Überzeugender Gegenschlag von Lufthansa gegen Low Cost
Übertriebene Erwartungen im Low Cost Carrier Markt müssen korrigiert werden.
Arthur D. Little zeigt Überkapazitäten auf
Wiesbaden (ots)
Der Low Cost Carrier Markt in Europa ist mit 107 Millionen Passagieren größer als bislang prognostiziert. Mit einer Wachstumsrate von 24 Prozent im Jahr 2004 transportieren die Low Cost Carrier in Europa bereits heute 107 Millionen Passagieren, gegenüber 86 Millionen in 2003. Ein neuer Rekord. Die sehr hohen Wachstumsraten der Low Cost Carrier von bis zu 70 Prozent p. a. gehören in Westeuropa der Vergangenheit an. Die Arthur D. Little Experten sagen eine Abschwächung des Wachstums in 2005 auf 20 Prozent voraus. Ryanair und Easyjet relativierten ihre Wachstumsziele in den letzten drei Jahren bereits. Hat Easyjet die Passagierzahl zwischen 1995 und 2000 noch jedes Jahr mindestens verdoppelt, so waren dafür im Zeitraum von 2000 bis 2004 zwei Jahre erforderlich. Heute liegt die Wachstumsrate bei 20 Prozent p. a. mit der Tendenz: weiter sinkend. Gleiches zeichnet sich bei Ryanair ab. Bis 2010 erwarten die Experten von Arthur D. Little nur noch ein jährliches Durchschnittswachstum der Low Cost Carrier von 12 Prozent in Westeuropa.
Alleine Ryanair, Easyjet, Air Berlin, dba und Germanwings haben 360 Flugzeuge fest bestellt (in der Regel Airbus 320 oder Boeing 737), die bis 2010 ausgeliefert werden. Bei gleichbleibender Aircraft-Produktivität und Sitzladefaktor sind ca. 76 Millionen Passagiere zusätzlich erforderlich, um diese Flugzeuge zu füllen. Zum Vergleich: Lufthansa hat im letzten Jahr auf allen Strecken weltweit 51 Millionen Gäste befördert. Hinzu kommen Optionen auf den Kauf von über 370 weiteren Flugzeugen.
Wachstumsgrenzen und Überkapazitäten bremsen die Euphorie
In 2010 wird das Sitzplatzangebot um mindestens 36 Mio. über der von Arthur D. Little prognostizierten Passagiernachfrage liegen. Ein signifikanter Anteil der Überkapazität wird dabei auf den deutschen Markt entfallen. Die Fortsetzung des nachhaltigen Yield-Verfalls im LCC-Segment ist unausweichlich. Kleinere Airlines können nicht mehr mit weiteren Stückkostensenkungen dem Trend begegnen. Ihr Ausscheiden ist die logische Folge. Zumindest im LCC-Markt funktionieren die Marktgesetze.
Verdrängungswettbewerb im Low Cost Sektor
Mit der Kapazitätsausweitung spielen die beiden großen Player volles Risiko. Easyjet und Ryanair verfügen über dicke finanzielle Polster. Langfristig werden sie vom Ausscheiden der schwächeren Anbieter profitieren. Selbst einer Air Berlin kann hier schnell die Luft ausgehen. Die schönen Zeiten im europäischen Low Cost-Markt mit ungebremstem Wachstum sind zu Ende. Die attraktiven Strecken sind besetzt. Auf allen attraktiven Routen fliegen die Low Cost-Airlines mittlerweile im Wettbewerb gegeneinander.
Wachstumsinseln, die sich auch in Zukunft noch deutlich zweistellig entwickeln, finden sich in Osteuropa. Denn die östlichen Länder erweisen sich seit der EU-Erweiterung als besonders lukrative und dynamische Märkte. Dort treffen die Low Cost Carrier auf eine wenig verwöhnte, preissensible Kundschaft und auf Strecken, die noch frei von starken Wettbewerbern aus dem Billigflugsegment sind. Ein ideales Wachstumsfeld für Low Cost Carrier.
Lufthansa - Der Marktführer will wieder den Ton angeben
Die Kranich-Airline ist und bleibt der unumstrittene Marktführer im deutschen Markt. Von den 135,8 Millionen Passagieren, die im letzten Jahr über deutsche Flughäfen geflogen sind, entfielen 37,5 Prozent auf die Lufthansa Passage. Dennoch brachte es Lufthansa im letzten Jahr bei einem Jahresumsatz von fast 11 Milliarden Euro lediglich auf einen operativen Gewinn von 265 Millionen. Im ersten Halbjahr 2005 betrug der Gewinn 103 Millionen Euro bei einem Umsatz von 5,7 Milliarden. Trotz aller Einsparprogramme bleibt die Rendite mit knapp 2 Prozent sehr mager. Hauptgrund hierfür sind die gestiegenen Kerosin-Kosten, die alleine das Lufthansa-Ergebnis mit über 400 Millionen Euro im Jahr belasten.
Konzentration auf die Hubs - Niedergang des dezentralen Verkehrs
Die Lufthansa von heute hat nur noch wenig gemein mit der Lufthansa von vor zehn Jahren. Unter dem Druck der Wettbewerber hat der frühere Staatscarrier seinen dezentralen Verkehr fast vollständig aufgegeben bzw. an seine Partner-Airlines abgegeben und sich auf seine Hubs konzentriert. Über 90 Prozent der 51 Millionen Lufthansa Passagiere fliegen über die beiden Hubs München und Frankfurt. Die Betrachtung ausgewählter Flughäfen unterstreicht dieses Bild. In Düsseldorf fiel der Lufthansa-Anteil in den letzten drei Jahren von 27 Prozent auf 25,5 Prozent; in Stuttgart von 28,6 Prozent auf 24,2 Prozent. Waren in München im Jahre 2000 noch 34 Prozent aller Lufthansa-Gäste Umsteiger, so stieg dieser Anteil im letzten Jahr auf bereits 50 Prozent. Für 2008 setzt sich der Hub-Aufbau München weiter fort. Von den dann erwarteten 18 Mio. Lufthansa-Gästen in München sollen bereits 65 Prozent Transferpassagiere sein. Aufgrund des Preisverfalls auf diesen Strecken hat die Lufthansa in den letzten Jahren ihr Angebot im dezentralen Verkehr um ca. 10 Prozent p.a. reduziert bzw. an Partnerairlines ausgelagert. In diesem Jahr werden erstmals mehr als die Hälfte aller LH-Flüge in Deutschland und Europa mit Fluggerät von Partnerairlines durchgeführt.
Nach Jahren des kampflosen Rückzugs hat Lufthansa jetzt mit dem Hamburg-Modell erstmals zu einem überzeugenden Gegenschlag ausgeholt Die Fluggesellschaft will mit dem Angebot 2,6 Millionen Passagiere jährlich von und nach Hamburg befördern. Die Situation in Fuhlsbüttel verdient besondere Beachtung: Lufthansa tritt mit den günstigen Tickets und Low Cost-Strukturen gegen die erfahrenen Low Coster Air Berlin, dba, Germanwings und Easyjet an.
Die Stückkosten für das neue Boeing 737-Produktionsmodell sollen um bis zu 30 Prozent auf ca. 12 cts. je Streckenkilometer sinken. Vorteile durch das neue Produktionsmodell ergeben sich für Lufthansa durch eine verbesserte Aircraft-Auslastung und niedrigere Airport-Gebühren. Hierdurch kann Lufthansa sich die deutliche Yieldabsenkung leisten. Mit einem dynamischen Preismodell konnte bereits Easyjet aus dem Markt geschlagen werden. Weiter im Nachteil gegenüber den Low Cost- Wettbewerbern ist Lufthansa bei den Crew- und Vertriebskosten sowie bei dem komplexeren Bord- und Bodenprodukt.
Dennoch, der Erfolg zeichnet sich bereits ab. Lufthansa rechnet im Hamburg-Verkehr mit einer Million zusätzlicher Passagiere. Die Gretchen-Frage stellt sich: Kann das Hamburg-Modell auf andere Stationen ausgerollt werden?
Entscheidend kommt es darauf an, daß Lufthansa die Produktkomplexität und die Stückkosten weiter reduziert. Voraussetzung sind kurze Abfertigungs- und Bodenzeiten und eine hohe Aircraft Utilization. Wird dies gesichert, gilt es weitere dezentrale Flughäfen mit gutem Catchment frühzeitig zu besetzen. Die Flughäfen Düsseldorf und Stuttgart dürften somit die nächsten Kandidaten für das Hamburg-Modell sein.
Netzcarrier zunehmend auch in der Langstrecke unter Druck
Wichtigster Trend bei den Netzcarriern: Die Airline Geschäftsmodelle wandeln sich. Randaktivitäten werden veräußert. Übernahmen im Passage Kerngeschäft nehmen zu. Man denke nur an Air France und KLM sowie Lufthansa und Swiss. Und dennoch, der klassische Aviation-Konzern hat weiterhin seine Zukunft. Bestes Beispiel ist das opportunistische Engagement von Lufthansa: Zu den bestehenden Geschäftsfeldern kommen jetzt noch Flughafenbeteiligungen (5 Prozent an Fraport) und sicher bald auch Flugsicherung hinzu.
Die etablierten Carrier verdienen ihr Geld auf der Langstrecke. Noch! Denn die Carrier aus dem Nahen Osten besetzen die gewinnträchtigen Asienrouten. Während Lufthansa, Air France und British Airways bis 2010 um 20-25 Prozent zulegen, werden Emirates, Etihad, Gulf Air und Qatar Airways sich verdrei- bzw. verachtfachen. Bei dem aggressiven Wachstum spielen sie ihre Preis- und Produktvorteile aus. Einzig bilaterale Luftverkehrsabkommen mit den Megamärkten Indien und China schützen noch die etablierten europäischen Airlines. Im Nordatlantikverkehr tobt ein Preiskampf. Nordamerikanische Airlines, die um ihr Überleben kämpfen, verlagern Kapazitäten vom US-Inlandsmarkt auf die Langstrecke. Die zusätzliche Kapazität kann nur mit massiven Preissenkungen abgesetzt werden.
Zur Studie:
Die Studie basiert auf den Verkehrs- und Passagierzahlen von über 1.200 Flughäfen. Zusätzlich wurden Unternehmensangaben von über 250 Airlines und Airports über die letzten fünf Jahre ausgewertet. Interviews mit führenden Industrieexperten sowie Erfahrungen aus unseren Projekten vervollständigen die Erhebungen.
Aviation Competence Center bei Arthur D. Little:
Der global aufgestellte Aviation Competence Center von Arthur D. Little berät Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugsicherungen. Die Arthur D. Little Berater unterstützen ihre Kunden rund um den Globus bei der Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle und bei der Anpassung der Kostenstrukturen.
Arthur D. Little:
Arthur D. Little wurde 1886 von dem MIT-Professor Arthur Dehon Little in Cambridge (Mass./USA) gegründet und ist damit die älteste Beratungsgesellschaft der Welt. Heute verbindet Arthur D. Little globale Präsenz mit einer starken Position im deutschsprachigen Raum. Als klassische Managementbera¬tung bietet Arthur D. Little seine Leistungen weltweit an. Die Beratungsleistungen kon¬zentrie¬ren sich auf die Bereiche Strategie & Organisation, Mergers & Acquisitions, Post Merger Integration sowie Restrukturierung und Kostensen¬kung. Wei¬tere Beratungsbe¬reiche sind Corporate Finance, Customer Management und Marketing, Supply Chain Management, Information Management und eBusiness, Knowledge Management sowie Technologie- und Innovationsmanagement.
Arthur D. Little arbeitet umsetzungs¬orientiert und unterstützt den Klienten in der Implementierungsphase aktiv. 75 Prozent der Berater haben vor ihrem Eintritt bei Arthur D. Little in der Industrie gearbeitet.
Im deutschsprachigen Raum verfügt die Unternehmensberatung neben dem Standort Wiesbaden über Büros in Berlin, Düsseldorf, München, Wien und Zürich mit insgesamt 280 Mitarbeitern.
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Uta Schulenburg
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