Lieber gesund, Kommentar zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, von Reinhard Kuls.
Frankfurt (ots)
Auch wenn Deutschland nun doch von den realwirtschaftlichen Folgen der Schuldenkrise und der globalen Flaute eingeholt wird - unterm Strich steht die größte Volkswirtschaft der Eurozone gut da. Sicher, im vierten Quartal musste hierzulande erstmals seit Anfang 2009 ein Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) hingenommen werden; und ja, die Aussichten für das gerade begonnene Jahr sind auch nicht eben rosig, schließlich kämpfen wichtige Abnehmerländer mit zum Teil stark schrumpfenden Volkswirtschaften und einem so hohen Schuldenberg, dass deren Abbau wie auch die notwendigen Reformen dort noch konjunkturbremsend wirken. Aber die jüngsten BIP-Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) enthalten, obwohl sie sich rückwärtsgewandt auf das vergangene Jahr beziehen, einen wichtigen Fingerzeig für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, der grundsätzlich Anlass zu vorsichtiger Zuversicht gibt.
In Deutschland hat offensichtlich ein Strukturwandel eingesetzt, den das Land durch seine schmerzhaften Reformen der vergangenen Jahre selbst angestoßen hat. So hat zum einen die hiesige Exportwirtschaft, die traditionell einen sehr großen Beitrag zur Gesamtproduktion leistet, ihre globale Wettbewerbsfähigkeit sogar noch ausbauen können. Zum anderen wurde eine Art Beschäftigungswunder initiiert, das zwar noch nicht sämtliche Schichten der Bevölkerung erfasst, aber die Erwerbstätigkeit auf einen so hohen Stand getrieben hat, wie ihn Deutschland noch nie gesehen hat. Und das kommt dem Konsum in einem Ausmaß zugute, wie es Deutschland wohl auch noch nie erlebt hat. Kein Wunder also, dass die Unternehmen auch weiterhin investieren.
Das also ist die gute Botschaft, die das Zahlenwerk von Destatis gestern zu bieten hatte: Die Binnenkonjunktur floriert und stößt ein eigenständiges Wachstum an, das zudem durch einen Export flankiert wird, der auch widrigeren Umständen noch weitgehend trotzen kann.
Nun ist auch Deutschland vor kurzzeitigen Rückschlägen nicht gefeit. Das zeigt schon das zurückliegende Quartal, und auch das laufende Vierteljahr könnte ein BIP-Minus bringen. Aber die Dämpfer sind von außen angestoßen und nicht strukturellen Mängeln im eigenen Land geschuldet. Eine sehr hohe Exportquote wirft in einem etwaigen globalen Boom zwar schnell ein paar Zehntel Prozentpunkte mehr an Gesamtwachstum ab. Sie ersetzt aber nicht eine gesunde Binnennachfrage, federt diese doch umgekehrt einen externen Abschwung ab.
(Börsen-Zeitung, 12.1.2012)
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