Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Politik gegen Finanzindustrie - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Steht Europa vor einer deutschen Machtergreifung? Helmut Schmidt hat diese Frage aufgeworfen, als er vor "deutschnationaler Kraftmeierei" warnte. Die Antwort heißt aber eindeutig: Nein. Derzeit passiert etwas anderes in Europa. Gerade die Südländer begreifen, dass die ungehemmte Verschuldung der vergangenen Jahre ein großer Fehler war. An dieser Erkenntnis ist nicht Merkel Schuld, sondern sie stammt von den Finanzmärkten. Sie haben politische Macht. 50 (!) Misstrauensvoten konnte Italiens Berlusconi überleben, erst die Herabstufung seines Landes zum unsoliden Schuldner hat ihn aus dem Amt gefegt. Merkel und Frankreichs Sarkozy sprechen stets vom nötigen "Vertrauen der Märkte". Das muss man übersetzen. Dann wird daraus eine unangenehme Wahrheit: Auf Krisengipfeln beschließen Staaten Maßnahmen, um den Euro zu stützen. Am nächsten Morgen entscheiden die Börsen, ob sie das ausreichend finden. Wenn nicht, fordern sie Nachbesserungen. In der Regel liefert die Politik, weil sonst die Finanzindustrie den Staaten den Geldhahn zudreht. Man kann sich über diesen Mechanismus aufregen. Hedgefonds haben kein politisches Mandat. Niemand hat sie gewählt. Allerdings fühlen sie sich ihren Kunden verpflichtet; Pensionsfonds zum Beispiel, die durch zu hohe Staatsschulden Sicherheit und Rentabilität der ihnen anvertrauten Renten aufs Spiel gesetzt sehen. Manche, die eine Verschiebung der Macht zur Finanzindustrie beklagen, handeln scheinheilig. Gegen solide Staaten wird ein Hedgefonds kaum wetten. Das führt zum Kern: Falls Merkel, Sarkozy und den solideren Nordländern die Euro-Operation gelingt, entzieht dies der Spekulation den Boden. Merkel und Co. wollen nicht Europa kapern, sondern die Politik wieder in ihr Recht setzen. Dies kann aber nur gelingen, wenn Europa keine Schuldenunion wird. Ein stabiler Euro, abgesichert über strenge Spielregeln, die für alle gelten und über die Brüssel wacht: Das ist das Ziel der Koalition der Retter. Wird es erreicht, kann man auch über eine Art gegenseitiger Haftpflicht reden, also auch über Eurobonds. Fazit: Der Preis für die Euro-Rettung ist: Mehr Brüssel und weniger Berlin, Paris, Rom, usw. Europa geht, weniger aus politischem Antrieb, mehr unter dem Druck der Finanzmärkte, einen Schritt in Richtung Vereinigte Staaten von Europa. Falls diese riskante Operation nicht doch scheitert.

Kontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 05.12.2011 – 19:22

    Putins Weg zurück - Kommentar von Gudrun Büscher

    Essen (ots) - Russland hat gewählt und dabei nichts dem Zufall überlassen. Die Klagen über Wahlmanipulationen, über Wahlurnen, die schon vor Öffnung der Wahllokale halb gefüllt waren, über Einschüchterungsversuche und Stimmenkauf reißen nicht ab. Trotzdem hat der amtierende Regierungschef und - so darf angenommen werden - künftige Präsident des Landes, Wladimir Putin, mit seiner Partei "Einiges Russland" die ...

  • 05.12.2011 – 19:21

    Politiker als Selbstversorger - Kommentar von Theo Schumacher

    Essen (ots) - Bescherung soll diesmal schon vor Weihnachten sein. Ehe sich die 181 Landtagsabgeordneten in die Feiertagspause verabschieden, wollen SPD, CDU und Grüne noch schnell ein Geschenk verpacken und ihre eigene Altersvorsorge um satte 500 Euro monatlich aufstocken. So weit ihr Plan für die Festtage. Man muss in ihrem Interesse hoffen, dass sie ihn noch fallen lassen. Darauf setzen kann man aber nicht, und viele ...

  • 05.12.2011 – 18:23

    Kraft: NRW steht für mich weiter im Zentrum

    Essen (ots) - Obwohl von der Bundes-SPD gefeiert, steht für Hannelore Kraft weiter NRW "im Zentrum". Ihr Ziel sei, "die nächste Wahl in NRW zu gewinnen", sagte die Düsseldorfer Ministerpräsidentin der WAZ-Mediengruppe. Sie führe eine Minderheitsregierung, "das ist nicht einfach". Dass sie mit 97,2 Prozent als SPD-Vizechefin gewählt wurde, wertet Kraft als "Dankeschön" für den Wahlsieg in NRW. Die Landespartei habe ...