Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Köhler: "Vorrang für Arbeit lässt sich mit Umweltschutz hervorragend verbinden"
Lübeck (ots)
Lübeck: Deutsche Bundesstiftung Umwelt verlieh heute zum 13. Mal ihren Deutschen Umweltpreis
Der mit 500.000 Euro höchst dotierte Umweltpreis Europas ist zum 13. Mal vergeben. Bundespräsident Horst Köhler überreichte heute in Lübeck den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU, Osnabrück) an den Wissenschaftler, Ökologen und Umweltbildungsexperten Prof. Dr. Berndt Heydemann (75, Nieklitz, Mecklenburg-Vorpommern) und den Physiker, Forscher und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Prof. Dr. Joachim Luther (64). "Umweltschutz ist und bleibt ein Megathema. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel zur Zukunft unseres Landes in einer nachhaltigen Entwicklung liegt," betonte Deutschlands Staatsoberhaupt. Mit dem Preis würdigt die DBU Heydemanns wissenschaftlichen Leistungen im Naturschutz und als Pionier der Bionik. Luthers Engagement sei zu verdanken, dass Deutschland heute weltweit eine der führenden Nationen in der Sonnenenergienutzung sei. Mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk wurde der Kameramann, Regisseur, Produzent, Autor und Tierfilmer Professor Heinz Sielmann (88, Duderstadt) geehrt.
Vor rund 1.500 Festgästen betonte Köhler in Lübeck, es habe den Anschein, die ökologische Frage sei nach vier Jahrzehnten weltumspannender Debatten vom großen Menschheitsproblem zum Spezialthema geschrumpft. Der Umweltpolitik blase seit einiger Zeit der Wind ins Gesicht. Doch ihm erscheine gewiss, "dass die wahren umweltpolitischen Herausforderungen uns erst noch bevorstehen". Das Worldwatch-Institut zähle Umweltveränderungen wie den Klimawandel zu den größten Risiken für die Sicherheit in der Welt. Extreme Wettersituationen nähmen deutlich zu. Tausende von Menschen fielen ihnen weltweit zum Opfer. Köhler: "Der Klimawandel ist nicht ferne Zukunft, er ist Realität." Deshalb müssten die Industriestaaten auch "endlich alles unternehmen", um ihre Verpflichtung aus dem Kyotoprotokoll einzuhalten. Das sei nicht nur ein Gebot der ökologischen, sondern auch der ökonomischen Vernunft. Denn wenn einige Entwicklungsländer mittlerweile 80 Prozent ihrer Devisen nur für Energieimporte ausgäben, "fehlt's dann schließlich einfach an Mitteln für die so dringliche Armutsbekämpfung".
Der Weg müsse weg führen vom Öl hin zu weniger Energieverbrauch, einer wirkungsvolleren Energieausnutzung und einem Ausbau erneuerbarer Energien. Auch das habe neben der ökologischen eine ökonomische Dimension. Erstmals seit zehn Jahren sei Deutschland wieder Weltmeister beim Export von Umweltschutzgütern. Fast 1,5 Millionen Erwerbstätige seien im Umweltschutz beschäftigt. Das sei eine halbe Million mehr als noch 1994. Im Umweltschutz arbeiteten heute mehr Menschen als in der Automobilindustrie. Köhler: "Vorrang für Arbeit lässt sich also mit Umweltschutz hervorragend verbinden." Das verlange freilich Anstrengung und unermüdliche Innovation. Die deutschen Hersteller von Windkraftanlagen, Wärmeschutzverglasung, Solartechnik und Gasturbinen gehörten zur Weltspitze. Erfolgreiche Unternehmer suchten eben den Wettbewerb und wollten international die Besten sein - auch in der Umweltschutztechnologie. Köhler: "Ich bin fest davon überzeugt: Umwelt, Wirtschaft und Arbeit gehören zusammen. Umweltschutz hilft, Kosten zu senken, Umweltschutz schafft Arbeitsplätze, Umweltschutz sichert unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Kurzum: Umweltschutz ist nicht Mode, sondern modern."
In ihrer im Festakt per Film eingespielten Laudatio betonte Dr. Margot Scheithauer, Mitglied der Jury des Deutschen Umweltpreises, Prof. Dr. Heydemann sei ein herausragender Wissenschaftler, der sich sein Leben lang mit Umwelt- und Naturschutz, aber auch mit Bionik und Ökotechnologie befasst habe. Er sei aber nicht nur ein hervorragender Wissenschaftler, er sei in erster Linie auch ein Mensch, der überzeuge und begeistere. Scheithauer: "Und er hat ein Feuer in sich, das sich aus der Leidenschaft und der Liebe zur Natur nährt." Zweifellos sei aber der Nieklitzer Zukunftspark ein Höhepunkt in seinem Schaffen. Er erhalte den Umweltpreis für sein lebenslanges unermüdliches Schaffen für den Umweltschutz, für die Bionik, für die Ökotechnologie und für die Umweltbildung. Scheithauer: "Eigentlich müsste man sagen, für sein bisheriges Schaffen, denn Professor Heydemann ist erst 75, und schon Goethe sagte: 'Zuwachs an Kenntnissen bringt Zuwachs an Unruhe'. Und so ist es eigentlich nur folgerichtig, dass Professor Heydemann jetzt bereits an die nächste Ausbaustufe seines Zukunftszentrums denkt."
Zu Prof. Dr. Joachim Luther betonte die Laudatorin, die Solarenergie könne dazu beitragen, die Energieprobleme der Zukunft zu lösen. Jedem sei wohl bewusst, dass fossile Brennstoffe in der Zukunft nur noch begrenzt zur Verfügung stünden. Deshalb sei ein Wandel der Energiesysteme unabdingbar. Aber er müsse angegangen werden. Ein Mann, der seit 25 Jahren mit höchstem Engagement an der Lösung dieser Probleme arbeite, sei Prof. Luther. Scheithauer: "Seinem Wirken ist es zu verdanken, dass Deutschland heute führend auf dem Gebiet der Nutzung der Sonnenenergie ist." Er besitze nicht nur hohe fachliche Kompetenz, sondern ein beachtenswertes Geschick, seine Grundlagenuntersuchungen in anwendungsreife Lösungen zu überführen. 15 bis 16 erteilte Patente pro Jahr seien ein beredtes Zeugnis. Luther erhalte den Umweltpreis für seine exzellenten Arbeiten auf dem Gebiet der Erforschung solarer Energiesysteme, aber vor allem auch für die Überführung in den Markt gemeinsam mit der Industrie. Er habe einen exzellenten Ruf, und er arbeite in vielen internationalen und nationalen Gremien mit. Als Berater der Bundesregierung habe er seinen Einfluss für die Solarenergie geltend gemacht. Scheithauer: "Und so wird sie ein Standbein für die Energieversorgung in der Zukunft sein."
Prof. Luther betonte, seine Konzentrierung auf Solarenergie sei durch die Kernenergiebewegung an den Universitäten entstanden: "Da wurden wir als Hochschullehrer natürlich gefragt: Was macht man dann? Denn man kann ja nicht nur gegen etwas sein." So habe er als Physiker angefangen, ganz systematisch über Energieversorgung und Sonnenenergie nachzudenken. Je mehr der Öl- und Energiehunger allgemein anwachse, desto mehr nähmen die Konflikte darum zu, die auch heute schon zu beobachten seien. Sonnenenergie habe fast jeder. Wenn man diese Technologie weiterentwickele, "dann wird das sicherlich unsere Welt auch sicherer machen." Seine persönliche Vision sei, "dass wir im Jahr 2050 in Hochtechnologieländern wie Deutschland mehr als 50 Prozent unseres gesamten Energieverbrauchs über erneuerbare Energien decken." Seine feste Überzeugung sei, dass dabei die Sonnenenergie den entscheidenden Beitrag liefern werde, weil man Sonnenenergie ideal auf Gebäuden einsetzen könne und das auch heute schon tue.
Prof. Heydemann stellte heraus, er freue sich, viel zur Wissensvermittlung an andere Menschen beigetragen zu haben. Die Objekte, die im Nieklitzer Zukunftszentrum ausgestellt seien, seien alle umsetzbar und brächten für technische Prozesse oder Produkte Verbesserungen. Dabei müssten sich Bioniker orientieren an dem, was zu wenig vorhanden oder zu teuer sei. Die Frage sei, ob das, was man von der Natur lernen könne, umgesetzt in technische Innovation eventuell billiger sei als das, was man bisher konventionell mache.
Das Engagement des Ehrenpreisträgers Prof. Heinz Sielmann würdigten in Videobotschaften die Fernseh-Journalisten Wolf von Lojewski, Johannes B. Kerner und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Sie stellten Sielmanns Liebe und Ehrfurcht für und vor der Natur heraus, die getragen sei von der Erkenntnis, dass die Menschen nicht die wichtigsten und einzigen Lebewesen auf dem Planeten seien. Speziell Platzeck dankte Sielmann für das, was er für das Land Brandenburg getan habe. Nur durch sein Engagement sei es möglich gewesen, einmalig wertvolle Naturlandschaften wir die Braunkohlefolgelandschaften oder den ehemaligen Truppenübungsplatz Döberitzer Heide zu bewahren und fortzuentwickeln.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin stellte heraus, die Umweltverbände dürften nicht nur in Sonntagsreden gewürdigt werden. Ihnen müssten auch Rechte für den Alltag gegeben werden, wie das etwa mit dem neuen Bundesnaturschutzgesetz geschehen sei. Die Förderung von Naturschutz und Umweltverbänden dürfe nicht gegen Null gefahren werden. Naturschutz sei nämlich mehr als der Versuch, die Natur in Reservate einzusperren und für Menschen möglichst unzugänglich zu machen. Trittin sprach sich aber auch für eine weitere konsequente Nutzung der erneuerbaren Energien aus, durch deren Föderung in den letzten Jahren 70 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart worden seien. Ökologische und ökonomische Herausforderungen fielen zusammen. Deshalb müsse es in den kommenden 15 Jahren gelingen, ein Viertel Strom, Wärme, Treibstoff und Chemie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, um den Klimawandel zu bremsen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Industriestandort zu erhalten.
Schon heute werde mehr Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen als aus konventionellen. Die Atomkraft habe heute einen Anteil an der Energieversorgung von 5,7 Prozent mit fallender Tendenz, die erneuerbaren Energien machten 6,4 Prozent aus mit steigender Tendenz. Zuversichtlich zeigte sich deshalb der Umweltminister, dass es für eine "ökologische Rolle rückwärts in Deutschland parteiübergreifend keine Mehrheit" gebe. Umweltpolitik sei moderne Industriepolitik. Sie sichere Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit und helfe modernen Technologien zum Durchbruch.
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