, zu Erzählungen und Romanen. Neben seinen italienischen Novellen -- am berühmtesten "Sisto e Sesto" (1913) -- nahm er sich mit "Berge und Menschen" (1911) und "Pilatus" (1912) auch der damals beliebten Gattung des alpinen Heimatromans an, was ihm Bestseller-Erfolge in Deutschland, aber auch die Klassifizierung als Heimatschriftsteller einbrachte. Dabei wurde oft übersehen, wie radikal Federer in sozialer Hinsicht dachte und wie entschieden er auf der Seite der Benachteiligten stand. Sein Bestes lieferte Federer in jenen Büchern, die aus eigenem Erleben gewachsen sind: im Kindheitsroman "Das Mätteliseppi" (1916), in den Jugenderinnerungen "Am Fenster" (1927) und in den unorthodoxen Priesterromanen "Jungfer Therese" (1913) und "Papst und Kaiser im Dorf" (1924). (Quelle: Projekt Gutenberg.de)
Zum Buch von Pirmin Meier: Der Fall Federer - Priester und Schriftsteller in der Stunde der Versuchung. Eine erzählerische Recherche. Zürich, Ammann-Verlag 2002
Am 2. August 1902 wird der Priester und Publizist Heinrich Federer (1866-1928) auf der Talstation der Stanserhornbahn in Nidwalden festgenommen. Es besteht Verdacht auf "widernatürliche Befriedigung des Geschlechtstriebs, begangen an einem zwölfjährigen Knaben". Federers Existenz ändert sich schlagartig. Nach Entlassung aus der Untersuchungshaft werden ihm Wohnung und Anstellung fristlos gekündigt. Es folgen Lebensjahren in bedrückenden moralischen und materiellen Verhältnissen, bis Federer mit der Novelle Vater und Sohn im Examen' der literarische Durchbruch gelingt und er zu einem der bedeutendsten katholischen Erzähler seiner Generation wird. Gerade deshalb aber werden die vorangegangenen Ereignisse zu einem Jahrhunderttabu. Pirmin Meier hat das Geschehen aufgearbeitet und ermöglicht ungeahnte Einblicke in einen bisher verschlossenen Kosmos. Wahre Geschichten um Literatur, Knabenliebe und Katholizismus, wie sie so hätte niemand erfinden können. (Aus dem Klappentext des Buches)
Textauszug:
"Federer hingegen fehlen Worte. Ein Missverständnis? Da er realisiert, wie Herr Kuhn den plötzlich laut weinenden Emil aus seiner Hand löst, um nicht zu sagen entreisst, und ihm sagt, oben in seiner Privatwohnung warte sein Sohn auf ihn und die Herren Doktoren Odermatt und Wyrsch kämen dann auch noch zu ihm herauf, beschleicht den Angehaltenen ein Gefühl von Beklommenheit. Vermag er darüber, als wäre er der Vorsitzende einer Essigfabrik, zu lachen oder soll er gleich ersticken? Doktor Odermatt, der versierte Chirurg? Was hat der mit Emil zu schaffen? Und erst Doktor Jakob Wyrsch, der Schwager seines Jugendfreundes Anton Stockmann? Darüber gibt der kräftige schöne Mann, der sich als Wachtmeister Lussi zu erkennen gibt, keine weiteren Erklärungen ab. Aber man erwarte, fügt er hinzu, jeden Moment den Herrn Polizeidirektor. Wäre der Schnuz, die Kuppe des Stanserhorns, zu Tale gestürzt, um Federer zu zermalmen, es hätte ihn nicht stärker treffen können als die nunmehrige Reaktion Emils. Dieser realisiert offensichtlich noch vor seinem erwachsenen Begleiter, dass sie beide verhaftet sind! Im Bereich der privaten Existenz wird für Heinrich Federer der Weltuntergang Tatsache. Augenblicke gibt es im Leben, die machen den Menschen zu Staub und es ist, als würden sie ihm dann noch in den Sarg nachrieseln."
Kontakt:
Staatskanzlei Luzern
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Tel. +41/41/228'60'00