Abschluss der Administrativuntersuchung und Stärkung der Unabhängigkeit
Bern (ots)
Die Administrativuntersuchung zur Klärung von Vorgängen rund um die Beschwerde einer Selbstregulierungsorganisation ist abgeschlossen. Bundesrat Kaspar Villiger folgt den Empfehlungen von Untersuchungsleiter Prof. Karl Spühler grösstenteils. Die im Beschwerdeentscheid festgestellte Verletzung der Ausstandspflicht wurde bestätigt, allerdings erfolgte sie auf Anweisung des Vorgesetzten und nicht eigenmächtig. Ob Anhaltspunkte für zusätzliche Unregelmässigkeiten (z.B. Austausch eines Aktenstückes im Beschwerdeverfahren) auch strafrechtlich relevant sind, hat die Bundesanwaltschaft zu klären. Die Akten wurden, wie im Schlussbericht empfohlen, der Bundesanwaltschaft überwiesen. Hingegen wird auf Disziplinaruntersuchungen verzichtet. Wichtigste organisatorische Massnahmen sind die (vom Bundesrat am Mittwoch bewilligte) Personalerhöhung bei der Kontrollstelle und die Schaffung einer unabhängigen Rekurskommission. Damit geht Villiger über die Empfehlungen Spühlers hinaus. Die Rekurskommission soll rasch verwirklicht werden und die klare Trennung von Kontrollstelle und Beschwerdeinstanz garantieren.
Ausgangslage
Am 5. Juli 2001 hat der Vorsteher des Eidg. Finanzdepartements (EFD), Bundesrat Kaspar Villiger, eine Administrativuntersuchung zur Klärung von Fragen rund um den Beschwerdeentscheid betreffend die SRO "Finanzfachleute" eingeleitet und alt-Bundesrichter Prof. Karl Spühler, Ordinarius für Zivilprozessrecht an der Universität Zürich, mit der Durchführung betraut. Auslöser war unter anderem das Bekanntwerden neuer, im Beschwerdeverfahren nicht auf den Tisch gelegter Tatsachen (insbesondere, dass die Ausstandspflichtsverletzung auf Anweisung erfolgte). Ziel war die Ausleuchtung der Situation und die Prüfung allfälliger Dienstpflicht- und Rechtsverletzungen.
Rechtliches Gehör im AU-Verfahren
Die Administrativuntersuchung (AU) wurde gemäss den geltenden Richtlinien des Bundesrates durchgeführt. Danach haben die befragten Personen die Stellung von Auskunftspersonen. Als solche erhielten sie auf Verlangen Einsicht in die Befragungsprotokolle. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wurde somit gewahrt. Im Einklang mit den erwähnten Richtlinien wurde der Schlussbericht den von den Empfehlungen des Untersuchungsorgans betroffenen Personen erst zur Stellungnahme abgegeben, nachdem der Bericht dem Auftraggeber abgeliefert worden war und dieser über allfällige Massnahmen entschieden hatte. Diese Stellungnahmen können im Hinblick auf allfällige Folgeverfahren erfolgen, in denen die Betroffenen dann nicht mehr Auskunftspersonen sind, sondern eigentliche Parteistellung innehaben.
Ergebnisse und Empfehlungen des Untersuchungsbeauftragten
Die Ergebnisse der Administrativuntersuchung liegen vor. Sie bestätigen sowohl die im Beschwerdeentscheid beanstandete Verletzung der Ausstandspflicht als auch die Tatsache, dass der damalige Chef der Kontrollstelle nicht von sich aus, sondern auf Anweisung seines Vorgesetzten, des damaligen Direktors der Eidg. Finanzverwaltung (EFV), gehandelt hatte. Ferner wurden weitere Unregelmässigkeiten im Beschwerdeverfahren festgestellt. Namentlich ergab die Untersuchung, dass die Stellungnahme des damaligen EFV-Direktors auf Veranlassung des Rechtsdienstes nachträglich abgeändert (Entfernung bzw. Auswechslung eines Dokuments) und ein weiteres Aktenstück kurzfristig aus dem Dossier entfernt wurde.
Der Untersuchungsbeauftragte empfiehlt folgende Massnahmen:
Organisatorische Massnahmen:
- Personelle Verstärkung der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (KST) zwecks Sicherstellung der Funktionsfähigkeit im Ausstandsfall
- EDV-Sicherungsmassnahmen zwecks Vermeidung unzulässiger Textbearbeitung durch im Ausstand befindliche Personen
- Interne Instruktion betreffend Ausstandspflichten, Aktenübergabe an Externe und Aktenbewirtschaftung
- Ueberprüfung der Organisation des Rechtsdienstes EFD/EFV Disziplinaruntersuchung gegen
- den ehemaligen Leiter der Kontrollstelle
- die Chefin des Rechtsdienstes und eine weitere Person aus dem Rechtsdienst, deren Namen mangels öffentlichen Interesses nicht genannt wird
Auf Grund von hinreichenden Anhaltspunkten für strafrechtlich relevante Tatbestände, Ueberweisung der Akten der Administrativuntersuchung an die Bundesanwaltschaft zum Entscheid über die Einleitung einer Strafuntersuchung gegen
- den damaligen EFV-Direktor
- die Chefin des Rechtsdienstes und die erwähnte weitere Person aus dem Rechtsdienst
Festzuhalten ist hier, dass die Unschuldsvermutung gilt.
Eine Ausdehnung der Administrativuntersuchung auf andere während der Untersuchung geäusserte Vorwürfe wird nicht beantragt, hingegen deren Klärung.
Die Empfehlungen hinsichtlich der Einleitung einer Strafuntersuchung basieren auf einem Zusatzbericht, den der Untersuchungsbeauftragte bei Christian Schwarzenegger, Assistenzprofessor u.a. für Strafrecht an der Universität Zürich, eingeholt hat. Nach einer summarischen Beurteilung kommt der Gutachter zum Schluss, dass genügend Anhaltspunkte für das Vorhandensein strafrechtlich relevanter Tatbestände vorliegen, so dass ein Abklärung durch die zuständigen Behörden angezeigt erscheint.
Unschuldsvermutung im AU-Verfahren
Administrativuntersuchungen (AU) richten sich nicht gegen Personen und nehmen keine Entscheide vorweg, sondern klären Sachverhalte. Die befragten Personen haben in diesem Verfahren die Stellung von Auskunftspersonen. Zum Schutz von deren verfassungsmässig garantierten Rechten, muss das Untersuchungsorgan beim Vorliegen von hinreichenden Anhaltspunkten für eine Rechtsverletzung umgehend die Einleitung des entsprechenden Verfahrens beantragen, in welchen die betroffenen Personen dann Parteistellung innehaben. Erst diese individuellen Verfahren führen zu rechtsverbindlichen Entscheiden über die allfällige Rechtsverletzungen. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.
Würdigung der Gesamtumstände des Chefs EFD
Die AU fokussiert auf bestimmte Vorgänge innerhalb einer bestimmten Situation. Bei der Würdigung der empfohlenen Massnahmen sind weitere Aspekte einzubeziehen. Insbesondere die Gesamtleistung der Betroffenen, allfällige neue Erkenntnisse und die Kooperation im AU-Verfahren selbst. So sind die grossen Verdienste und der jahrelange Einsatz des ehemaligen EFV-Direktors gebührend in Rechnung zu stellen. Dies gilt auch für die Chefin des Rechtsdienstes, für den ehemaligen Kontrollstellenleiter sowie für die andere betroffene Person aus dem Rechtsdienst. Andererseits ist das Verschweigen wesentlicher Umstände und die mögliche Veränderung von schriftlichen Aussagen in einem Verfahren, das letztlich bis vor Bundesgericht gezogen wurde, geeignet, dem Vertrauen der Oeffentlichkeit in behördliches Handeln zu schaden. Dies darf nicht akzeptiert werden.
Beim ehemaligen KST-Leiter muss das Bild in Bezug auf die Ausstandspflichtverletzung insofern korrigiert werden, als heute feststeht, dass er auf Anweisung seines Vorgesetzten und nicht eigenmächtig gehandelt hat. Bei ihm liegen keine Sachverhalte vor, die eine Strafuntersuchung rechtfertigen.
Massnahmen des Chefs EFD
Disziplinarische Massnahmen sind nur bei Personen möglich, die in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehen. Sie haben zum Ziel, eine korrekte Verwaltungsführung zu sichern und künftiges Fehlverhalten zu verhindern.
- In Anbetracht dessen wurde deshalb vorliegend auf die Einleitung von Disziplinarverfahren verzichtet. Sei es, weil mit der Durchführung der AU und den übrigen daraus abgeleiteten Massnahmen das Ziel einer allfälligen Disziplinarmassnahme bereits erreicht ist, oder sei es, weil gar kein Dienstverhältnis mehr besteht. Die beiden Angehörigen des Rechtsdienstes wurden formlos gerügt.
Die Einleitung der empfohlenen Strafuntersuchungen ist bei Offizialdelikten auch dann unumgänglich, wenn nur Anhaltspunkte vorliegen. Erst ein Strafverfahren, in welchem die genauen Umstände untersucht werden, kann Klarheit darüber schaffen, ob eine Strafbarkeit überhaupt vorliegt.
- Das EFD wird die Akten der Administrativuntersuchung der Bundesanwaltschaft überweisen. Diese wird dann über die Eröffnung von Strafverfahren entscheiden.
Die organisatorischen Massnahmen werden rasch umgesetzt und sind durchwegs bereits eingeleitet.
Bezüglich Ueberprüfung der Doppelunterstellung des Rechtsdienstes geht der Chef EFD über die Anträge des Untersuchungsbeauftragten hinaus uns strebt für Beschwerden und Rekurse gegen Entscheide der KST die Schaffung einer unabhängigen Rekurskommission an. Die dafür notwendige Rechtsgrundlage soll noch dieses Jahr erarbeitet werden, damit die Rekurskommission ihre Tätigkeit bereits 2002 aufnehmen kann.
- Mittelfristig wird im Rahmen der Neuregelung der Finanzmarktaufsicht auch der Einbezug der KST in die neu zu schaffende Aufsichtsbehörde geplant.
- Zudem hat der Bundesrat am letzten Mittwoch die Erhöhung des KST-Personalbestands um stufenweise bis zu 15 Stellen genehmigt.
Von einer Ausdehnung der Administrativuntersuchung wird antragsgemäss abgesehen. Die offenen Fragen wurden jedoch geklärt. Die Abläufe waren korrekt.
Ueber die im Zusammenhang mit der AU getroffenen Massnahmen hinaus wurde die Leitung der KST personell neu besetzt und eine Geschäftsleitungsstruktur geschaffen. Damit sind weitere Voraussetzungen für die reibungslose Erfüllung des Gesetzesauftrags geschaffen.
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