Flickschusterei, Kommentar zur neuerlichen Griechenlandhilfe, von Detlef Fechtner.
Frankfurt (ots)
Am Tag nach der erneuten Marathonsitzung der Eurogruppe war gestern halb Brüssel damit beschäftigt, Tableaus mit Dutzenden Zahlen zu verstehen. Zu begreifen, um wie viele Milliarden es die akute Finanzlücke schmälert, wenn Zinsen für bilaterale Hilfskredite um 100 Basispunkte sinken. Oder um wie viele Prozentpunkte die Schuldenquote 2022 steigt, wenn die Brückenfinanzierung via T-Bills fortgesetzt wird.
Alle diese Fragen sind bedeutsam, schließlich geht es um Milliarden Euro der Steuerzahler. Und um die Aussichten für Hellas, irgendwann der Schuldenspirale zu entrinnen. Doch darf die Analyse der Details nicht den Blick auf das Ganze verstellen. So ist noch nie so klar geworden wie gestern, dass es für die Absicherung Griechenlands in der Währungsunion keine abschließenden Lösungen geben wird - ja nicht einmal jene "echten" und "nachhaltigen" Lösungen, von denen Politiker in den vergangenen Tagen schwadroniert haben. Der jüngste Kompromiss ist erneute Flickschusterei und wirkt wie der hektische Versuch, an allen Ecken und Enden noch ein paar Millionen zusammenzukratzen. Gerade so, dass es bis zum nächsten Mal reicht. Oder bis zur nächsten Wahl.
Zweitens macht das Ergebnis der Nachtsitzungen deutlich, dass Hellas ein Dauerpatient ist: Griechenland ist Krisenland. Gestern wurden zinsgünstige Kredite bis 2040 verlängert. Mit den Zinssubventionen für Griechenland werden also noch Finanzminister zu tun haben, die gerade erst Abitur machen.
Drittens schließlich belegt der vereinbarte Katalog der Maßnahmen, dass es die Hilfe für Griechenland nicht umsonst gibt - auch wenn Minister nicht müde werden, ständig zu beteuern, dass "kein frisches Geld" nötig werde. Denn wenn Euro-Staaten auf Zinseinnahmen verzichten und wenn demnächst Hunderte Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt direkt nach Athen überwiesen werden, klingt es unglaubwürdig, wenn so getan wird, als bedeute die Griechenlandhilfe keine Belastung für die Bundesbürger.
Gerade in diesen Tagen hatten Finanzminister eine gute Gelegenheit, um zu sagen: Ja, es kostet Geld, es kostet Nerven und es kostet vor allem viel Geduld - und doch lassen wir Griechenland nicht aus dem Euro rutschen, weil wir die damit verbundenen Risiken nicht einzugehen bereit sind. Das wurde jedoch nur am Rande erwähnt, obwohl das viele Bürger verstehen - ganz anders als die verwirrenden Zahlen und Rechnungen, die eher Argwohn schüren, als dass sie Vertrauen in Euroland zurückgewinnen helfen.
(Börsen-Zeitung, 28.11.2012)
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