Medienmacher stellen Newsroom-Konzept in Frage
Hamburg (ots)
Print- und Onlinejournalisten sollten bei der redaktionellen Arbeit mehr auf Distanz zueinander gehen. Die Vermischung beider Arbeitsweisen sei keine Antwort auf die Medienkrise und den Qualitätsverlust vieler Zeitungen. So lautet ein Fazit des gestrigen media coffees der dpa-Tochter news aktuell. Unter dem Titel "Gewinner und Auslaufmodelle - Wer profitiert von der Medienkrise?" diskutierten gestern in München etwa 250 PR-Fachleute und Journalisten im Haus der Bayerischen Wirtschaft. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kommunikationsberater und Autor Dr. Andreas Knaut.
"Meiner Meinung nach gehören Online und Print weiterhin getrennt", sagte Verleger Dr. Dirk Ippen. Der Chef des Münchener Zeitungs-Verlags betonte, dass die Arbeitsweise der Redakteure so unterschiedlich sei, dass sie sich kaum gegenseitig befruchte. Während es im Online-Journalismus auf die Geschwindigkeit und die fortlaufende redaktionelle Begleitung eines Ereignisses ankomme, stehe im Print mehr die Analyse und Gewichtung im Mittelpunkt. Unterstützt wurde Ippen in dieser Auffassung von Chefredakteur Hans Werner Kilz von der Süddeutschen Zeitung und dem Leiter der LeadAcademy Markus Peichl. Ippen, in dessen Verlag unter anderem der Münchener Merkur und das Boulevardblatt tz erscheinen, forderte die Branche insgesamt auf, wirtschaftlicher zu arbeiten. "Ich behaupte, dass alle Verlage in Deutschland noch viel Potenzial haben, ihre Produktionsabläufe schlanker zu gestalten." Von dieser Sichtweise nahm er weitere Einsparmaßnahmen in den Redaktionen allerdings ausdrücklich aus. "Wir brauchen mehr denn je Qualitätsjournalismus."
Auch Hans Werner Kilz, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, analysierte, dass das Geschäftsmodell Zeitung weit reichenden Änderungen unterworfen ist. "Die Vertriebserlöse sind in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals höher als die Anzeigenerlöse." Auch die allgemein gültigen Praxis, die Auflagenzahlen hoch zu setzen, indem man Fluggesellschaften und anderen Freiexemplare zur Verfügung stellt, stehe zur Disposition. "Bord- oder Hotelexemplare sind teuer, das kostet letztendlich nur Geld. Abo und Einzelverkauf dagegen steigen noch bei der Süddeutschen." Trotz aller aktuellen Schwierigkeiten hat Kilz seinen Optimismus für die Branche aber nicht verloren. "Sterbende Regionalzeitungen hat es in Deutschland immer gegeben. Und die Vielfalt wird auch in Zukunft weiter zurückgehen. Aber Journalismus bleibt in jedem Fall ein Geschäftsmodell - ob auf Papier oder nicht."
Markus Peichl, Leiter der einflussreichen LeadAcademy, die jährlich die innovativsten Objekte aus Print und Online prämiert, äußerte scharfe Kritik an der Medienbranche. Wichtige Entwicklungen seien lange ignoriert worden. "Wenn man schon vor sechs oder sieben Jahren eingegriffen hätte, dann wäre die Branche jetzt besser gegen die Krise gewappnet", konstatierte Peichl. Einer seiner Hauptkritikpunkte ist die Fixierung der Medienmanager auf reine Auflagen- und Klickzahlen. "Ich bin der Meinung, dass ein grundlegend neues Verhältnis zwischen Verlag und Anzeigenkunde notwendig ist. Wir brauchen ein neues Instrumentarium und neue Bewertungskriterien, vielleicht eher so etwas wie den 'emotional value' einer Zeitschrift." Insgesamt aber räumte Medienexperte Peichl ein, dass bisher keine konkreten Konzepte für eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft der Medienbranche vorlägen. "Wir müssen die Quadratur des Preises hinkriegen, um diese Branche zu retten: Mit weniger Geld mehr Qualität zu produzieren. Ich sehe heute noch keine Antworten darauf."
Abseits vom Tagesgeschehen nahm Wolfgang Blau die Situation der Branche unter die Lupe. Letztendlich, so der Chefredakteur von ZEIT ONLINE und tagesspiegel.de, sei das Modell der gedruckten Tageszeitung veraltet. "Das Konzept der Zeitung stammt aus dem Industriezeitalter. Ein gemeinsames Produkt für alle - egal ob jung oder alt. Das Internet dagegen gibt uns unglaubliche Möglichkeiten der Ausdifferenzierung." Für einen grundlegenden Wandel der Medien hin zu einer erfolgreichen Zukunft sei vor allem ein Bewusstseinswechsel bei den Redakteuren notwendig. "Einer der wichtigsten Schritte für Journalisten ist es, das eigene Rollenverständnis in Frage zu stellen. Viel mehr Moderator sein, mit dem Leser auf Augenhöhe diskutieren. Ich glaube wir haben heute schon fast eine verlorene Generation." Blau interpretiert dann auch die Medienkrise als einen Reinigungsprozess für die Branche. "Vielleicht ist diese Krise sogar sinnvoll, weil sie einen notwendigen Prozess beschleunigt", argumentierte der Online-Journalist. Trotz alle Probleme blickt Blau voller Spannung auf die nächsten Jahre. "Es gibt keine bessere Zeit, Journalist zu werden als heute. Es gibt so viele fantastische neue Möglichkeiten."
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