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Mediengipfel am Arlberg: Krise überfordert Parteien und spielt Populisten in die Hände

Lech/Zürs (ots)

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Zum Abschluss des 5. Mediengipfels am Arlberg stand eine spannende Pressestunde in der Allmeinde in Lech am Programm. ARD-Korrespondentin Susanne Glass und APA-Ressortleiter Ambros Kindel erörterten mit Ihren Podiumsgästen die Frage, inwiefern die aktuelle Krise die Parteienlandschaft Europas verändert. Fazit: Die Krise spielt Populisten in die Hände, es gilt ihnen mit Besonnenheit entgegenzutreten.

Das Finale des 5. Mediengipfels am Arlberg bildete eine Pressestunde unter der Leitung von ARD-Korrespondentin Susanne Glass und APA-Ressortleiter Ambros Kindel in der Allmeinde in Lech. Thema waren die aktuellen Veränderungen in der Parteienlandschaft Europas im Zuge der Wirtschaftskrise. Vor allem der europaweite Aufstieg populistischer Parteien, die mit vermeintlich einfachen Antworten auf die komplexen Herausforderungen der Krise auf Stimmenfang gehen, stand dabei im Mittelpunkt. Denn solange die etablierten Parteien der Bevölkerung echte Lösungsvorschläge schuldig bleiben, wird dieser Trend anhalten.

Nationalstaat ist kein geeignetes Instrument gegen die Krise

Der Vizepräsident der European Investment Bank Wilhelm Molterer, seines Zeichen ehemaliger Österreichischer Vizekanzler und Finanzminister, hält die aktuelle Problemlage für mehr als nur eine Wirtschaftskrise: "Es ist eine systemische Krise auf globaler Ebene, in der EU und in den Nationalstaaten. Die traditionellen Parteien haben plötzlich keine Antworten mehr parat. Denn viele ökonomische Entscheidungen werden längst auf supranationaler oder globaler Ebene getroffen. Wir versuchen aber mit dem Werkzeug des 19. Jahrhundert - den Nationalstaaten - diese globale Krise des 21. Jahrhunderts zu bewältigen." Dies könne gar nicht funktionieren, so Molterer, der von den etablierten Parteien daher forderte, sich diesen neuen Anforderungen anzupassen. Andernfalls drohe ihnen der Bedeutungsverlust. Mit großer Besorgnis registriere er die "Konjunktur nationaler Modelle", sprich den Aufstieg der Demagogen, die allein darin begründet liege, dass die Großparteien ihren Wählern keine Antworten geben können. Auf die Frage von Susanne Glass, ob nicht auch die Großparteien wie die ÖVP mit diesem nationalen Gedankengut spiele, entgegnete Molterer: "Ich bin kein Repräsentant der ÖVP, aber ich halte das, wo immer es stattfindet, für fatal."

Zur Frage, ob auch unpopuläre Maßnahmen gegen die Krise, die Europa aufoktroyiert, in Österreich durchsetzbar wären, überraschte der ehemalige Vizekanzler mit offenen Worten: "Schauen wir uns die Realitäten an. Wo ist denn im italienischen oder griechischen Parlament noch eine Rede von nationaler Souveränität?"

Populismus in Europa am Vormarsch

Der österreichische Botschafter in Berlin, Ralph Scheide, brachte die Deutsche Perspektive in die Diskussion ein. Er könne "noch keine Radikalisierung" in der Parteienlandschaft in der Bundesrepublik erkennen. Was er für bemerkenswert hält, weil in Resteuropa durchaus Populisten mit ihrer undifferenzierten EU-Kritik Zulauf haben. Die Piratenpartei, die in Berlin jüngst mit einem überraschenden Wahlerfolg aufgezeigt hat, hält Scheide für ein Phänomen, das aber noch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Politik hat. In der zweiten europäischen Großmacht, Frankreich, sieht die Situation aber anders aus, wie Pascal Thibaut, der ehemalige Präsident der Auslandspresse in Deutschland und Korrespondent von Radio France International in Berlin, erklärte. In Paris blicke man sorgenvoll dem anstehenden Wahljahr entgegen: "Es ist also sowohl im bürgerlichen Lager wie im linken Lager der Nährboden für Nationalismus gegeben. Daher mache ich mir hinsichtlich des kommenden Wahlkampfes auch Sorgen." Vor allem die Tochter des rechtsextremen Front National-Gründers Jean Marie Le Pen werde mit unverhohlenem Populismus und Nationalismus ins Rennen um die Präsidentschaft gehen. Und man befürchte in Frankreich eine Wiederholung von 2002, als Marine Le Pens Vater für ein politisches Erdbeben bei den Präsidentschaftswahlen sorgte. In Verbindung mit der Krise, so Thibaut, nehme der Populismus in beiden Lagern, links wie rechts, zu. Auch die Vorbehalte gegenüber Deutschland. Ob er diese antideutsche Stimmung als Gefahr für Europa erachte, wollte APA-Ressortleiter Ambros Kindel vom Thibaut wissen. Der bejahte: "Dieses Risiko besteht. Frau Le Pen wird das bestimmt nutzen, aber auch die übrigen Parteien könnten dieser gefährlichen Verlockung verfallen, um sich Stimmen zu sichern." Thibaut forderte daher die Medien auf, Verantwortung zu übernehmen und diese Eskalation nicht mitzutragen.

Der Regierungschef von Liechtenstein, Klaus Tschütscher, sprach aus der Perspektive eines außenstehenden, aber sehr eng mit Europa verwobenen Landes: "Die Krise in Europa macht auch uns Sorgen, denn unser Land ist zu 99 Prozent auf Exporte angewiesen. Wenn es der Welt und Europa schlecht geht, geht es uns daher doppelt schlecht." Noch mache sich diese Krise nicht in der Liechtensteiner Parteienlandschaft bemerkbar. Und mit Piraten rechne er in Vaduz "höchstens im Fasching", nicht jedoch als politische Konkurrenten. Er halte aber das Volk für mündig genug, für sich selbst zu entscheiden: "Die Menschen suchen in erster Linie echte Antworten."

Zum Abschluss verwies Wilhelm Molterer darauf, dass es trotz der schwierigen Situation, in der sich das vereinte Europa derzeit befindet, auch Grund zur Hoffnung gibt: "Es gibt, wie in Polen mit Donald Tusk, auch Beispiele, wie man mit proeuropäischer Haltung nationale Wahlen gewinnen kann." Die Kunst bestehe letztlich darin, Populisten mit Besonnenheit und rationalen Argumenten zu begegnen. Denn die Bevölkerung erwarte sich von der Politik Lösungen, gerade in schwierigen Zeiten wie diesen.

Initiiert wurde der Mediengipfel vor fünf Jahren von der Kommunikationsagentur pro.media, seither wir die Veranstaltung in enger Kooperation mit der Lech Zürs Tourismus GmbH organisiert. Im Rahmen des Mediengipfels am Arlberg treffen sich alljährlich führende Auslandskorrespondenten internationaler Medien mit österreichischen Medienmachern, um aus unterschiedlichsten Länderperspektiven aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Medien sowie deren gesellschaftspolitische Auswirkungen zu analysieren.

Unterstützt wird das Treffen der Auslandskorrespondenten vom Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, Swarovski Tourism Service GmbH, Intersky, Mercedes Benz sowie den Medienpartnern Der Standard, APA - Austria Presse Agentur, ORF, Vorarlberger Nachrichten, NZZ - Neue Zürcher Zeitung, news aktuell sowie dem Presseclub Concordia.

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