Sperrfrist bis 10.00 Uhr - economiesuisse erwartet keinen raschen Aufschwung
Konjunktureller Ausblick 2009 und 2010
Zürich (ots)
Die Schweizer Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession. Besonders markant ist der Einbruch bei den Exporten von über 13 Prozent in den ersten vier Monaten 2009. Demgegenüber entwickelten sich die Binnenwirtschaft und der private Konsum bisher noch relativ stabil. Während sich im Exportsektor im zweiten Halbjahr 2009 eine Stabilisierung auf tiefem Niveau abzeichnet, wird die Wirtschaftskrise 2010 auch die Binnenwirtschaft und den privaten Konsum erfassen. Für 2009 erwartet economiesuisse ein Wirtschaftswachstum von minus 2,9 Prozent, für 2010 ein solches von minus 0,8 Prozent bei jeweils relativ stabilen Preisen. Die Arbeitslosenquote dürfte 2009 durchschnittlich 4,0 Prozent, 2010 5,3 Prozent betragen.
Aktuelle Lage Die Schweizer Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Der harte Abschwung der Weltwirtschaft stellt die hiesige Exportwirtschaft vor erhebliche Probleme. In den ersten vier Monaten 2009 sanken die Exporte nominal um 13.3 Prozent. Auch die Importe reduzierten sich um 14,4 Prozent stark. Dieser massive Einbruch hat sich im April etwas abgeschwächt. Trotzdem bleibt die Entwicklung der Exportwirtschaft ernst. Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent können ohne drastische und rasche Korrekturen auf der Kostenseite innert weniger Monate zu Liquiditäts- oder gar Solvenzproblemen führen.
Vielen Unternehmen der Exportwirtschaft kommt zugute, dass sie sich in den letzten Jahren nicht zu einer risikoreichen Aufstockung der Fremdfinanzierung verleiten liessen. Im Durchschnitt sind diese Unternehmen solide finanziert. Auch KMU weisen dabei einen tiefen Anteil von Fremdkapital auf. Trotzdem werden aufgrund des drastischen Nachfrageeinbruchs auf den Weltmärkten massive Kostensenkungen notwendig.
Während in der ersten Abschwungsphase für viele Betriebe die Einführung von Kurzarbeit nötig wurde, werden sich mit der Verlängerung der Rezession etliche Unternehmen auf eine permanente Nachfrageschwäche einstellen und dementsprechend Personal abbauen müssen. Viele Unternehmer gehen davon aus, dass ein Teil des Nachfrageeinbruchs permanenter Natur sein wird und nur durch Strukturanpassungen aufgefangen werden kann.
Vor allem in der Autozulieferindustrie, in Teilen der Spezialitätenchemie, in der Textil- und teilweise in der Maschinenindustrie wird ein Abbau von Überkapazitäten notwendig sein. In der Finanzindustrie sind erforderliche Strukturanpassungen zum Teil bereits eingeleitet worden. Dennoch sind auch hier noch Überkapazitäten vorhanden, die in den nächsten Monaten weiter abgebaut werden. Die Binnenwirtschaft ist noch nicht stark von den Auswirkungen der Finanzmarktkrise erfasst worden. Der Privatkonsum erweist sich als Stütze der Konjunktur. Auch die Auftragslage in der Bauwirtschaft ist nach wie vor gut.
Ein zentraler Baustein der wirtschaftlichen Erholung fusst im US-amerikanischen Immobilienmarkt. Obwohl die Häuserpreise immer noch fallen, mehren sich doch die Anzeichen einer Bodenbildung. Damit werden die Wertpapiere, die direkt oder indirekt mit dem Immobilienmarkt in den USA verknüpft sind, wieder bewertbar, und die Höhe der notwendigen Abschreibungen wird ersichtlich. Zusammen mit den Kapitalaufnahmen und Rückzahlungen der Staatshilfen von US-Banken stabilisiert dies das Epizentrum der Krise, die in der Folge des Zusammenbruchs von Lehman Brothers das weltweite Bankensystem erfasst hatte. Die Lage auf den Finanzmärkten hat sich denn auch in den letzten Monaten deutlich stabilisiert. Trotzdem bleibt das Finanzsystem auch in nächster Zeit verwundbar.
Ausblick economiesuisse geht davon aus, dass sich die Schweizer Exportwirtschaft langsam der Talsohle nähert. Diese Entwicklung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Ende der Rezession: Der Bodenbildung auf den Exportmärkten folgt kein rascher Wideraufschwung auf das bisherige Exportniveau. Im Gegenteil ist mit einer längeren Stagnationsphase zu rechnen. Im Durchschnitt erwartet economiesuisse eine Bodenbildung bei den Exporten gegen Ende dieses Jahres.
In vielen Ländern werden die nötigen Strukturanpassungen Zeit benötigen und Ressourcen binden, bevor ein nachhaltiger Wiederaufschwung eintreten kann. Darüber hinaus limitieren die steigenden Sparquoten besonders in den USA oder in Grossbritannien das Wachstum nach oben. Einer der wenigen Lichtblicke für die Schweizer Exporte stellen derzeit die aufstrebenden Märkte (u.a. China und Indien) dar, wo die Nachfrage nach hiesigen Qualitätsprodukten weiterhin ansteigt.
Nebst dem Warenexport ist auch der Tourismus stark von den internationalen Entwicklungen betroffen, und die Dienstleistungsexporte werden in diesem und nächsten Jahr stark sinken. Der Wirtschaftseinbruch in wichtigen Gästeherkunftsländern wie Deutschland, Grossbritannien oder den USA wird einen direkten Einfluss auf die Zahl und Länge der Aufenthalte in der Schweiz haben. Auch der Geschäftstourismus leidet darunter. Durch die bevorstehende Abschwächung der Binnenwirtschaft kann dieser Rückgang nicht durch einen höheren Binnentourismus aufgefangen werden.
Im Gegensatz zur Exportwirtschaft befindet sich die Binnenwirtschaft erst am Anfang einer Rezession. Mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und dem Rückgang der Wertschöpfung in wichtigen Branchen wie der Finanz- und Exportwirtschaft wird der private Konsum zunächst stagnieren und gegen Ende des Jahres sinken. Während der private Konsum im Jahr 2009 im Durchschnitt noch geringfügig wächst, erwartet die Wirtschaft für 2010 einen Rückgang. Parallel zur Abkühlung des Konsums wird auch die Auftragslage in der Bauwirtschaft sinken. Gesamthaft erwartet economiesuisse für 2009 einen Rückgang des realen Bruttoinlandproduktes um 2,9 Prozent. Für 2010 ist von einer Wirtschaftsentwicklung von minus 0,8 Prozent auszugehen.
Die schwierige wirtschaftliche Lage wird zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote führen. Für 2009 rechnet economiesuisse mit einer durchschnittlichen Quote von 4,0 Prozent. Im nächsten Jahr wird sich durch die Rezession im Binnenmarkt eine weitere Verschlechterung auf 5,3 Prozent ergeben. Die wirtschaftliche Unterauslastung sorgt für tiefe Kerninflationsraten. Aufgrund der im ersten Semester 2009 im Vergleich zum Vorjahr deutlich tieferen Erdölpreisnotierungen kommt es in diesem Jahr sogar zu einer negativen Teuerungsrate. Für nächstes Jahr wird eine Inflationsrate leicht über dem Nullpunkt erwartet.
Prognosen Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Veränderung gegenüber Vorjahr (%) 2006 2007 2008 2009 2010 Bruttoinlandprodukt, real 3.4 3.3 1.6 -2.9 -0.8 Privater Konsum 1.6 2.1 1.8 0.3 -0.8 Öffentlicher Konsum -0.9 -1.1 0.2 1.0 0.2 Bauinvestitionen -1.4 -1.5 -0.4 -1.0 -2.0 Ausrüstungsinvestitionen 10.0 10.9 -2.4 -9.0 -5.0 Exporte (Total) 9.9 9.4 2.2 -10.6 1.3 Importe (Total) 6.5 5.9 -0.5 -9.0 0.5
Veränderung gegenüber dem Vorjahr (%), Jahresdurchschnitt Inflationsrate 1.1 0.7 2.4 -0.6 0.4 Arbeitslosenquote 3.3 2.8 2.6 4.0 5.3
Für Medienschaffende: Zum konjunkturellen Ausblick findet am Montag, 15. Juni um 10.00 Uhr eine Telefonkonferenz mit Rudolf Minsch, Chefökonom von economiesuisse statt. Zur Teilnahme verwenden Sie bitte folgende Zugangsdaten:
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