Etappenerfolg, Kommentar zu Irland von Carsten Steevens
Frankfurt (ots)
Während sich private Gläubiger von Griechenland bedrängt sehen, noch höhere Abschläge auf ihre Forderungen zu akzeptieren als ohnehin schon, wartet ein Krisenpatient der Eurozone mit Erfolgsmeldungen auf. 2011 erfüllte Irland alle Vorgaben seiner internationalen Kreditgeber. Bei der Haushaltskonsolidierung kam der keltische Tiger von einst sogar schneller voran, als ihm EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) aufgetragen hatten.
Der Erfolg ist einerseits das Ergebnis eiserner Haushaltsdisziplin. Andererseits verfügt Irland über eine flexible und offene Wirtschaft, das Land ist unverändert attraktiv für ausländische Investitionen. Erstmals seit 2007 kann für ein Jahr wieder Wirtschaftswachstum ausgewiesen werden. So weit, so gut.
Der 2011 erreichte Fortschritt beim Abbau des Haushaltsdefizits ist jedoch nur als ein erster - für die Moral auf der Grünen Insel freilich enorm wichtiger - Etappenerfolg anzusehen. Für ein Aufatmen ist es zu früh. Die nicht bewältigte Euro-Schuldenkrise lässt die Wirtschaft der wichtigsten Handelspartner schwächeln, womit auch der derzeit für Irland so wichtige Exportmotor ins Stottern zu geraten droht. Im dritten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Irlands mit 1,9% so stark wie seit zwei Jahren nicht mehr. War das nur ein einmaliger Ausreißer oder doch eher ein Vorbote für weitere Hiobsbotschaften?
Die Regierung in Dublin hat ihre Konjunkturprognosen für 2012 inzwischen mehrfach korrigieren müssen, die noch pessimistischer gestimmten Kreditgeber Irlands ebenfalls. Noch wird auch in diesem Jahr mit Wachstum gerechnet. Sollte sich aber die Schuldenkrise in der Eurozone noch lange hinziehen, dürfte ein Rückfall in die Rezession unvermeidlich sein. Irland bräuchte jedoch Wachstumsraten deutlich über 2%, um - dies wäre der ultimative Erfolg - im kommenden Jahr wie ursprünglich geplant in vollem Umfang an den Kapitalmarkt zurückzukehren. Ohne ein solches Wachstum dürfte das Land angesichts einer Verschuldung, die nach bisherigen Schätzungen erst 2013 ihren Höhepunkt erreichen wird, kaum auf nachhaltiges Vertrauen bei Investoren stoßen.
Irland hat im vergangenen Jahr Willen und Fähigkeit gezeigt, seine Krise zu überwinden. Die derzeitigen Kreditgeber werden dem Land etwa durch Minderung der Zinslasten oder durch den - vorläufigen - Erhalt des geringen Unternehmenssteuersatzes entgegenkommen müssen, wenn es auch im Nordwesten der Eurozone nicht wieder brennen soll. Verdient wäre das.
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