Trügerische Zuversicht, Kommentar zum Einzelhandel von Martin Dunzendorfer
Frankfurt (ots)
2012 wird ein Superjahr für den deutschen Einzelhandel. Zu diesem Schluss kommt, wer sich die Analysen des Vorjahresumsatzes, die das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung nannte, und die Prognosen vieler Experten für das neue Jahr zu eigen macht. Allerdings klammert man dann große makroökonomische und weltpolitische Probleme aus wie die schwelende Staatsschuldenkrise, die bei einer neuerlichen Verschärfung - Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos warnte gerade eindringlich vor einer "unkontrollierbaren Staatspleite" - ebenso alle Kalkulationen und Voraussagen zur Binnennachfrage zunichtemachen würde wie eine Eskalation im Atomstreit zwischen dem Westen und Iran. Solche Ereignisse ("Black Swan Events") würden jedes Kalkül sprengen. Deswegen ist ihr Eintritt aber nicht ausgeschlossen und in den genannten Fällen bis zu einem gewissen Grad sogar wahrscheinlich. Die zuversichtlichen Prognosen für den Handel sind also trügerisch.
Nach vorläufigen Daten wuchsen die Erlöse im Einzelhandel 2011 nominal mit 2,8% so stark wie seit Beginn der gesamtdeutschen Statistik 1994 nicht mehr. Tatsächlich sprechen viele Faktoren für eine Fortdauer dieser Aufwärtsentwicklung. So sollen - trotz Konjunkturabkühlung - die verfügbaren Einkommen nach Konsensmeinung spürbar steigen; die Bundesregierung sagt ein Plus von knapp 3% voraus. Auch die etwa 20 Millionen Rentner in Deutschland dürfen zur Jahresmitte mit einer kräftigen Anhebung ihrer Bezüge rechnen. Neben Einkommen und Renten hat die Lage am Arbeitsmarkt maßgeblichen Einfluss auf die Verbraucherstimmung und damit auf den Konsum. So soll nach Ansicht führender Ökonomen die Zahl der Arbeitslosen im Jahresschnitt weiter sinken und die der Erwerbstätigen steigen - um je 200000. So viel Optimismus sollte misstrauisch machen.
Kann es wirklich auf Dauer sein, dass - wie 2011 - im übrigen Euroland die Konjunktur darbt und die Arbeitslosigkeit steigt, während gleichzeitig die deutsche Wirtschaft kräftig wächst und die Zahl der Erwerbstätigen auf Rekordhöhen steigt? Eher liegt ein Novum vor, über das man sich freuen darf. Auf eine Wiederholung sollte man angesichts der engen ökonomischen Verflechtungen in Europa aber besser nicht bauen, auch wenn Volkswirte dies voraussagen. Während Lebensmittelketten oder Anbieter von Körperpflege- und Haushaltsprodukten immer Zulauf haben werden, könnte deshalb für Händler zyklischer Konsumgüter, etwa Autos, 2012 alles andere als ein Superjahr werden.
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