Da tut sich was, Kommentar zum Börsengang des Versicherers Talanx, von Walther Becker.
Frankfurt (ots)
Es ist vollbracht: Der größte Börsengang in Deutschland seit zweieinhalb Jahren ist nach einem nie da gewesenen Zickzackkurs doch noch über die Bühne gegangen. Die Aktie von Talanx, der Nummer 3 der deutschen Assekuranz, ist mit 19,05 Euro gestartet - das sind 4% über dem Ausgabepreis, der am unteren Ende der Angebotsspanne lag. Angesichts der kolportierten Überzeichnung ein durchwachsenes Debüt.
Dem IPO-Markt hat das Prozedere alles andere als genutzt. Die Bewährungsprobe steht insofern auch noch aus: Spaniens Telefónica will für den Schuldenabbau eine Minderheit der deutschen Mobilfunk-Tochter O2 an die Frankfurter Börse bringen und schielt dabei auf 1,5 Mrd. Euro. Investoren entscheiden sich Deal für Deal, und Käufer haben ihre Macht längst nicht verloren.
Talanx, die sich 15 Jahre mit Börsenplänen trug, hatte einen Schuss frei. Der Konzern nimmt 517 Mill. Euro ein, so viel hat seit dem Chemiedistributeur Brenntag im Frühjahr 2010 kein deutsches Unternehmen mehr mit einer Emission erlöst. Der niedrige Streubesitz von 11% macht Index-Ambitionen zunächst zunichte.
Dem Initial Public Offering ging ein beispielloser Schlingerkurs voraus. Angesagt, abgeblasen und wieder aufgenommen. Talanx stellte in einer Manier wie nie zuvor die Banken bloß. Den erreichten zweiten Anlauf mit verringertem Volumen darf sich nun Berenberg aus Hamburg ans Revers heften. Die Bank rückte mit ihrem "Commitment" nach oben im Konsortium und lieferte Talanx andere Investoren, andere Größenordnungen und andere Unterstützung als zuvor Citi und J.P. Morgan.
Wie viele der gezeichneten Aktien gingen da aber nur mit sanftem Druck über den Tresen? Welches "Upside" rechnen sich diese Käufer aus? Ergibt sich daraus ein Überhang, der auf der Aktie lastet? Zunächst wird das aggressiv ins Investment Banking drängende Institut, das auf die Diskretion im Private Banking Wert legt und anders als angelsächsische Adressen agieren kann, alles tun, um einen Misserfolg zu verhindern. Doch viele Investoren dürften an den Seitenlinien bleiben.
Eine Phalanx wird dem Talanx-Schritt nicht folgen, auch wenn O2, der Not der spanischen Mutter gehorchend, kommen und es mit Hess auch noch ein kleineres Unternehmen aus der Beleuchtungsbranche schaffen sollte. Denn es bleibt dabei: Investoren sind zwar angesichts derLiquiditätsschwemme "long" in Cash, aber "short" in Sachen Zuversicht. Vertrauen wurde mit diesem Börsengang kaum gefördert. Aber es tut sich immerhin was.
(Börsen-Zeitung, 4.10.2012)
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