Energiestrategie 2050: Fehlstart
Bern (ots)
Falsches Zahlenmaterial sollte den Plänen zur Energiewende die Brisanz nehmen, und von einer "rollenden Planung" scheint man im federführenden Bundesamt für Umwelt (UVEK) noch nichts gehört zu haben. Zudem blendet der UVEK-Vorschlag das Prinzip "ohne Ökonomie keine Ökologie" vollständig aus. auto-schweiz, die Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure, ist von den Plänen aus dem Departement Leuthard enttäuscht.
Es ist sehr befremdlich und schärfstens zu verurteilen, dass bei der Präsentation eines so wichtigen Projekts wie der "Energiestrategie 2050" offensichtlich mit falschen Zahlen operiert wurde, wie das eine Sendung von Radio DRS ans Licht gebracht hat. Durch diesen Fehler (oder war es eine bewusste Manipulation?) verlor das bundesrätliche Papier viel von der ihm innewohnenden Brisanz. Insbesondere wurde bei der Präsentation durch Bundesrätin Doris Leuthard der Anschein erweckt, die angestrebte Energiewende könne praktisch "ohne nennenswerte wirtschaftliche Einbussen" realisiert werden. Die Vermutung, man habe absichtlich mit falschen Zahlen operiert, um dem Projekt einen guten Start zu ermöglichen, muss immerhin in Betracht gezogen werden. Fakt ist, dass die Energiestrategie dadurch wenig kritisch, um nicht zu sagen sogar mit Wohlwollen aufgenommen wurde; ein falsches Bild, das leider nur schwer zu korrigieren ist. Angesichts der Tragweite des Projekts ist der (bewusst oder unbewusst) gemachte Fehler unentschuldbar.
auto-schweiz legt grossen Wert auf die Feststellung, dass die Automobilbranche im Prinzip sämtliche Massnahmen befürwortet, welche der Effizienzsteigerung dienen und generell zu einem geringeren Verbrauch an fossilen Energieträgern führen. Dies jedoch immer nur unter der zwingenden Voraussetzung, dass jeweils neben dem ökologischen Aspekt auch der ökonomischen Seite gebührend Rechnung getragen wird. Nach Ansicht von auto-schweiz ist es unabdingbar, dass der Bundesrat nicht nur einseitig die CO2-Reduktion im Auge hat, sondern gleichzeitig auch alle wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt. So gilt es namentlich, allfällige Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz zu prüfen. Bei allen Würdigungen der Chancen einer Energiewende dürfen die damit zusammenhängenden Risiken nicht ausgeblendet werden. Ohne funktionierende Ökonomie gibt es keine Ökologie; im vorliegenden Strategiepapier ist davon nichts zu spüren.
Im Hinblick auf die gigantischen Dimensionen des Projekts und die praktisch jeden Bereich unseres Lebens betreffenden Auswirkungen stellt auto-schweiz zudem die Forderung auf, dass fundamentale Entscheidungen in Bezug auf die Energiestrategie zwingend vors Volk gebracht werden müssen.
Schliesslich: Der ungewöhnlich lange Planungshorizont macht häufige, in vorher definierten Zeitabständen durchgeführte Standortbestimmungen mit Überprüfung des eingeschlagenen Weges (rollende Planung) unumgänglich; alles andere wäre unseriös. Obwohl auf vier Dekaden hinaus geplant wurde, finden sich in der vorliegenden Energiestrategie keinerlei Hinweise auf - mit Sicherheit zu erwartende - Fortschritte punkto Wissen und Technologien. Glaubt der Bundesrat wirklich, 2050 würde man mit demselben Knowhow operieren wie heute? Man stelle sich bloss vor, in den 50er-Jahren hätte jemand Prognosen in Sachen Informationstechnologie gewagt; ob seine Phantasie bis zum mittlerweile hoffnungslos veralteten Faxgerät gereicht hätte, darf bezweifelt werden. Dieses Beispiel unterstreicht, wie wichtig das Instrument der erwähnten rollenden Planung ist.
Viel Brisanz steckt im Abschnitt mit dem harmlosen Titel "Effizienter Einsatz der Transportmittel" im Massnahmenpaket. Dort gibt es Hinweise auf mögliche drastische Eingriffe in das Mobilitätsverhalten ("Verkehrsträger sollen intensiver ihren Stärken entsprechend und vernetzt eingesetzt werden"). Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die freie Wahl der Verkehrsmittel in Frage gestellt wird. Hütet Euch am Morgarten: Auch wenn diese Massnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden soll, gilt es aufzupassen, dass mit der ersten Stellungnahme nicht ein Persilschein für derartige Pläne erteilt wird. Auch aus diesem Grunde drängt sich nach gegebener Zeit (aber jedenfalls nicht bereits 2014 wie geplant) ein zweites Vernehmlassungsverfahren auf.
Zur Hauptstossrichtung der zur Diskussion stehenden "Energiestrategie 2050", nämlich dem Ausstieg aus der Atomenergie, äussert sich auto-schweiz ausdrücklich nicht. Die Frage "Atomkraft Ja oder Nein?" muss nach Meinung der Automobilimporteure auch gar nicht bereits jetzt beantwortet werden. Denn wenn wirklich alles unternommen wird, um die Effizienz zu steigern und den Energieverbrauch zu senken, gewinnt man genügend Zeit, um den Entscheid in dieser Grundsatzfrage um etliche Jahre hinauszuschieben. Unter anderem hätte das den Vorteil, dass dannzumal diese wichtige Debatte - im Gegensatz zu heute - unideologisch und vorurteilsfrei geführt werden könnte.
Noch bis Ende Januar 2013 haben die interessierten Kreise Zeit, zur vom Bundesamt für Umwelt (UVEK) erarbeiteten "Energiestrategie 2050" Stellung zu nehmen. Die Vereinigung der Automobil-Importeure auto-schweiz ist in einer ersten Phase nur durch zwei Punkte technischer Art betroffen. Beim einen handelt es sich um die Verschärfung des CO2-Emissionszielwerts für Personenwagen auf 95g bis Ende 2020, beim anderen um die Einführung eines CO2-Emissionszielwerts für leichte Nutzfahrzeuge (175 g bis Ende 2017 bzw. 147g CO2/km bis Ende 2020). Bei beiden Vorhaben stellt sich auto-schweiz auf den Standpunkt, dass sich ein eidgenössischer Alleingang erübrigt, weil die EU diese Ziele ebenfalls verfolgt. Zudem fordert auto-schweiz explizit, dass die Bussenhöhe für zuviel ausgestossenes CO2 dem Euro-Franken-Wechselkurs angepasst wird.
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E-Mail: m.noetzli@auto-schweiz.ch
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