Elektromobilität stellt einen echten und nachhaltigen Systemwechsel dar
München/Zürich (ots)- Elektromobilität ist ein nachhaltiger Systemwechsel und von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung - Sinkende Energie- und Produktionskosten und wachsendes Umweltbewusstsein werden eine rasante Entwicklung der Nachfrage nach sich ziehen - Die deutsche Automobilindustrie liegt bei der Produktion und Vermarktung erster Serienfahrzeuge zwei bis drei Jahre hinter dem Wettbewerb - Überlegene technische Konzepte und intelligente Vermarktung machen den Unterschied aus
Viele Automobilhersteller bewerten das Elektroauto als eine von vielen Varianten in ihrem Produktportfolio. Betrachtet man die Elektromobilität jedoch ganzheitlich, so zeigen sich deutliche Elemente eines echten Systemwechsels, dessen Auswirkungen alle Stufen der Wertschöpfungskette der Automobilhersteller und ihrer Zulieferer betreffen. Die Unternehmensberatung Bain & Company identifiziert und analysiert sechs Quantensprünge, die diesen Systemwechsel in der individuellen Mobilität kennzeichnen.
Quantensprung 1: Weg vom Öl
Durch den elektrischen Antrieb sind Automobilhersteller und Autofahrer nicht mehr nur von einer einzigen Energiequelle, dem Erdöl, abhängig. Diese Technologie unterstützt also einen Systemwechsel in der Energiepolitik. Die USA etwa wenden jährlich 260 Milliarden US-Dollar dafür auf, kostbares Erdöl zu importieren, von dem etwa 70 Prozent in der sehr durstigen Pkw-Flotte verbraucht werden. Stellt man dem gegenüber, dass 70 Prozent der US-Autos täglich meist auf Kurzstrecken bewegt werden, ist es bereits mit dem heutigen Stand der E-Antriebs- und Batterietechnologie problemlos möglich, den größten Teil dieser Strecken mit Strom aus dem Netz zu fahren. Für die USA rechnet es sich daher volkswirtschaftlich, 40 Milliarden US-Dollar an Steuergeldern in diese neue Technologie zu investieren.
"Simuliert man ein solches Szenario für deutsche Verhältnisse, so könnten rund 70 Prozent der jährlich etwa 550 Milliarden gefahrenen Pkw-Kilometer elektrisch zurückgelegt werden", sagt Dr. Gregor Matthies, Partner bei Bain & Company und Leiter der europäischen Automobilpraxisgruppe. Volkswirtschaftlich wäre das ein enormer Schritt, denn Deutschland müsste rund 40 Prozent weniger Erdöl importieren, was einem Wert von gut 20 Milliarden Euro nach heutigen Preisen entspräche. Der Mehrbedarf an Strom von etwa zehn Prozent würde in seiner Erzeugung etwa 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro kosten und könnte zur Hälfte aus dem bestehenden Netz kommen, denn Elektroautos laden meist nachts, wenn ohnehin Überkapazitäten vorhanden sind. Die restlichen fünf Prozent des zusätzlichen Strombedarfs könnten bereits heute mit erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden.
Quantensprung 2: 60 Prozent weniger Energiekosten fürs Fahren
Der Elektroantrieb ist deutlich effizienter als ein Benzin- oder Dieselmotor. Beim Verbrennungsmotor werden nur maximal 30 Prozent des Energieinhalts im Tank in Bewegungsenergie umgewandelt, beim Elektroantrieb sind es 80 Prozent. Ein Fortschritt in der Energieeffizienz, der dazu führt, dass die Energiekosten pro gefahrenen Kilometer drastisch sinken können. "Mit einem Elektroauto kann der Besitzer bis zu 60 Prozent seiner Energiekosten gegenüber dem heutigen Stand sparen", so Automobil-Experte Matthies.
Quantensprung 3: 100 Prozent besseres Fahren
Das E-Auto besitzt gerade in der Stadt eine deutlich bessere Fahrdynamik, die höchstens mit der eines Sportwagens vergleichbar ist. Das volle Drehmoment steht zu 100 Prozent und von Anfang an zur Verfügung und die Beschleunigung erfolgt ohne Schaltunterbrechungen. Darüber hinaus verursacht das E-Auto keine lokalen Emissionen. Für den Fahrer bedeutet das, seine Haltung zum Umweltschutz zu zeigen und einen aktiven Beitrag hierfür zu leisten. "Die wachsende Bevölkerung in den globalen urbanen Zentren sucht nach individueller Mobilität, die nicht durch umweltverschmutzende Schadstoffe belastet ist. Ein zehn oder 20 Prozent effizienteres Dieselfahrzeug reicht diesen Kunden nicht; sie wollen den 100-prozentigen Systemwechsel", sagt Bain-Partner Matthies.
Quantensprung 4: 100 Prozent bezahlbar
Nahezu alle Zukunftsszenarien gehen davon aus, dass mittelfristig die individuelle Mobilität nur durch Elektrofahrzeuge für alle Bürger zugänglich und bezahlbar bleiben wird. Möchten Kunden bereits heute ein E-Auto kaufen, scheitert das allerdings noch an verfügbaren und vor allem preiswerten Elektroautos. Hierbei werden zwei Entwicklungssprünge helfen: Zum einen verringern sich die Material- und Produktionskosten mit der deutlichen Gewichtsreduzierung der Batterien. Durch die Lithium-Ionen-Technologie sind diese 70 Prozent leichter als zum Beispiel Blei-Akkus. Zum anderen führt die relative Einfachheit des elektrischen Antriebsstrangs zu geringeren Investitionen in Produktionsanlagen. Beispielsweise liegen die Kosten für den Aufbau einer hoch automatisierten Dieselmotoren-Fertigungsstraße heute bei rund 200 Millionen Euro - die Investitionskosten einer Fertigungsanlage für gleich starke Elektromotoren betragen dagegen lediglich fünf Millionen Euro.
Quantensprung 5: 100 Prozent nachhaltig
Ein Auto mit Elektroantrieb ist für seinen Besitzer eine wirklich nachhaltige Investition in die Zukunft. In seiner CO2-Bilanz ist ein mit Strom betriebenes Fahrzeug davon abhängig, auf welche Weise der elektrische Strom hergestellt wird. Deshalb wirkt sich jede inkrementelle Verbesserung im Erzeugungsmix automatisch positiv auf die CO2-Bilanz aller vorhandenen E-Fahrzeuge aus. "Diese CO2-Nachhaltigkeit des E-Autos ist ein Durchbruch gegenüber Benzin- und Dieselfahrzeugen. Hier dauert es meist zehn Jahre bis sich Verbesserungen im Bestand wirklich durchsetzen", sagt Dr. Jan Traenckner, Senior Technology Advisor von Bain & Company.
Quantensprung 6: 100 Prozent flexibel
Elektromobilität ist, anders als im Moment oft dargestellt, kein Dogma. Autofahrer sind heute oft noch unsicher, ob sie ein Fahrzeug kaufen sollen, das eine Batteriekapazität für lediglich 150 Kilometer Reichweite hat. Legt man die typischen Nutzungsprofile von Autos zugrunde, zeigt sich jedoch, dass fast jedes Auto einen elektrischen oder teilelektrischen Antrieb haben könnte. Denn die meisten Fahrzeuge stehen 90 Prozent ihrer Zeit still und legen täglich nur geringe Wegstrecken zwischen 40 und 60 Kilometer zurück. "Genau betrachtet, ist es nicht die begrenzte Reichweite, die ein E-Auto limitiert, sondern vielmehr die Geschwindigkeit mit der die Batterie - stationär oder mobil - wieder aufgeladen werden kann", sagt Bain-Automobilexperte Matthies. "Für diese vermeintliche Einschränkung gibt es bereits sehr überzeugende und bestens funktionierende technische Lösungen, wie den Range Extender oder Plug-in-Hybride, bei denen der Fahrer bei leerer Batterie auf das ihm bekannte System des Verbrenners zurückgreifen kann und somit die 100-prozentige Flexibilität hat, wie lange und wo er sein Auto fahren möchte", so Matthies weiter.
Die Automobilindustrie muss den Systemwechsel umsetzen
"Der Systemwechsel hin zur Elektromobilität steht unmittelbar bevor. Die damit verbundenen Quantensprünge werden eine rasante Entwicklung der Nachfrage nach sich ziehen", sagt Bain-Partner Matthies. "Die große Unbekannte dabei ist jedoch die Rolle der Automobilindustrie und die Geschwindigkeit, mit der diese den Systemwechsel umsetzt. Hier gibt es Vorreiter wie Renault/Nissan, Mitsubishi/PSA oder GM/Opel, die der deutschen Automobilindustrie bei der Vermarktung erster Serienfahrzeuge momentan zwei bis drei Jahre voraus sind", so Matthies weiter.
Von bedeutenden staatlichen Hilfen kann in Deutschland zurzeit nicht ausgegangen werden. Somit wird die Automobilindustrie aus ihrer eigenen Innovationskraft und Dynamik heraus den Systemwechsel vorantreiben müssen. "Dabei sind die Hersteller im Vorteil, deren Ursprungsländer die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Systemwechsels verstanden haben und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen", so Matthies. Andere müssen diesen Nachteil durch erheblich mehr Innovationen ausgleichen. Am Ende wird aber auch im Markt für Elektromobilität das überlegene technische Konzept, gepaart mit intelligenter Vermarktung den Unterschied ausmachen.
Kontakt:
Leila Kunstmann-Seik
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