Bain-Analyse von nahezu 2.000 in Deutschland tätigen Kreditinstituten: Banken vor weiterem tief greifenden Strukturwandel
München (ots)
- Nicht einmal sechs Prozent der Banken verdienen derzeit ihre Eigenkapitalkosten - In den letzten drei Jahren lag die Eigenkapitalrendite der Banken im Durchschnitt bei 1,6 Prozent - Harter Wettbewerb, Niedrigzinsumfeld und verschärfte Regulierung setzen Erträge massiv unter Druck - Strukturanpassungen und Kostensenkungen von bis zu 30 Prozent sind unausweichlich - Rund 11.000 Filialen stehen in den kommenden Jahren vor der Schließung
Deutschlands Banken stehen mitten in einem Strukturwandel, der mit dem Umbruch der Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert vergleichbar ist. In der aktuellen Studie "Deutschlands Banken 2014: Jäger des verlorenen Schatzes" zeigt die Managementberatung Bain & Company Ursachen und Konsequenzen des dramatischen Wandels auf. Diese einzigartige Langzeitanalyse basiert auf Daten von nahezu 2.000 Kreditinstituten der Jahre 1970 bis 2013. Weitere Einschnitte in die Kostenstruktur werden notwendig sein - und nur drei Geschäftsmodelle werden sich langfristig durchsetzen: globale Universalbanken, Regionalinstitute und Spezialisten.
Knapp 80 Prozent weniger Banken, dafür eine um das 80-fach größere durchschnittliche Bilanzsumme, eine nahezu unveränderte Cost-Income-Ratio und eine Eigenkapitalrendite nach Steuern, die nur noch ein Viertel des Werts von Anfang der 1970er Jahre beträgt: Die langfristigen Entwicklungen im deutschen Bankensektor seit der Deregulierung Ende der 1960er Jahre machen deutlich, welche weitreichenden Veränderungen die Branche bereits bewältigt hat und wo ihre aktuellen Schwierigkeiten in besonderem Maß begründet liegen. Die verbreitete Meinung, externe Faktoren und die jüngst verschärfte Regulierung wären für die Profitabilitätsschwäche verantwortlich, widerlegt die Auswertung der Daten von nahezu 2.000 Finanzinstituten von 1970 bis 2013. Entscheidend ist vielmehr eine Kombination aus nachhaltig gesunkenem Zinsüberschuss und der Kostenstruktur der Banken. Renditestarke Banken schlagen den Wettbewerb in der Regel dank ihres besseren Kosten- und Risikomanagements.
Schwache Eigenkapitalrenditen auf breiter Front
Das Gros der Finanzinstitute kämpft mit unzureichender Profitabilität. In den vergangenen drei Jahren verdienten nicht einmal sechs Prozent aller Banken ihre Eigenkapitalkosten. Dabei schwankte die durchschnittliche Eigenkapitalrendite zwischen 7,8 Prozent bei Automobilbanken und minus 4,7 Prozent bei Realkreditinstituten. Die beiden nach Institutsanzahl größten Gruppen, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, kamen auf eine Eigenkapitalrendite von 4,4 beziehungsweise 2,3 Prozent, die stark durch negative Sondereffekte beeinflusst wird. Bain-Deutschlandchef und Studien-Autor Walter Sinn erklärt: "Die Banken müssen alles daran setzen, ihre Profitabilität zu verbessern. Die meisten benötigen zusätzliches Eigenkapital. Und dessen Beschaffung fällt umso leichter, je renditestärker eine Bank ist. Zudem beginnen Investoren, nach Jahren karger Ausschüttungen Renditen über den Kapitalkosten einzufordern."
Massive Kostensenkungen sind unumgänglich
Um ihre Eigenkapitalkosten von acht bis zehn Prozent zu verdienen, müssten die Banken die Eigenkapitalrendite um durchschnittlich vier Prozentpunkte steigern. Bain-Partner und Co-Autor der Studie Dr. Wilhelm Schmundt sieht die Potenziale auf der Ertragsseite weitgehend ausgeschöpft: "Die Branche befindet sich in einem Verdrängungswettbewerb. Zudem kämpft sie mit dem Niedrigzinsumfeld und einer verschärften Regulierung, die ihre Möglichkeiten zur Expansion in risikoreichere Geschäftsfelder begrenzt. Es gibt keine Alternative zu massiven Kostensenkungen."
Den Berechnungen von Bain zufolge sind Einsparungen von rund 25 Milliarden Euro notwendig. Das entspricht einer Reduzierung der aggregierten Kostenbasis um bis zu 30 Prozent und geht mit einer weiteren Fokussierung der Geschäftsmodelle einher. Wesentliche strukturelle Kostenhebel sind insbesondere eine konsequente Prozessoptimierung und Industrialisierung, die Erneuerung der IT-Infrastruktur, ein gestrafftes Filialnetz und die Trennung von organisatorischem Ballast. Damit verbunden wären eine weitere Reduzierung des Filialnetzes um circa 11.000 Zweigstellen sowie ein Abbau von etwa einem Fünftel der rund 630.000 Arbeitsplätze.
Tiefe Einschnitte in die bestehende Kostenstruktur sind einer von fünf in der Studie identifizierten Erfolgsfaktoren zur Bewältigung der laufenden Transformation. Hinzu kommen ein integriertes Talentmanagement, eine zügige Digitalisierung, die Absicherung der Ertragskraft durch konsequente Kundenorientierung sowie eine klare Strategie. Betont Bain-Experte Schmundt: "In den vergangenen Jahren haben sich viele Banken vorwiegend mit der Bewältigung der Krise beschäftigt. Andere Themen fristeten meist ein Schattendasein. Nun muss die Entwicklung einer von den Eigentümern getragenen strategischen Agenda wieder höchste Priorität haben." Gerade die Fokussierung der Geschäftsmodelle ist bei vielen Banken längst überfällig, zumal sich daraus erhebliche Potenziale für Kostensenkungen ergeben.
Drei Geschäftsmodelle mit Zukunft
Viele Geschäftsfelder wie das Transaction Banking und das Kapitalmarktgeschäft lassen sich nur mit entsprechender Größe und Skaleneffekten profitabel führen. Deshalb wird es zu einer deutlich stärkeren Fokussierung der Geschäftsmodelle im Bankensektor kommen. Der Markt dürfte sich künftig in globale Universalbanken, Regionalinstitute und Spezialisten aufteilen. Letztere positionieren sich über individuelle Wettbewerbsvorteile wie einen besonderen Kundenzugang oder Skaleneffekten im Produktionsprozess. Unabhängig vom Geschäftsmodell müssen sich alle Banken nach Überzeugung von Bain-Deutschlandchef Sinn mit einer neuen Normalität anfreunden: "Das Bankgeschäft wird zu einer ganz normalen Industrie - mit geringeren Renditen und weniger Risiken. Zweistellige Eigenkapitalrenditen nach Steuern werden die Ausnahme sein." Auf dem Weg hin zu dieser neuen Normalität sehen sich die Banken existenzbedrohenden Herausforderungen gegenüber. "Das Ausmaß des anstehenden Strukturwandels ist mit dem Umbruch in der Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert vergleichbar", so Sinn. "Am Ende werden weniger, fokussierte und renditestärkere Häuser stehen."
Über die Studie
Die Analyse der langfristigen Entwicklungen und Erfolgsfaktoren im deutschen Bankwesen basiert auf Daten der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank und der Weltbank sowie den Datenbanken von Bankscope und Hoppenstedt. Bain hat unter anderem die Abschlüsse von nahezu 2.000 in Deutschland tätigen Finanzinstituten ausgewertet und war so in der Lage, langfristige Veränderungen in Bilanz- und GuV-Strukturen für die Institutsgruppen und auf Ebene einzelner Institute seit dem Jahr 1970 im Detail zu analysieren. Der Zuschnitt der Institutsgruppen orientiert sich an der Klassifizierung der Deutschen Bundesbank. Darüber hinaus nutzt die Studie Ergebnisse umfassender Umfragen und Studien von Bain im Bankensektor aus jüngster Zeit.
Kontakt:
Leila Kunstmann-Seik, Bain & Company Germany, Inc.,
Karlsplatz 1, 80335 München
E-Mail: leila.kunstmann-seik@bain.com, Tel.: +49 (0)89 5123 1246,
Mobil: +49 (0)151 5801 1246