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Das Kreuz mit den Gewinnen, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Eine Verschnaufpause nach den zurückliegenden Avancen hat dem Aktienmarkt gewiss nicht schaden können. In der abgelaufenen Woche gab es aber auch handfeste Gründe für die Marktteilnehmer, nach dem Anstieg über die Schwelle von 10.000 Punkten im Dax erst einmal einen Gang zurückzuschalten. Kaum schien mit dem Ukraine-Konflikt ein geopolitisches Störfeuer sich gerade zu entschärfen, trat ein Neues und völlig Unerwartetes in Form des Vormarsches islamistischer Extremisten im Irak als "Nachfolger" an. Derzeit ist noch nicht absehbar, welche Ausmaße dieses Problem annehmen wird, was es für die Märkte bedeuten kann und wie lange es dauern wird, bis es aus Sicht der Märkte seinen Schrecken verliert.

Mindestens ebenso gravierend war, dass sich die Grundproblematik des Aktienmarktes eindrucksvoll wieder in Erinnerung brachte. Seit rund zwei Jahren treten die Unternehmensgewinne auf der Stelle, die Konsensschätzungen befinden sich nach wie vor im Abwärtstrend. Das hat bei gleichzeitig aufgrund der Liquiditäts- und Niedrigzinsimpulse stark steigenden Kursen zur Folge, dass sich die Bewertungen spürbar erhöhen. So hat sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Konsensprognosen für das Jahr 2014 der Marke von 14 angenähert. Die KGV-Bewertung befindet sich am oberen Rand ihrer Spanne der zurückliegenden zehn Jahre, wie die Helaba in ihrem jüngsten Aktienmarktkommentar betont.

Kein Wunder, dass die Marktteilnehmer am Mittwoch so empfindlich reagierten, als die Lufthansa ihre Ergebnisziele kräftig zusammenstrich, für das Jahr 2015 von 2,65 auf 2 Mrd. Euro. Um mehr als 14% rauschte die Aktie allein am Mittwoch in die Tiefe. Auch an den beiden Folgetagen war die Aktie mit Einbußen von 1,3% und 3,5% Schlusslicht des Index, gedrückt von einem wahren Hagelschauer von Zurückstufungen und Kurszielsenkungen. Muss die erhoffte Wende in der Dax-Gewinnentwicklung abermals nach hinten verschoben werden? Und was würde das für den Aktienmarkt bedeuten?

"Mit dem zwischenzeitlichen Überschreiten der Marke von 10.000 Punkten hat der Dax zwar eine eindrucksvolle Kursperformance hingelegt, allerdings macht zunehmend Sorge, dass die Unternehmensgewinne schon seit geraumer Zeit nicht mehr Schritt halten konnten mit dem Kursanstieg", so die DZ Bank. Dies führe zu im historischen Vergleich zunehmend anspruchsvollen Bewertungsrelationen. Zwar sehe die Betrachtung auf Basis der für das nächste Jahr geschätzten Unternehmensdaten noch nicht dramatisch aus, weil die meisten Kennzahlen noch im Rahmen rangierten. Jedoch müssten diese Schätzungen erst einmal erreicht werden. Sie lägen aktuell 25% oberhalb der letzten realisierten Zahlen aus dem Jahr 2013. Seit 2010 sei es den Dax-Unternehmen in der Summe nicht gelungen, einen nennenswerten Zuwachs der Ergebnisse je Aktie zu realisieren. "Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würden sich die Bewertungsparameter ohne weiteren Kursanstieg um ein Viertel ausweiten". Allerdings geht das Institut von einem Gewinnzuwachs in diesem Jahr aus. Dem Dax traut es aber auch für diesen Fall nur noch einen Anstieg auf 10.200 Punkten per Jahresende zu.

Skeptischer ist die Helaba. Sie erwartet den Dax zum Ultimo nur bei 8.900 Zählern. "In den letzten Wochen haben Aktien in erster Linie die lockere Geldpolitik der EZB gefeiert. Inzwischen hat sich jedoch eine gefährliche Mischung aus extremer Gelassenheit der Anleger, technischer Überhitzung und hoher Bewertung zusammengebraut, die für Kursrückschläge sorgen könnte." Jenseits des Dauerthemas "Anlagenotstand" spreche nicht mehr allzu viel für Aktien. Die Konjunkturerholung sei bereits abgefeiert, die Wirtschaftsdaten in den Industrieländern seien zuletzt eher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch die Unternehmensgewinne entwickelten sich weniger günstig als von vielen Marktteilnehmern erwartet. Bei den durchschnittlichen Schätzungen für die kommenden zwölf Monate überwögen weiter die negativen Revisionen.

Betrachtet man zudem neben dem KGV weitere wichtige Kennziffern wie das Kurs-Cashflow-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite, seien deutsche Standardwerte inzwischen höher bewertet als in früheren Zyklen. Damit bestehe aus fundamentaler Sicht kaum Spielraum für nachhaltig höhere Notierungen. Kurzfristige Übertreibungen seien zwar durchaus möglich, das Chance-Risiko-Verhältnis sei inzwischen allerdings ausgesprochen ungünstig. Das Institut empfiehlt, antizyklisch Aktienpositionen abzubauen.

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