Der Satz des Schäuble, Kommentar zum Ringen um eine Lösung für Griechenlands akute Finanzprobleme, von Detlef Fechtner.
Frankfurt (ots)
Griechen müssten sich mit Mathematik eigentlich ganz gut auskennen. Der Satz des Thales, der Satz des Pythagoras oder der Satz des Euklid erinnern daran, dass Hellas die genialsten Mathematiker hervorgebracht hat. Allerdings dürften sogar sie Schwierigkeiten mit dem Satz des Schäuble haben. Denn der hat gestern wenige Stunden nach der Eurogruppen-Sitzung angedeutet, es könne eine Lösung für Griechenlands akute Finanzprobleme geben, ohne dass die Kapitalgeber noch einmal Geld nachschießen müssten. "Wir gehen davon aus, dass dies innerhalb des zweiten Griechenlandpakets mit zusätzlichen Maßnahmen gelöst werden kann." Ein Satz, der eigentlich unvereinbar scheint mit den vielen Nebenbedingungen der Rechnung: Griechenland soll erst 2016 mit dem Defizit sein, wo es eigentlich 2014 sein sollte. Griechenland soll womöglich Schulden zurückkaufen können. Und ein Schuldenerlass auf Kosten der öffentlichen Gläubiger soll nicht stattfinden.
Gewiss, die Kapitalgeber können Griechenland weniger Zinsen für alte Hilfskredite abknöpfen. Sie können Laufzeiten verlängern, griechische Vermögenswerte zu Pfändern erklären, Sperrkonten ausweiten und automatische Korrekturmechanismen für die Einhaltung der Fiskalziele einrichten. Das alles wirkt aber nur wie der Versuch, den Eindruck zu erwecken, der Einsatz der Kapitalgeber bleibe der Gleiche. Bleibt er aber nicht.
Nun sollen Fachbeamte in einer Woche eine Zauberformel finden, die Griechenlands Finanzlücke schließt und trotzdem alle roten Linien beachtet, die im Laufe der Verhandlungen gezogen wurden. Es steht zu befürchten, dass ein kompliziertes Zahlenwerk herauskommt, das niemand mehr durchschauen kann - und vielleicht ist das ja sogar beabsichtigt. Eine solche Strategie aber wäre hochriskant. Erstens, weil sich die Bürger verhohnepiepelt vorkommen, wenn der Verdacht aufkäme, die Politik wollte die wahren Kosten der Griechen-Hilfe verschleiern. Zweitens, weil die Investoren nervös werden, wenn die Finanzierung auf sie wie Flickschusterei wirkt. Und drittens, weil die Euro-Länder achtgeben müssen, dass ihnen nicht der IWF als Partner abhanden kommt. Dass die Chefin des Währungsfonds, Christine Lagarde, in der Kontroverse über 2020 oder 2022 mittlerweile auf offener Bühne über "unterschiedliche Auffassungen" spricht, sollte allen vor Augen führen, wie wichtig es wäre, kompromissbereit zu sein, um eine Lösung zu finden, die nicht geschickt und clever ist, sondern - wie heißt das allgemeine Lieblingswort - tragfähig.
(Börsen-Zeitung, 14.11.2012)
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