Associazione industrie dei graniti, marm
AIGT: Hilfe für wirtschaftliche Randzonen
Bellinzona (ots)
Die Tessiner Stein- und Granitindustrie war in letzter Zeit immer wieder Thema von Artikeln in der Deutschschweizer Presse. Dabei kam vieles zur Sprache, das unserer Ansicht nach richtig ist, wir stiessen allerdings auch auf viele Fehler und Ungenauigkeiten. Es ist unserer Vereinigung ein Anliegen, in diesem Zusammenhang Klarheit zu schaffen. Dass die Branche in einer tiefen Krise steckt, lässt sich mit ein paar wenigen Zahlen illustrieren: Während des letzten Jahrzehnts hat der Sektor mehr als 60 Prozent seiner Arbeitsplätze eingebüsst; vor zehn Jahren bot er noch über 1000 Arbeitnehmern ein Auskommen, heute sind es weniger als 400. Zahlreiche Firmen mussten den Betrieb einstellen, allein in den letzten drei Jahre waren es um die zehn. Akzentuiert wird der Niedergang dadurch, dass die Steinbetriebe in drei relativ kleinen Gebieten konzentriert sind, der Riviera zwischen Bellinzona und Biasca sowie im Maggia - und Calancatal. Bei diesen Gegenden handelt es sich um Randzonen, in denen die wirtschaftlichen Möglichkeiten eng begrenzt sind. Es ist besonders gravierend, wenn solche ohnehin benachteiligten Regionen sozusagen ihrer Heimindustrie verlustig gehen, da diese eine Reihe weiterer Gewerbe und Unternehmen am Leben hält, wie mechanische Werkstätten, Tankstellen, Versicherungsagenturen, Banken oder das Gastgewerbe. Dazu gesellt sich das Steueraufkommen der lokalen Steinproduzenten sowie ihrer Beschäftigten, und ferner entrichten sie ihre Beiträge an die Sozialwerke des Landes.
Was die Gründe für die schwere Krise der Branche betrifft, ist etwa zu erwähnen, dass der Absatz von Produkten im Strassenbau, mit denen die Steinindustrie lange Geld verdient hat, wegen mangelnder Nachfrage in den letzten fünf bis zehn Jahren eingebrochen ist. Um die 90 Prozent des Bedarfs werden heute mit Steinmaterial aus dem Ausland gedeckt. Wenn es gelingen könnte, diesen Markt zurückzuerobern, liessen sich in kürzester Zeit eine grosse Zahl neuer Arbeitsplätze schaffen. Im Tessin stehen eine Reihe modern ausgestatteter Steinbetriebe zur Verfügung, die bei einem Anziehen der Nachfrage unverzüglich mehr zu produzieren vermöchten als sie dies heute können. Wegen der ausgezeichneten Qualität des Tessiner Steinmaterials stehen rohe Blöcke bei Abnehmern in Deutschland oder Italien hoch im Kurs. So tragen Schweizer Steine ein Qualitätszertifikat der EU, das ihre Mitglieder für die Belieferung öffentlicher Körperschaften verlangen.
Für den Strassenbau in unserem Lande wurde lange ausschliesslich Steinmaterial aus dem Tessin verwendet. Dieses wurde wegen seiner Qualität hoch geschätzt und hat nie irgendwelche Probleme verursacht, die Belastbarkeit, Farbe, Frost oder den Einsatz von Salz im Winter betreffend. Die Kosten für den Bau und den Unterhalt des schweizerischen Strassennetzes werden vollumfänglich von den Benützern dieser Verkehrswege aufgebracht, sei es durch die Mineralölabgaben, kantonalen Motorfahrzeugsteuern, Schwerverkehrsabgabe, Autobahnvignette, Einfuhrzölle oder Mehrwertsteuer. Die Einnahmen aus diesen verschiedenen Quellen übersteigen die Gesamtausgaben, die in diesem Sektor anfallen, und der Überschuss beläuft sich laut Angaben des Bundesamtes für Statistik auf über 1 Milliarde Franken jährlich. Wenn für die Ausgaben im Strassenbau also der Schweizer Steuerzahler aufzukommen hat, erscheint es nur als recht und billig, wenn beim Bau auch Schweizer Material den Vorzug erhält - wenn solches schon zur Verfügung steht. Einen wichtigen Platz wird in einer Studie über den Zustand der Tessiner Stein- und Granitindustrie, welche die Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana (SUPSI) in Arbeit hat, die Frage einnehmen, was für ein Steinprodukt der "richtige Preis" sei. Dahinter steht unsere Ansicht, dass für Verantwortungsträger, die über die Vergabe öffentlicher Bauvorhaben zu entscheiden haben, nicht in jedem Fall nur von Bedeutung sein darf, ob ein bestimmtes Steinprodukt aus dem Ausland billiger ist als ein solches aus der Schweiz. Produkte aus dem Ausland sind für unsere Sozialeinrichtungen von keinerlei Nutzen, und es stellt sich die Frage, woher in Zukunft Beiträge an die Pensionskassen, die Krankenkassen sowie Mittel für die berufliche Ausbildung und die Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung stammen sollen.
Wir wollen an dieser Stelle nicht näher auf die Arbeitsbedingungen oder die ökologischen Schäden im Zusammenhang mit dem Abbau von Steinen in neuen Produzentenländern wie China, Indien, Vietnam und einer Reihe südamerikanischer Länder oder die damit verbundenen langen Transportwege zu den europäischen Abnehmern eingehen, doch ein letzter Punkt soll noch zur Sprache kommen: Wenn sich Bund und Kantone schon der Unterstützung wirtschaftlicher Randgebiete annehmen, sollte diese auch etwa die Förderung von Produkten einschliessen, die aus einer solchen Region stammen. Steine gehören zu den wenigen Rohstoffen, über die unser Land verfügt; sie sind sozusagen Bestandteil unserer Traditionen und unseres kulturellen Erbes.
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Frau Chiara Ongaro Pescioli
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