WWF Gewinner und Verlierer 2015: Zecken statt Eisbären, Mücken statt Alpenrosen
Zürich (ots)
2015 war wohl das wärmste Jahr seit Beginn der Messung - gefolgt von 2014 auf dem zweiten Platz. Mücken, Fliegen, Zecken & Co. erobern bei höheren Temperaturen neue Lebensräume und haben auch uns in der Schweiz zu schaffen gemacht. Doch es gibt auch prominente Verlierer der globalen Erwärmung: Nebst dem bekannten Klimaopfer Eisbär werden Meeresschildkröten, Alpenrosen oder Fichten zu kämpfen haben.
Schon heute sind klimatische Veränderungen bei uns spürbar: Die Zukunft lässt grüssen. Einige - eher ungeliebte - Tiere freuen sich aber über höhere Temperaturen und milde Winter. Sie werden ihr Verbreitungsgebiet erweitern können. Dazu gehören beispielsweise Zecken, Fliegen und Mücken. Während wir uns in der Zukunft mit grösseren Mengen von ihnen beschäftigen müssen, wird das Überleben für den charismatischen Eisbär oder für Meeresschildkröten immer schwieriger.
Klima-Verlierer 2015
Alpenrose: Falls die Durchschnittstemperatur auf der Erde bis Ende dieses Jahrhunderts zwei Grad höher liegt, wird sie in der Schweiz um mindestens vier Grad Celsius ansteigen - zu viel für die kälteliebende Alpenrose. Auch wenn sie derzeit noch prächtig gedeiht, wird sie voraussichtlich im Jahr 2085 aus den Schweizer Westalpen verschwunden sein. Das zeigen Untersuchungen der Universität Lausanne.
Fichte: Im Mittelland wird es trockener und wärmer. Das spürt die Fichte, der Liebling der Schweizer Holzwirtschaft: Sie wird zwar nicht vertrocknen, aber unter einem dauernden Trockenstress leiden, der sie anfälliger für Krankheiten und Schädlinge macht. Laut Forschern der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) dürfte sie im Schweizer Mittelland verschwinden und sich stattdessen in höheren Lagen ausbreiten - wo sie wiederum die Buche konkurriert.
Eisbär: Die Zukunft des bekanntesten Klimaopfers sieht alles andere als rosig aus: Bis 2050 könnten die Bestände der Eisbären um zwei Drittel einbrechen. Denn die Arktis erwärmt sich zweimal schneller als die Erde, Meereisflächen werden schnell dünner oder verschwinden ganz. Eisbären sind aber zum Jagen auf Meereis angewiesen. Auch Robben, die Hauptbeute der Eisbären, leiden darunter, dass das Eis verschwindet: Sie werden ihre Jungen öfters im Wasser zur Welt bringen, wo diese nur eine kleine Überlebenschance haben.
Meeresschildkröte: Meeresschildkröten legen ihre Eier in den Sand, wo die Jungen dann schlüpfen und selbstständig den Weg ins Wasser finden. Das Geschlecht von Meeresschildkröten wird im Gelege und durch die Temperatur beeinflusst. Wird es wärmer, gibt es mehr Weibchen und weniger Männchen. So wenige, dass die Populationen ernsthaft gefährdet ist. Hinzu kommt die Zerstörung wichtiger Lebensräume wie Seegraswiesen oder Niststrände durch häufigere Stürme.
Klima-Gewinner 2015
Zecken: Zecken wie der Gemeine Holzbock sind auf dem Vormarsch. Sie stossen schon heute auch in höhere Lagen vor: In den letzten 50 Jahren hat der Gemeine Holzbock Lebensräume bis auf 1100 Meter über Meer erobert, früher war er über 700 Meter nicht anzutreffen, wie Forscher der Uni München berichten. Durch die geringere Anzahl von Tagen mit Temperaturen unter -12 Grad wird der Holzbock vermehrt auch im Winter auf Wirtssuche gehen. Höhere Temperaturen beschleunigen seinen Lebenszyklus und lassen die Eier schneller heranwachsen. Es ist mit einer Zunahme von Krankheiten zu rechnen, die von Zecken übertragen werden.
Fliegen: Wer kennt nicht die Lieblinge der Genetiker: die sich rasend schnell vermehrenden Fruchtfliegen. Kalte Winter helfen, die Insekten einzudämmen. Kältere Winter werden aber immer seltener, so dass gar die asiatische Verwandte unserer Fruchtfliege, die Kirschessigfliege, bei uns heimisch wird.
Mücken: Seit 2010 gab es in Europe wieder einige Fälle von lokal übertragenem Denguefieber. Dies wird wohl keine Seltenheit bleiben. Die Überträgerin der Krankheit, die ursprünglich gebietsfremde Asiatische Tigermücke, lebt seit 2003 wieder im Tessin und wird vom Tropeninstitut Basel genau beobachtet. Asiatische Tigermücken übertragen auch den Chikungunya-Virus und andere Krankheiten mit zum Teil jahrelangen Folgen für die Betroffenen. Auch die aus dem Mittelmeerraum stammende wärmeliebende Sandmücke gibt es inzwischen bei uns.
Schaben: Die Küchenschabe, ein bekannter Vorratsschädling, erobert mit wärmeren Temperaturen neue Lebensräume. Sie wird in unseren Breitengraden im Winter mittlerweile sogar an den Aussenwänden von Gebäuden vorgefunden. Die ursprünglich im Mittelmeer beheimatete Bernsteinschabe hat schon in den Neunziger Jahren die Alpen überquert. Im Gegensatz zur Küchenschabe befällt sie keine Lebensmittel, doch unerfreulich ist ihr Anblick trotzdem für viele Menschen.
Entenflöhe: Einen Vorgeschmack auf die Zukunft mit höheren Temperaturen gab es dieses Jahr für viele Badende. Bei Wassertemperaturen über 23 Grad schwärmen Zerkarien oder "Entenflöhe" aus und verirren sich auf der Suche nach Wasservögeln auf die Haut von badenden Menschen. Ein Befall verursacht einen unangenehmen Juckreiz, ist sonst aber harmlos und klingt von selber ab. Bei grosser Hitze gibt es drei statt zwei Generationen des Vogelparasiten pro Jahr, wie Forscher aus Stuttgart feststellten. Und weil es mehr Hitzesommer wie in diesem Jahr geben soll, muss auch vermehrt mit Entenflöhen gerechnet werden.
Quallen: Auch im Meer gibt es einzelne Arten, die sich über höhere Temperaturen freuen. Zum Beispiel Quallen: Schon seit den achtziger Jahren kommen sogenannte "Quallenblüten" häufiger vor. Je wärmer die oberen Meeresschichten werden, desto mehr Quallen soll es in Zukunft geben. Sie überschwemmen Badestrände und lösen dort bei Touristen Panik aus. Ihre Verbrennungen können extrem schmerzhaft sein. Ausserdem können Quallenblüten die Vielfalt unter den Fischen beeinträchtigen, wie Forscher in der Nordsee beobachten konnten.
Fotos und weitere Informationen
Pressebilder der genannten Tierarten finden Sie hier: www.wwf.ch/foto (die Freischaltung erfolgt sofort und automatisch).
Einen Minireport von WWF International zu Opfern des Klimawandels im Tierreich finden Sie auf www.wwf.ch/medien.
Kontakt:
Philip Gehri, Medienstelle WWF Schweiz, philip.gehri@wwf.ch, 044 297
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