Jäger und Gejagte, Kommentar zur Position von Daimler auf den internationalen Nutzfahrzeugmärkten nach Volvos Ankündigung, in China anzugreifen, von Gerhard Bläske.
Frankfurt (ots)
Bei Pkw hat Daimler die einstige Führungsposition längst an BMW verloren. Bis spätestens 2020 will die Marke mit dem Stern die Bayern von dieser Position verjagen. Bei Nutzfahrzeugen haben die Schwaben dagegen global die Nase vorn und sind deshalb selbst die Gejagten.
Größe zählt. Gerade bei Nutzfahrzeugen, wo sich durch große Stückzahlen sowie gemeinsame Entwicklung, Einkauf und Produktion sowie globale Plattformen enorme Synergien erzielen lassen. Dass Volvo Daimler nun speziell in China angreift, ist kein Zufall. Denn die Musik spielt längst nicht mehr in Europa oder in den reifen Märkten. Die Zahl der Neuzulassungen für Lastwagen in China wird 2013 etwa 50-mal (!) so hoch sein wie in Deutschland.
Wer die globale Führungsposition anstrebt, muss in China vorn liegen. Dort aber ist Volvo bisher nicht vertreten. Mit ihrem Kooperationsprojekt dort schließen die Schweden also vor allem eine gewaltige Lücke.
Daimler muss Konkurrenten wie Volvo oder VW mit den Konzernmarken Scania und MAN, die ebenfalls die globale Führungsposition anstreben, ohne Zweifel ernst nehmen. Doch in Panik muss die Marke mit dem Stern nicht verfallen. Man verfügt über eine moderne Modellpalette von Premiumprodukten, ist global gut aufgestellt und lokal über Kooperationen in wichtigen Märkten wie Indien, Russland sowie China mit auf diese Länder zugeschnittenen Produkten vertreten. Auch auf der Ertragsseite wurden die Weichen für bessere Zeiten gestellt. Die Absatzzahlen zeigen trotz der Krise nach oben.
Die Erfahrung zeigt, dass im Reich der Mitte zwischen der Ankündigung und der Realisierung von Projekten sehr viel Zeit vergehen kann und viel Geduld notwendig ist. Überdies haben die Schweden bei ihrem Partner nur eine Minderheitsposition, was Diskussionen erschweren kann.
Ein bequemes Ruhekissen kann und darf die erreichte Position jedoch für Daimler nicht sein. Wenn man jetzt schläft, verspielt man die Zukunft. Im Pkw-Geschäft zahlen die Stuttgarter heute für Versäumnisse der Vergangenheit, als sie den Fokus nicht auf ihr Kerngeschäft legten, sondern auf die Integration der später verkauften Tochter Chrysler.
Der Wettbewerb in der bisher von Daimler dominierten Nutzfahrzeugbranche wird härter. Daimler hat das Zeug, ihre Position zu verteidigen, muss aber neben traditionellen Konkurrenten wie Volvo auch den VW-Konzern und womöglich in Zukunft auch chinesische Hersteller im Blick behalten.
(Börsen-Zeitung, 29.1.2013)
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