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Produktive Unruhe, Kommentar zum angekündigten Stellenabbau bei Siemens, von Michael Flämig.

Frankfurt (ots)

Siemens baut 15000 Stellen ab. Dies ist eine Menge Holz, und die Rolle der Arbeitnehmervertreter verlangt in einer solchen Situation natürlicherweise den Protest. Allerdings war sowohl ex- und intern längst klar, dass das Unternehmensprogramm 2014 eine Arbeitsplatzzahl in dieser Größenordnung kosten würde. Schon im August vergangenen Jahres konnte man diesen Abbaubedarf ermitteln. Nach Vorlage des Unternehmensprogramms im November war die Stellenzahl aus den Umbaukosten ableitbar. Also ist die Information keine echte Neuigkeit. Insofern ist es nur konsequent, dass die Siemens-Aktie am Montag nicht auf die exakte Stellenabbau-Zahl reagiert hat.

Die eigentliche Nachricht vom Wochenende ist eher weicher Natur: Unter dem neuen Chef Joe Kaeser versucht Siemens, Hängepartien zu vermeiden. Kaum liefen die Fakten zum Abbau zum Geschäftsjahresende in München ein und machten erste Spekulationen üb er die Gesamthöhe die Runde, präsentierte der Konzern die Zahl, statt auf einen nahenden Veröffentlichungstermin wie das Führungskräftetreffen zu warten. Gut so. Welch ein Gewürge dagegen leistete sich die ehemalige Konzern-Spitze, als sie die Nennung einer Zahl immer ablehnte.

Natürlich herrscht nach der Festlegung beim Stellenabbau keine Ruhe bei Siemens. Doch die Vorstellung, dass ein Multi zur Ruhe kommt, ist nicht nur naiv. Sie ist sogar gefährlich. Denn Ruhe mündet in Stillstand. Wer aber nicht vorankommt, der fällt im Vergleich zum Wettbewerb zurück und gefährdet langfristig seine Zukunft. Diese Feststellung mag an Banalität schwerlich zu übertreffen sein. Sie scheint aber zuweilen in Erinnerung gerufen werden zu müssen. Unruhe kann eben produktiv sein.

Siemens braucht also nicht Ruhe, sondern eine Politik der ruhigen Hand. Dies bedeutet: Schnell klare Kante bei Entscheidungen zeigen, damit jeder weiß, woran er ist. Anschließend die Umsetzung ruhig und konsequent vorantreiben.

Nach dieser Philosophie wäre es wünschenswert, dass Kaeser im November seine Zukunftspläne für Siemens komplett präsentiert. Dies aber wird nicht passieren, lässt sich aus dem Erwartungsmanagement herauslesen. Der Vorstandschef mag als langjähriger Finanzchef wissen, in welche Richtung er den Konzern treiben will. Doch Kaeser muss zweierlei beachten: Erstens darf er die Organisation nicht überfordern und damit lähmen. Zweitens gilt es, mit gutem Timing Allianzen im Management und Betriebsrat zu bilden. Dies braucht Zeit. Die Kunst wird darin bestehen, dies mit kurzfristigen Fortschritten zu kombinieren.

(Börsen-Zeitung, 1.10.2013)

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