Für eine zweite Röhre am Gotthard braucht es eine gesetzliche Anpassung
Altdorf (ots)
Eine zweite Strassenröhre stellt auch ohne Kapazitätserweiterung eine "verfassungsrechtlich unzulässige Vorentscheidung für eine mehrspurige Durchfahrung des Gotthards dar". Dies hält der St. Galler Professor Philippe Mastronardi in einem Rechtsgutachten fest.
Verschiedene Vorstösse fordern im Zusammenhang mit der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels den vorgängigen Bau einer zweiten Röhre. Sie unterstellen, dass dies ohne Rechtsanpassungen möglich sei, wenn nach der Sanierung nur je eine Spur der beiden Röhren befahren wird. Von der gleichen Annahme geht die Urner Regierung aus, wenn sie eine "Ersatzröhre" und den (vorläufigen) Verzicht auf eine Sanierung der bestehenden Röhre vorschlägt. Professor Philippe Mastronardi, Ordinarius für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, hat im Auftrag der Alpen-Initiative die Sache geprüft. Er kommt in seinem Gutachten (siehe www.alpeninitiative.ch) zu folgenden Schlüssen:
1. Die Variante einer "zweiten Röhre ohne Kapazitätserweiterung" ist ein zurzeit des Erlasses des Strassentransitverkehrsgesetzes (STVG) nicht erwogenes Konstrukt, das keiner der gesetzlich vorgesehenen Falltypen entspricht. Sie kann durch die Auslegung des STVG nicht legitimiert werden. 2. Die Variante würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Umgehung des Verbots einer Erhöhung der Transitstrassen-Kapazität nach Artikel 84 BV bewirken. Sie stellt damit eine verfassungsrechtlich unzulässige Vorentscheidung für eine mehrspurige Durchfahrung des Gotthards dar. 3. Wenn diese Variante verfassungskonform verwirklicht werden soll, muss sie im Voraus gesetzlich geregelt werden. Eine Uminterpretation des STVG verletzt die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und das Verfassungsziel. 4. Das STVG muss durch Regeln ergänzt werden, die eine spätere Nutzung von mehr als zwei Spuren verhindern.
Auch bei der Idee einer "Ersatzröhre" kommt Professor Mastronardi zum Schluss, dass sie sich "nicht als Inhalt des Gesetzes nachweisen" lässt. Sie würde ebenfalls eine STVG-Ergänzung erfordern.
Für den Bau einer zweiten Strassenröhre sind rechtliche Anpassungen und/oder eine Änderung der Verfassung zwingend. Die Alpen-Initiative unterstützt den bundesrätlichen Vorschlag, während der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels ein Ersatzangebot auf der Schiene bereitzustellen. Sie fordert aber, die Arbeiten nur in den verkehrsarmen Wintermonaten auszuführen, um Umwegverkehr und volkswirtschaftliche Schäden in Uri und im Tessin zu vermeiden.
Kontakt:
Prof. Philippe Mastronardi, 071 224 2334
Alf Arnold, Geschäftsführer Alpen-Initiative, 079 711 5713
Fabio Pedrina, Präsident Alpen-Initiative, 079 249 2942