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TA-SWISS: «Massgeschneiderte Medikamente»: Chance und Mythos zugleich

Bern (ots)

Dank genetischer Kenntnisse erhält die
Arzneimittel-Entwicklung neue Impulse. Zudem versprechen künftige 
Genom-basierte Medikamente weniger Nebenwirkungen und höhere 
Wirksamkeit. Die neueste Studie des Zentrums für 
Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS untersucht die Chancen und 
Risiken der Pharmakogenomik und Pharmakogenetik. Ein besonderes 
Augenmerk erfordern nach Ansicht der Autoren die aufkommenden 
Biobanken. Die Gesetze zur Forschung am Menschen und zu genetischen 
Untersuchungen am Menschen ermöglichen der Politik, vorausschauend 
Leitplanken zu setzen für die sich abzeichnende Entwicklung in der 
Pharmaforschung. Inhaltliche Anstösse dazu liefert die TA-SWISS 
Studie.
Verschiedene Patientinnen und Patienten können unterschiedlich auf 
dasselbe Medikament reagieren: Bei vielen wirkt ein bestimmtes 
Heilmittel wie erwartet, bei einigen bleibt die Wirkung aus und bei 
wenigen können zum Teil schwere Nebenwirkungen auftreten. Solche 
Unterschiede können genetisch bedingt sein, da sich unser Erbgut von 
Person zu Person minimal unterscheidet. Die Pharmakogenetik befasst 
sich mit der verbesserten Sicherheit und Wirksamkeit von 
Arzneimitteln. Im Gegensatz dazu sucht die umfassendere 
Pharmakogenomik nach Strategien zur Verbesserung der Arzneimittel- 
Entwicklung.
«Massgeschneiderte Medikamente» – Erwartungen realistischer 
kommunizieren
Es ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Jahren durch den 
Einsatz pharmakogenetischer und pharmakogenomischer Methoden die 
Therapierbarkeit von häufigen und schweren Erkrankungen wie Krebs, 
Herzkreislauf-Erkrankungen oder Asthma deutlich verbessern wird. 
Allerdings sind die in Texten zur Pharmakogenetik und 
Pharmakogenomik oft verwendeten Metaphern wie «personalisierte 
Medizin», «massgeschneiderte Medikamente» und «persönliche Pillen» 
irreführend. Diese Metaphern wecken zu hohe Erwartungen und 
verdecken gar das eigentliche Potenzial, nämlich die Entwicklung 
neuer Medikamente, die gezielter und mit weniger Nebenwirkungen 
eingesetzt werden können. «Wir werden in Zukunft unsere Medikamente 
weiterhin ab Stange kaufen», betont Klaus-Peter Rippe, Projektleiter 
der TA-SWISS Studie. Allerdings gehe die Entwicklung in Richtung 
einer Aufsplitterung der Bevölkerung in verschiedene genetische 
Untergruppen, die dann jeweils das am besten geeignete Medikament 
erhalten könnten, so Rippe weiter.
Künftige Entwicklung von Medikamenten erfordert Biobanken
In den seltensten Fällen ist eine genetische Variante allein 
verantwortlich für die Entstehung einer Krankheit oder für den 
Erfolg einer Therapie mit Medikamenten. Die Funktionen der Gene und 
deren Rolle im Zusammenspiel mit Umweltfaktoren und Lebensstilen 
rücken zunehmend in den Mittelpunkt der genomischen Forschung. Um 
die komplexen Wechselwirkungen erforschen zu können, ist es 
erforderlich, grosse Mengen von genetischen und Lebenstil-Daten zu 
sammeln. Zu diesem Zweck werden so genannte Biobanken aufgebaut, die 
Tausende von Blut- und Gewebeproben enthalten. Diese werden zur 
Untersuchung genetischer Faktoren verwendet, was für Genom-basierte 
Therapien zentral ist. Die Autorinnen der TA-SWISS Studie sehen hier 
gesetzlichen Regelungsbedarf und empfehlen strenge 
datenschutzrechtliche Bestimmungen, möglichst dezentrale 
Organisationsformen und eine Pseudonymisierung der Proben. Im 
weiteren sollen die Begleitforschung über die ethischen, rechtlichen 
und sozialen Aspekte von Biobanken sowie die Datensicherheit im 
akademischen Bereich verstärkt werden.
Gefahr der Diskriminierung oft überschätzt
Anders als vielfach behauptet, verfügen Pharmakogenetik und 
Pharmakogenomik nicht über ein ausgeprägtes 
Diskriminierungspotenzial. Gewiss werden durch pharmakogenetische 
Ansätze Patientinnen und Patienten identifiziert, bei denen ein 
bestimmtes Medikament nicht wirken oder schwere Nebenwirkungen 
verursachen würde. Es ist jedoch falsch, daraus abzuleiten, diese 
Gruppen würden ungerechtfertigterweise ungleich behandelt. Mit Blick 
auf die Krankenversicherungen ist wichtig, zwischen obligatorischer 
Grundversicherung und Zusatzversicherung zu unterscheiden. 
Hinsichtlich der Grundversicherung, die gemäss dem 
Solidaritätsprinzip aufgebaut ist, können Diskriminierungen aufgrund 
pharmakogenetischer Informationen praktisch ausgeschlossen werden: 
Vorausgesetzt das Recht unabhängig von Gesundheitsrisiken in die 
Versicherung aufgenommen zu werden, bleibt in Zukunft bestehen. Und 
die obligatorische Grundversicherung wird bezüglich ihrer Leistungen 
nicht ausgehöhlt.
Vorausschauende gesetzliche Leitplanken gefragt
Das Aussagepotenzial pharmakogenetischer und pharmakogenomischer 
Tests ist nicht zum vornherein abschliessend erkennbar. Aus diesem 
Grund empfehlen die Autoren der TA-SWISS Studie für den Bereich der 
Pharmakogenetik im Gesetz keine verminderte Schutzwürdigkeit von 
genetischen Daten zuzulassen. Gerade der Umgang mit so genannten 
Überschussinformationen, d.h. Aussagen über die Veranlagung zu 
bestimmten Krankheiten, die gar nicht Gegenstand der Untersuchung 
waren, ist bis heute in der Schweiz nicht geregelt. Ebenso fehlen 
weitgehend Regeln im Umgang mit Biobanken. Die gesetzlichen 
Leitplanken könnten im kommenden Humanforschungsgesetz oder im 
Bundesgesetz über genetische Untersuchungen am Menschen festgelegt 
werden. Aufgrund der absehbaren Entwicklung der Pharmakogenomik 
sollte der Umgang mit Arzneimitteln für seltene Krankheiten mit 
kleinen Patientengruppen und entsprechend kleinen Märkten (so 
genannte «Orphan Drugs») in der Gesetzgebung wesentlich stärker als 
bisher berücksichtigt werden. Schliesslich empfiehlt die TA-SWISS 
Studie neben einer verstärkten Aus- und Weiterbildung der Ärztinnen 
und Ärzte auch einen breiteren öffentlichen Diskurs über die 
aufgeworfenen zentralen Fragen der Gesundheitspolitik.
Auskünfte erteilen:
Dr. Sergio Bellucci, Geschäftsführer TA-SWISS, Bern, Tel. 031 322 99 
66 oder Natel 079 312 93 73
Dr. Klaus Peter Rippe, Ethik im Diskurs GmbH, Zürich, Tel. 01 252 89 
22
Dr. Adrian Rüegsegger, Projektverantwortlicher TA-SWISS, Bern; Tel. 
031 324 14 58
Weiterführende Links:
TA-SWISS Studie: www.ta-swiss.ch/www-
remain/reports_archive/publications/2004/040517_Pharmakogenetik 
_und_Pharmakogenomik.pdf
TA-SWISS Kurzfassung: 
www.ta-swiss.ch/www-
remain/reports_archive/publications/2004/040517_Kurzf_Pharmakogen_dt.
pdf
Vorankündigung: 2. Juli 2004, 13.30 bis 17.00 Uhr, Hotel Hilton 
Basel, öffentliche Tagung zur TA-SWISS Studie «Pharmakogenetik und 
Pharmakogenomik»

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