Lizenz zum Tapern, Börsenkommentar "Marktplatz", von Grit Beecken.
Frankfurt (ots)
Die weltweit wichtigste ökonomische Kennziffer dürfte derzeit die Arbeitslosenquote in den USA sein. Die geldpolitische Gangart in Übersee hängt schließlich vor allem davon ab, wie sich der dortige Jobmarkt entwickelt. Bei einer Quote von 7% sollen die monatlichen Anleihenkäufe beendet sein, verkündeten die Notenbanker im Juni. Und der Leitzins bleibe niedrig, bis die 6,5% erreicht sind. Aktuell sind wir bei 7,3%.
Demnach müsste die Federal Reserve (Fed) zügig, und zwar eigentlich in diesem Monat, mit der Drosselung ihrer Anleihenkäufe, dem sogenannten Tapering, beginnen. Denn noch liegt das Volumen bei monatlich 85 Mrd. Dollar. Wenn die Notenbanker bei 7% gar nicht mehr kaufen wollen und die Märkte nicht mit einem kalten Entzug quälen möchten, wird es Zeit für die Drosselung.
Die Fed könnte also die "Lizenz zum Tapern" haben, schreiben die Analysten der Commerzbank. Ob die Arbeitsmarktdaten diese Lizenz wirklich hergeben, ist allerdings nicht klar. Denn parallel zur sinkenden Quote kamen auch schlechte Nachrichten: Es wurden weniger Stellen geschaffen als erwartet. Und die Fed hat auch angedeutet, dass die Zahl der neuen Jobs im Sechsmonatsdurchschnitt um mindestens 200000 steigen sollte, ehe die Käufe auslaufen. Davon sind wir derzeit noch weit entfernt.
Also sind die Marktteilnehmer nach dem Arbeitsmarktbericht genau so schlau als wie zuvor. Dabei hatten sie sich tagelang mit größeren Engagements zurückgehalten - in der Hoffnung, das Zahlenwerk bringe Klarheit darüber, ob die Anleihenkäufe bereits im September oder erst später zurückgefahren werden. Schließlich hat die Frage, wie viel Liquidität die Fed in die Finanzmärkte pumpt, massive Auswirkungen auf die Preise nahezu aller Anlageklassen weltweit.
Nun geht das Rätseln weiter. Investoren müssen sich bis zur Pressekonferenz nach dem kommenden Treffen der amerikanischen Währungshüter gedulden - und das findet erst am 18. September statt. Bis dahin dürften die Märkte weltweit volatil bleiben. Wie nervös die Anleger sind, zeigte sich in den vergangenen Wochen nicht nur an der Kapitalflucht aus den Schwellenländern, sondern auch an den stark gestiegenen Renditen von Anleihen bonitätsstarker Staaten wie Deutschland, Großbritannien und den USA.
Zwar interpretierten viele Marktbeobachter die Arbeitsmarktdaten dahingehend, dass das Tapering erst im vierten Quartal starte, viele orakelten, es werde Dezember sein. Doch die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Unsicherheit über den geldpolitischen Kurs in den USA die Märkte stark unter Druck setzt. Und das "dramatisch beeinträchtigende Unsicherheitsmoment", wie die Baader Bank formuliert, ist noch nicht ausgeräumt.
Wenn die Fed sich die Lizenz zum Tapern nicht schon in diesem Monat erteilt, dann spricht einiges dafür, dass es erst im Dezember so weit sein wird. Denn die Währungshüter halten nur eine Pressekonferenz pro Quartal. Und Marktbeobachter gehen davon aus, dass Fed-Chef Ben Bernanke es sich nicht nehmen lassen wird, eine Tapering-Entscheidung persönlich zu erläutern und Raum für Rückfragen zu geben.
Zwar könnte er auch im Oktober oder November eine außerplanmäßige Pressekonferenz halten. Doch es ist leicht auszumalen, was allein die Ankündigung einer solchen Veranstaltung an den Märkten auslösen würde. Und gerade nach den Ermahnungen auf dem jüngsten G20-Gipfel, sorgsam mit den Finanzmärkten der gebeutelten Schwellenländer umzugehen, erscheint eine solche Hauruck-Aktion unwahrscheinlich.
Am Freitag fühlten sich die Investoren aber erst einmal sicher, in den USA verbuchten Staatsanleihen und Aktien Kursgewinne, auch Europas Börsen legten zu. Die Marktbeobachtung der vergangenen Monate (das bevorstehende Tapering sorgt seit dem 22. Mai für Unruhe) zeigt aber, dass derartige Überzeugungen zumeist nicht von Dauer sind und Investoren Konjunkturdaten mit Argusaugen auf weitere Anzeichen für den Beginn des Ausstiegs untersuchen.
In der neuen Woche stehen nur wenige relevante Zahlenwerke auf dem Kalender. Dafür wird die weitere Entwicklung der Syrien-Krise entscheidend für die Kursentwicklung sein. Sollte der Konflikt eskalieren, ist es Analysten zufolge unwahrscheinlich, dass die Fed Liquidität aus dem Markt nimmt und somit einen etwaigen Preisverfall weiter beschleunigen würde.
(Börsen-Zeitung, 7.9.2013)
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