Sucht Schweiz / Addiction Suisse / Dipendenze Svizzera
Alkoholprobleme sind ein Tabu: Aktionstag bricht das Schweigen
Lausanne (ots)
Alkoholabhängigkeit gehört zu den besonders stigmatisierten psychischen Erkrankungen. Scham- und Schuldgefühle erschweren es Betroffenen, Hilfe zu suchen. Der diesjährige Nationale Aktionstag Alkoholprobleme vom 24. September bringt das Tabuthema Alkoholprobleme der Öffentlichkeit auf vielfältige Weise näher.
Alkohol ist ein angepriesenes Konsumgut, Trinken ist die Norm, Abstinenz die Ausnahme. Wer an einem Apéro keinen Alkohol trinken möchte, muss sich mitunter erklären oder nach Alternativen verlangen. Wer viel Alkohol verträgt, gilt als stark. Wer aber die Kontrolle verliert, wird ausgegrenzt. Wer jemanden aus Sorge wegen dessen hohen Alkoholkonsums anspricht, fürchtet zu brüskieren. Wenn es problematisch wird, wird meist geschwiegen.
Der Nationale Aktionstag Alkoholprobleme 2020 will die schwierigen Aspekte des Alkoholkonsums enttabuisieren. Wegen der Ausnahme¬situation aufgrund des Coronavirus wurde der diesjährige Aktionstag vom Mai auf den 24. September verschoben. Organisationen der Suchtberatung und -therapie in allen Regionen der Schweiz machen auf ihre Hilfsangebote aufmerksam und sensibilisieren die Bevölkerung. Manche von ihnen haben dies je nach Art ihrer Aktion und in Übereinstimmung mit den Corona-Regeln bereits vor diesem Verschiebedatum getan.
Das Thema des Aktionstags macht deutlich, dass alkoholkranke Menschen nicht als charakter- oder willensschwach geächtet werden dürfen. "Diese Ausgrenzung fördert den sozialen Rückzug, die Isolation und erschwert Betroffenen den Weg zu fachlicher Hilfe", erklärt Marie-Noëlle McGarrity, Projektleiterin bei Sucht Schweiz.
Hilfesuche aus reiner Verzweiflung
Dass Betroffene die Probleme lange vor sich hinschieben und verheimlichen, weiss Bartholome aus eigener Erfahrung. Mit 46 Jahren hörte er auf zu trinken. Zuvor hatte er lange Jahre seinen übermässigen Konsum verleugnet - sich und anderen gegenüber. "Ich trank bis zur Besinnungslosigkeit. Am Schluss ging ich nur noch jeden zweiten Tag zur Arbeit und ich hatte Suizidgedanken", erinnert er sich. Er riskierte, alles zu verlieren, die Ehefrau und die Arbeitsstelle. Aus purer Verzweiflung holte er sich Hilfe. In einer Klinik wurde ihm geraten, die AA Anonymen Alkoholiker aufzusuchen. Dieser Schritt brachte in seinem Fall die Wende. Der Austausch mit anderen Betroffenen hat ihm geholfen - bis heute. Auch nach über zwei Jahrzehnten ohne Alkohol besucht er jede Woche ein Meeting, engagiert sich im AA Info Team in seiner Region und betreut stundenweise die 24 Stunden AA Hotline.
Bartholome hat den Weg aus der Sucht gefunden, wobei ihm die Familie, der Arbeitgeber - er konnte bis zur Pensionierung bei der gleichen Firma weiterarbeiten - die Gemeinschaft der AA und ein Quäntchen Glück zur Seite standen. "Aber ohne die eigene Einsicht ist keine Veränderung möglich und man muss bezüglich Alkohol achtsam bleiben bis ans Lebensende", ergänzt er.
Alkohol ist kein Tabu, die Probleme schon In der Schweiz spricht man gemäss Umfrageresultaten kaum über psychisches Befinden. Die Mehrheit der Personen fürchtet negative Reaktionen, wenn das Umfeld erfahren würde, dass es ihnen nicht gut geht. Betroffene und nahe Angehörige meiden es, über die Alkoholprobleme zu sprechen, um nicht als "Versager" dazustehen oder um befürchtete Folgen wie den Arbeitsplatzverlust oder den Sorgerechtsentzug zu vermeiden. Betroffene neigen dazu, sich zurückzuziehen und sie sind von Scham- und Schuldgefühlen geplagt. Diese sind eine grosse Hürde auch dafür, sich Unterstützung zu holen - ein Teufelskreis entsteht, der noch mehr Probleme mit sich bringt. Der Nationale Aktionstag Alkoholprobleme will das Tabu rund um Alkoholprobleme und das Schweigen brechen sowie Betroffene und Angehörige ermutigen, sich Hilfe zu holen.
Der Aktionstag Alkoholprobleme
Der Nationale Aktionstag Alkoholprobleme wird von den drei sprachregionalen Fach-verbänden bzw. Institutionen im Alkoholbereich (GREA, Fachverband Sucht und INGRADO) sowie von Sucht Schweiz, dem Blauen Kreuz, der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) und den Anonymen Alkoholikern (AA) getragen und durch den Nationalen Alkoholpräventionsfonds finanziell unterstützt. Er findet alle zwei Jahre statt.
Zahlen und Fakten:
- 250'000 Personen sind in der Schweiz von Alkoholabhängigkeit betroffen. Gut eine halbe Million Menschen ab 15 Jahren hat mindestens eine Person in der engeren Familie (Mutter, Vater, Geschwister, Kinder und Partner oder Partnerin) mit einem Alkoholproblem (und evtl. zusätzlichem Problem mit anderen Drogen). Dazu kommen etwa 100'000 Kinder aus alkoholbelasteten Familien.
- Alkoholprobleme kommen in allen Gesellschaftsschichten vor.
- Viele Betroffene wurden abhängig, ohne je stark betrunken gewesen zu sein.
- Rückfälle sind häufig auf dem Weg aus der Sucht.
Aktivitätenliste(a) für die Regionen
Mehr Informationen zum Aktionstag: www.aktionstag-alkoholprobleme.ch
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(b)https://urlz.fr/dOdG (c)https://urlz.fr/dOdL
Pressekontakt:
Monique Portner-Helfer
Mediensprecherin
Sucht Schweiz
Tel. 021 321 29 74
mportner-helfer@suchtschweiz.ch