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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

Nationalfonds: Transplantationen müssen ethisch und gesellschaftlich abgestützt sein

Riehen (ots)

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 46
"Implantate und Transplantate" spielen Fragestellungen aus der
Sozial- und Rechtswissenschaft, der Philosophie und der Theologie
eine wichtige Rolle. Statt nur die medizinische Machbarkeit einer
neuen Methode zu untersuchen, wurde im NFP 46 der Versuch
unternommen, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten
der Transplantationsmedizin interdisziplinär zu bearbeiten. Auf einer
Tagung in Bern wurden die Ergebnisse präsentiert.
Nicht alles, was medizinisch möglich ist, ist moralisch vertretbar
und vieles, was medizinisch notwendig ist, ist nur unter Einhaltung
bestimmter  ethischer Normen in der Praxis umzusetzen. Das ist das
wichtigste Ergebnis einer Vielzahl von Forschungsprojekten, die im
Rahmen des NFP 46 "Implantate, Transplantate" in den letzten Jahren
durchgeführt wurden. An ihnen haben sich in einem für die Schweiz
einzigartigen Forschungsansatz Geistes- und Naturwissenschafter
gemeinsam beteiligt. Durch diesen interdisziplinären Ansatz konnten
sowohl die Mediziner als auch die Geisteswissenschafter profitieren.
Bei den im Rahmen des NFP 46 durchgeführten
geisteswissenschaftlichen Forschungsprojekten standen zum Beispiel
Fragen der ethischen Vertretbarkeit der Stammzellentherapie, der
Verteilgerechtigkeit von Spenderorganen und das Konzept des Hirntods
im Mittelpunkt des Interesses der Wissenschafter.
Stammzellenforschung als ethisches Problem
Die Stammzellenforschung steht in einem besonderen Spannungsfeld
von Medizin und Gesellschaft. Während der medizinische Nutzen
unbestritten ist, sind einige ethische Fragen strittig. Insbesondere
an der Vertretbarkeit der Verwendung embryonaler Stammzellen scheiden
sich die Geister. Andrea Arz-de Falco von der Universität Freiburg
hat sich intensiv mit der Stammzellenforschung aus ethischer Sicht
beschäftigt. Ein Problem könnte zum Beispiel auftauchen, wenn die
Stammzellen von einem Gesunden gespendet werden, wie dies zum
Beispiel bei der Knochenmarkspende bei Leukämie der Fall ist. Hierbei
ist es wichtig, dass auf den Spender kein Druck ausgeübt wird, meint
Arz-de Falco. Gegen die Verwendung embryonaler Stammzellen, die aus
dem Gewebe abgetriebener Embryonen stammen, gibt es aus ihrer Sicht
keine ethischen Einwände, wenn die Entscheidung zur Abtreibung nicht
im Zusammenhang mit der Spende der embryonalen Stammzellen steht.
Wichtig ist auch die Haltung der Gesellschaft zur
Stammzellforschung. Kurt Seelmann von der Universität Basel hat sich
mit der Akzeptanz der Stammzellenforschung  in verschiedenen
Bevölkerungsgruppen der Schweiz beschäftigt. Dabei interessierte ihn
besonders die Beurteilung des Projektes einer Stammzellenbank, in der
die Stammzellen aus Nabelschnurblut eingelagert werden, das nach der
Entbindung aus dem abgetrennten Teil der Nabelschnur gewonnen wird.
Über neunzig Prozent der Befragten sahen keine Probleme bei dieser
Gewinnung von Stammzellen. Anders war die Beurteilung der Gewinnung
embryonaler Stammzellen aus abgetrieben Embryonen:  Hier waren die
Befragten skeptischer. Noch mehr, nämlich neunzig Prozent waren klar
dagegen, Embryonen zu zeugen, um ihnen später Stammzellen entnehmen
zu können.
Die Verteilung von Organen muss gerecht sein
Eine zentrale Rolle in der Transplantationsmedizin spielt die
Verteilungsgerechtigkeit von Spenderorganen. Wer verteilt Organe wie,
ist die Frage, mit der sich Alberto Bondolfi von der Universität
Lausanne und Ulrike Kostka von der Universität Basel beschäftigten.
In der Schweiz kümmert sich eine nationale Zentrale um die Verteilung
der Organe. Dieses Zuteilungsverfahren ist zwar pragmatisch, ethisch
aber nur unzureichend begründet. Auch das Transplantationsgesetz ist
fragwürdig, weil es ein ethisch nicht begründbares Verteilverfahren
geschaffen  hat, meint Kostka.
Regionale Unterschiede sind ungerecht
Es darf nicht sein, dass Menschen, die in bestimmten Regionen
anderen gegenüber benachteiligt sind. Nach Untersuchungen von Alberto
Bondolfi ist die nationale Verteilungsgerechtigkeit von ebenso
grosser Bedeutung wie die persönliche Gerechtigkeit, die auf
Kriterien beruht, wie die Zeit auf der Warteliste oder die
Dringlichkeit eines neuen Organs. Entscheidend ist aber für die
Zukunft der Transplantationsmedizin in der Schweiz, dass die Anzahl
der Spenderorgane nicht weiter zurückgeht, sondern gesteigert werden
kann. Peter Schulz von der Universität von Lugano untersuchte die
Frage, welche Faktoren es sind, die die Tessiner Bevölkerung zu einer
ausserordentlich positiven Einstellung zur Organspende bewegen und ob
sich dieses Modell auch auf die Deutschschweiz und die Romandie
übertragen lässt. Nach seinen Untersuchungen haben etwa 13 Prozent
der Deutschweizer und 23 Prozent der Romands eine positive
Einstellung zur Organspende, unentschieden ist etwa die Hälfte. Um in
diesen Gebieten der Schweiz die Bereitschaft zur Organspende zu
erhöhen, brauche es auf die jeweilige Situation angepasste
Massnahmen, meinte Schulz.
Diskussion um den Hirntod
Durch die Möglichkeiten der modernen Medizin ist es notwendig
geworden, sich intensiver mit der Definition des Todes zu
beschäftigen. Heute kann der Kreislauf von Menschen durch Maschinen 
am Laufen gehalten werden, obwohl deren Gehirn längst seine Funktion
verloren hat. Wann ist ein Mensch tot und wann können seine Organe
entnommen werden, sind deshalb wichtige Fragen. In den letzten
Jahrzehnten haben sich die Antworten gewandelt, wie Ulrich Tröhler
von der Universität Basel in seinem Forschungsprojekt herausgefunden
hat. Statt Herzstillstand und keine Atmung als sichere Todeszeichen
anzunehmen, ist in den sechziger Jahren der Begriff des Hirntods
aufgekommen. Nach der Auffassung der Schweizer Akademie der
Medizinischen Wissenschaften ist ein "vollständiger Ausfall aller
Funktionen des Gehirns, einschliesslich des Hirnstamms, [...das...]
derzeit bestes Kriterium für den Eintritt des Todes". In seinen
Untersuchungen konnte Tröhler belegen, dass es diese scheinbar
einfache Definition in sich hat: Je nach dem kulturellen Umfeld sind
die Fragestellungen und Antworten zum Thema Hirntod unterschiedlich.
Dass sich die Einstellung vor dem Hintergrund der herrschenden
gesellschaftlichen Verhältnisse stark jeweils stark ändern kann, ist
für die Praxis der Transplantationsmedizin wichtig: Weil der Hirntod
als Begriff im Transplantationsgesetz auftaucht, ist es notwendig
seine Bedeutung von Zeit zu Zeit zu überprüfen.

Kontakt:

Dr. M.E Hauck
Umsetzungsbeauftragter NFP „Implantate und Transplantate"
Rainallee 37
4125 Riehen
Tel.: +41/61/603'91'08
Fax: +41/61/603'91'09
E-Mail: implementation@nfp46.ch

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