Spiel auf Zeit, Kommentar zur EZB-Pressekonferenz, von Mark Schrörs.
Frankfurt (ots)
Es scheint alles so klar: Die Wirtschaft in der Eurozone steckt in der Rezession, die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie, die Kreditvergabe lahmt und die Inflation ist unter Kontrolle. In normalen Zeiten wäre diese Gemengelage ein klarer Fall für eine Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Kein Wunder also, dass viele Volkswirte genau das fordern. Auch einige Euro-Notenbanker plädierten gestern dafür.
Die Zeiten sind aber nicht normal und deshalb liegt der Fall eben nicht so klar: So sind Zweifel angebracht, ob eine Senkung des schon historisch niedrigen Leitzinses angesichts der auseinandergelaufenen Finanzierungsbedingungen im Euroraum viel bringen würde. Bei denen nämlich, die sie am nötigsten hätten - die Firmen in den Krisenländern -, würde sie vermutlich gar nicht ankommen. Viele Probleme, unter denen die Länder leiden, kann die Geldpolitik auch nicht lösen. Sinkende Zinsen etwa ersetzen eben keine Arbeitsmarktreformen.
Zudem gibt es Signale, die ein wenig Hoffnung wecken: Trotz des Wahlchaos in Italien hat sich die Euro-Krise zumindest bislang nicht wieder dramatisch zugespitzt. Viele Stimmungsindikatoren signalisieren eine allmähliche Erholung der Euro-Konjunktur, auch wenn die harten Daten bislang zuweilen herb enttäuschen. Das Wachstum der realen Geldmenge M1 sehen einige Volkswirte gar schon als Zeichen für robustes Wachstum zum Jahresende.
Entscheidend ist nun, ob sich das Konjunkturbild der EZB und anderer bestätigt, dass sich die Wirtschaft im Jahresverlauf allmählich erholt. Ist das der Fall, können die Währungshüter erstmal abwarten. Auch Sorgen vor deflationären Tendenzen in der gesamten Eurozone sollten sich damit erledigen. Sie müssen aber auch nicht voreilig aus der lockeren Geldpolitik aussteigen, zumal ihre Hilfen quasi einen ersten automatischen Ausstieg eingebaut haben: So fragen die Banken weniger EZB-Liquidität nach, je besser die Lage wird.
Sollte sich die Hoffnung auf eine Erholung aber zerschlagen und die Inflation noch weiter, sowie für lange Zeit deutlich unter das Preisziel rutschen, wird die EZB weiter unter Druck geraten. Dann wird sie indes entscheiden müssen, welche Instrumente am sinnvollsten sind: Zinssenkungen oder andere unkonventionelle Maßnahmen, um etwa gezielt die Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen anzukurbeln. Das wird neue Debatten auslösen über ihr Mandat und ihre Rolle. Das Schlimmste in der Euro-Krise mag überstanden sein. Für die EZB aber sind die schwierigen Zeiten mitnichten Geschichte. So viel ist klar.
(Börsen-Zeitung, 8.3.2013)
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