Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Freud'sche Versprechen, Kommentar zum EU-Gipfel von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots)

Jeder kennt Freud'sche Versprecher - also unabsichtliche sprachliche Fehlleistungen, die offenbaren, dass jemand andere Hintergedanken hat. Beim EU-Gipfel heute und morgen werden ebenfalls Aussagen zu hören sein, die andere Hintergedanken offenbaren. Nur handelt es sich dabei nicht um unabsichtliche Ausrutscher, sondern um absichtsvolle Formulierungen. Also nicht um Versprecher, sondern um Versprechen.

Die Staats- und Regierungschefs werden bei ihrem Treffen ein Problem lösen. Und gleichzeitig einige neue Probleme schaffen. Sie werden einerseits Jean-Claude Juncker als Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten küren. Sie werden andererseits bemüht sein, trotzdem alle, die davon nicht begeistert sind, durch allgemein gehaltene, inhaltliche Zugeständnisse zu entschädigen. Das ist der eigentliche Zweck der sogenannten Strategischen Agenda, die beschlossen werden soll.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy war zuletzt viel unterwegs, um die Formulierungen abzustimmen. Großbritannien zuliebe wird viel die Rede sein von den Lieblingsthemen auf der Insel: von der Weiterentwicklung des Binnenmarkts und dem Abbau administrativer Belastungen, vom Nutzen von Freihandelsabkommen und vom energischen Kampf gegen den Missbrauch der Sozialsysteme durch Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Zugleich wird die Gipfel-Agenda Zugeständnisse an Italien enthalten - in Form blumiger Worte über eine flexible, wachstumsfreundliche Auslegung des Stabilitätspakts.

Die Bundesregierung macht einen zufriedenen Eindruck. Die schwierige Spitzenpersonalie wird abgeschlossen, weitere Schritte der Integration der EU und der Eurogruppe sind nicht ausgeschlossen und der Rechtstext des Stabilitätspakts bleibt unangetastet. Es wäre aber töricht, andererseits die Gefahren zu übersehen, die man sich eingehandelt hat. Die Briten werden die Agenda nicht als bloße Prioritätenliste, sondern als Dokument des Selbstverständnisses und der Verankerung der EU interpretieren - und sich künftig in Brüssel noch bockiger präsentieren als jetzt schon. Die Italiener werden aus der Agenda ableiten, dass sie in schweren Zeiten (und bekanntlich sind fast alle Zeiten schwer) ihren riesigen Schuldenberg nicht wie eigentlich vereinbart in nennenswerten Schritten abbauen müssen.

Die Wahrheit ist bekanntlich konkret. Briten, Italiener und wohl auch Franzosen werden schon bald konkret die Belastbarkeit der Versprechen dieser Agenda testen. Auf die EU wartet erneut ein Stresstest.

Kontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung
  • 24.06.2014 – 20:35

    Hoffnungswert, ein Kommentar zum Bundeshaushalt von Angela Wefers

    Frankfurt (ots) - Es wäre die Erfolgsgeschichte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): ein Haushalt ohne Neuverschuldung. Das hat zuletzt Franz Josef Strauß (CSU) 1969 geschafft. Schäubles Amtsvorgänger - erst Hans Eichel und dann Peer Steinbrück (beide SPD) - waren auf erklärtem Weg dahin, bis Eichel ein Konjunktureinbruch erwischte und Steinbrück die Finanzkrise. In diesem Jahr will Schäuble den ...

  • 23.06.2014 – 20:50

    Neues Rollenmodell, Kommentar zur Beteiligung Frankreichs an Alstom von Michael Flämig

    Frankfurt (ots) - Die Karten im Poker um Alstom liegen auf dem Tisch. Das Spiel ist allerdings mit der Offenlegung, anders als in der Kasino-Variante, noch lange nicht entschieden. General Electric wird erst zum Gewinner, wenn die vielfachen Tücken der Integration gemeistert sind. Siemens ihrerseits materialisiert sich als Verlierer dann, wenn in der veränderten ...

  • 20.06.2014 – 20:45

    Noch länger niedrig, Marktkommentar von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Noch länger niedrig - so einfach lässt sich die Zinsperspektive für die USA zusammenfassen. Nach den Aussagen der US-Notenbanker vom Mittwochabend gehen immer mehr Marktteilnehmer nun davon aus, dass die Leitzinsen und damit die Renditen am Bondmarkt dann wohl doch nicht so schnell den Weg nach oben einschlagen werden. Denn die Zentralbanker sind in ihrer Einschätzung der konjunkturellen Lage und ...