Wo ist da der Schaden? Kommentar zum Kirch-Prozess von Björn Godenrath
Frankfurt (ots)
So verlockend es auch sein mag, mit Auftauchen eines brisanten Dokumentes die Wende im Prozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank auszurufen - dem ist nicht so. Denn die Beweisaufnahme im sogenannten KGL-Pool-Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) München ist längst abgeschlossen. Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Guido Kotschy sieht es als erwiesen an, dass der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer in einem Interview spontan die Gelegenheit ergriff, dem Medienunternehmer Leo Kirch vorsätzlich zu schaden. Das begründet einen deliktischen Anspruch, wobei das OLG eine grundsätzliche Sanierungsfähigkeit des Kirch-Konzerns unterstellte, um überhaupt einen wirtschaftlichen Schaden zur Berechnung stellen zu können.
Denn hier liegt der Hase im Pfeffer: Nach allem, was man über die Umstände der Kirch-Pleite so hören und lesen konnte, war der Konzern schon vor dem Breuer-Interview aus dem Februar 2002 zahlungsunfähig. Eine Kausalität Interview/Insolvenz liegt nicht vor, was das OLG in einer aktuellen Stellungnahme explizit bestätigt - laut dem BGH-Urteil von 2006 kann aber nur das Schadenersatz begründen. Kirchs Schaden, so Kotschy in einer Verhandlung vom Oktober 2012, habe im "Entzug der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit" bestanden. Die Bank habe mit Kirch ins Geschäft kommen und ihn unter den ominösen Schutzschild zwingen wollen. Das unterstellt jedenfalls das OLG München.
Doch wo ist da der Schaden? Diese Frage ist nun mit Nachdruck zu stellen, da das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung der Axel Springer AG von Januar 2002 vor Augen führt, dass Kirch schon lange erledigt war. Es sei davon auszugehen, dass die Kreditgeber Kirch kein weiteres Geld mehr zur Verfügung stellen würden, stellte Springer-Chef Matthias Döpfner fest. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Deutschen Bank.
Die kann mit Blick auf die anhängige Nichtzulassungsbeschwerde des OLG-Urteils beim Bundesgerichtshof (BGH) punkten. Auch in Karlsruhe werden Zeitungsberichte zur Kenntnis genommen. Und bei Studium der Verfahrensakten werden die BGH-Richter nicht umhinkommen zu hinterfragen, an welcher Stelle des Verfahrens eigentlich der Beweis geführt wird, Breuer habe den Wert von Kirchs Restanten drücken wollen, um sich diese billigst unter den Nagel zu reißen. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das OLG abenteuerlich Kausalitätsketten konstruiert. Ab Mitte Januar kann der BGH damit beginnen, einen Justizirrtum zu beseitigen.
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