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Eidg.Materialprüf.- u. Forschungsanstalt

EMPA: Wie gefährlich ist ein Kleiderbrand? Informationen am 10. Wissenschaftsapéro der Empa-Akademie

Dübendorf (ots)

"Wenn der Rock brennt - wie viel hält die
Kleidung aus?" Zu dieser Frage referierten am jüngsten 
Wissenschaftsapéro an der Empa- Akademie Fachleute der 
Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu), der Eidg. 
Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) sowie des Bundesamtes 
für Gesundheit (BAG).
"Kleider machen Leute" heisst es schon bei Gottfried Keller. Weil 
das so ist, kleiden Mann und Frau sich gerne modisch und achten beim 
Kauf u.a. darauf, ob das gewählte Kleidungsstück farblich up-to-date 
ist, einen modischen Schnitt aufweist, das richtige Designer-Label 
trägt und ob der Stoff qualitativ gut ist. Wichtig ist auch die 
leichte Pflege, denn wer will schon alles in die Reinigung geben? 
Ein Punkt, der beim Kauf wenig bis gar nicht zählt, ist hingegen die 
Brandsicherheit eines Kleidungsstücks.
Kleider können gefährlich sein
Wer nicht gerade Feuerwehrbekleidung 
einkauft, interessiert sich in der Regel nicht für das 
Brandverhalten eines Textils. Gemäss Martin Hugi von der 
Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) sind Kleiderbrände zwar 
kein Schwerpunkt beim Unfallgeschehen, wenn jedoch etwas passiert, 
ist das sehr einschneidend für die Betroffenen. Durchschnittlich bis 
zu 400 Personen pro Jahr werden in der Schweiz bei Kleiderbränden so 
stark verletzt, dass sie ärztlich versorgt werden müssen. Bis zu 
fünf davon sterben an ihren Verletzungen. Ein Kleiderbrand ist 
schnell passiert: Beim Kochen gerät eine weite Bluse am Gasherd in 
Flammen, ein T-Shirt entzündet sich am heissen Grill, eine Kerze 
löst beim Bademantel aus Frottee einen so genannten "surface flash" 
aus, einen Oberflächenbrand. Auch wenn die Ursache dafür oft 
mangelnde Vorsicht, unsachgemässes Hantieren oder generell ein 
Fehlverhalten ist, muss doch bei der Sicherheit der Bekleidung 
angesetzt werden. Die bfu verlangt deswegen eine strikte Einhaltung 
und Umsetzung der in der Brennbarkeitsverordnung (BrbV) festgelegten 
Flammenausbreitungsgeschwindigkeit (FAG) von maximal 90 Millimeter 
pro Sekunde. Sie bemängelt zudem die fehlende Warendeklaration bei 
den Kleidern. Hersteller, Importeure und Händler müssten bei der 
Gebrauchssicherheit ihre Verantwortung stärker wahrnehmen, fordert 
Martin Hugi.
Gliederpuppe Henry geht für uns durchs Feuer
Die Resultate einer 
kürzlich abgeschlossenen Studie stellte René Rossi von der Empa vor. 
Darin waren die in der Brennbarkeitsverordnung gestellten 
Anforderungen an Textilien auf ihre Praxistauglichkeit untersucht 
worden. Eine kontroverse Frage war, ob leichte Materialien mit sehr 
schneller Flammenausbreitung überhaupt massgebliche Verbrennungen 
auf der Haut verursachen oder ob sie zu schnell abbrennen, um einen 
gefährlichen Hitzetransfer zu ermöglichen. Die Veränderungen der 
Brennbarkeit von Textilien durch den Gebrauch (Tragen, Waschen, 
Tumblern) oder die Einflüsse des Klimas wurden ebenfalls untersucht. 
Für die Untersuchungen an der Empa hielt die mit Temperatursensoren 
gespickte Gliederpuppe Henry seinen Kopf rsp. seine «Haut» hin. Die 
Ergebnisse zeigten klar, dass jeglicher Kontakt der Haut mit einer 
offenen Flamme Verbrennungen verursacht. Die Hypothese, dass sehr 
leichte Zellulosematerialien so schnell abbrennen, dass sie die Haut 
nicht verbrennen, wurde nicht bestätigt. Die FAG, die in der 
Brennbarkeitsverordnung festgelegt ist, scheint aber ein gutes 
Kriterium zu sein, um die Sicherheit von Bekleidungen aus 
Naturfasern zu eruieren. Dies bedeutet, dass leichte Materialien, 
die diesen Wert überschreiten, entweder vom Markt zurückgezogen oder 
flammhemmend ausgerüstet werden müssen. Bei den Messungen mit der 
Puppe zeigte sich jedoch, dass einige Mischungen mit relativ hohen 
Anteilen an Zellulosefasern, kombiniert mit schmelzenden 
Synthetikfasern, unter Umständen eine erhöhte Gefahr für den Träger 
oder die Trägerin darstellen. Bei diesen Materialien wäre die 
Berücksichtigung des Wärmetransfers notwendig, um das 
Gefahrenpotential zu ermitteln. Der Wärmetransfer wird in der BrbV 
nicht berücksichtigt.
Flammschutzmittel bergen Chancen und Risiken
Zu den 
Flammschutzmitteln und deren Einsatz referierte die Biologin Eva 
Reinhard vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). Sie zeigte, dass diese 
Chemikalien in den unterschiedlichsten Bereichen des täglichen 
Lebens Verwendung finden. So z.B. in elektrischen und elektronischen 
Geräten, Polstermöbeln, Anstrichstoffen und weit verbreitet auch in 
Textilien. Mehrere dieser Mittel sind toxikologisch nicht 
ausreichend geprüft und stehen in Verdacht, gesundheitsschädigende 
Langzeitwirkungen zu erzeugen. Die Aufnahme über die Haut oder die 
Lunge sowie über die Plazenta ins ungeborene Leben spielt dabei die 
entscheidende Rolle. Generell sollte eine Exposition gegenüber 
Giften vermieden werden. Bei Flammschutzmitteln allerdings sind 
Risikoabschätzungen vorzunehmen. Die Gefahr, im Fall von Feuer 
schwere gesundheitliche Schäden durch Verbrennungen zu erleiden, ist 
grösser als die mögliche schädigende Wirkung von Flammhemmern auf 
den Organismus. Grundsätzlich, so postulierte Eva Reinhard, soll die 
Summe aller Risiken jedoch so klein als möglich gehalten werden.
Heisse Diskussion entfacht
Anschliessend an die Referate ergab sich 
zwischen den ReferentInnen und dem Publikum eine heisse Diskussion. 
Während ein Vertreter der Textilindustrie befürchtet, dass bei der 
konsequenten Einhaltung der Brennbarkeitsverordnung zu viele 
Textilien nicht mehr in der Schweiz verkauft und auch nicht 
exportiert werden dürften, sieht ein Zuhörer schwarz für den Import 
von Ökotextilien aus Entwicklungsländern. Pointiert äusserte dazu 
bfu-Mann Hugi seine Meinung: Es dürfe doch nicht angehen, dass 
wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit von Personen gestellt 
würden. Er sei überzeugt, dass die Textilindustrie durch vermehrte 
Forschung und Entwicklung in der Lage sei, die 
Brennbarkeitsverordnung einzuhalten und gleichzeitig attraktive 
Textilien zu produzieren. - Eine Aufgabe, bei der die Empa gerne 
mithilft.
Redaktion: 		Rémy Nideröst, Tel. 01/823 45 98
Fachliche Auskunft: 	Dr. René Rossi, Empa, Tel. 071/274 77 65
			Martin Hugi, bfu, Tel. 031/390 22 22
			Eva Reinhard, BAG, 031/323 86 65
Ein Bild der Puppe Henry mit einem "surface flash" sowie ein Bild 
mit den 3 ReferentInnen ist erhältlich bei:  
remigius.nideroest@empa.ch

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