Brüssel III, Kommentar zur Einigung der Unterhändler über die EU-Kapitalrichtlinie, von Detlef Fechtner.
Frankfurt (ots)
Noch ist die EU-Kapitalrichtlinie zwar nicht in trockenen Tüchern. Aber nach der Einigung der Unterhändler stehen die Chancen tatsächlich gut, dass der Übergang von Basel III zu Brüssel III - oder eurokratisch: zu CRD IV - geschafft ist.
Ist das, was da ausgeschachert wurde, in allen Details klug? Hand aufs Herz, das können derzeit nicht einmal die Unterhändler selbst mit voller Überzeugung sagen - geschweige denn die Zaungäste. Die EU-Kapitalrichtlinie ist einer der kompliziertesten Rechtstexte der EU. Zudem enthalten die 1300 Seiten vieles, was nur schwer zu verstehen ist, etwa die Verrechnung von Sifi-Puffer und Systemrisikopuffer. Kompliziert sind zwar auch Details anderer Gesetze. Nur geht es da nicht gleich um Milliarden. Man kann daher noch nicht sagen: Der Kompromiss, der gefunden wurde, ist gut. Aber man kann sagen: Es ist gut, dass ein Kompromiss gefunden wurde.
Erstens wird eine lähmende Blockade der Finanzmarktregeln in Europa vermieden. Zum Beispiel wäre die EU wohl ohne CRD IV keinen Schritt bei der Aufsicht weitergekommen. Die EU-Kapitalrichtlinie ist, auch wenn sie zuletzt oft auf die Deckelung der Boni verkürzt wurde, immerhin das Herzstück der Reaktion auf Lehman und die Bankenkrise. Mehr Kapital, besseres Kapital, gesicherte Liquidität, niedrigere Kredithebel - das sind Punkte, die nur dann eine Chance haben, wenn Europa fähig ist, daraus Gesetze zu machen. Der Druck auf die USA wird übrigens durch die jüngste Verständigung mehr steigen, als wenn der EU-Kommissar noch fünfmal nach Amerika reist.
Zweitens beweist die EU, dass sie fähig ist, internationale Regeln zu europäisieren. Das ist gar nicht einfach, da sich bekanntermaßen die nationalen Bankenmärkte unterscheiden. Die EU antwortet mit einem Ansatz, der alle Banken erfasst, aber differenziert. Aus deutscher Sicht sind etwa Unterscheidungen bei der Definition des Kapitals oder bei Ausnahmen für den Mittelstand von Bedeutung. Das sollte im Auge behalten, wer sich über zu viel Flexibilität an anderer Stelle beklagt.
Drittens darf nicht übersehen werden, dass erst CRD IV den Vereinbarungen von Fachbeamten demokratische Legitimation verleiht. Dass die EU-Abgeordneten auf Boni-Deckel pochen, mag für manchen wenig mit makroprudenzieller Aufsicht zu tun haben. Aber jene, die sich beschweren, das EU-Parlament habe angeblich sachfremde Themen eingeschmuggelt, sind nicht glaubwürdig, wenn sie in ihrer Rede am nächsten Sonntag ein demokratisches Europa fordern.
(Börsen-Zeitung, 1.3.2013)
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