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Media Service: Schweizer Presserat; Stellungnahme 45/2011 Parteien: X. c. «20 Minutes» Beschwerde gutgeheissen
Ein Dokument
Interlaken (ots)
Thema: Verdeckte Recherche / Unterschlagung von Informationen / Persönlichkeitsschutz
Zusammenfassung
Ende April 2011 berichtete «20 minutes» über einen suspendierten Lehrer und nebenamtlichen Politiker (Mitglied des Genfer Stadtparlaments). Laut dem Bericht hatte der Betroffene via einer Gay-Website Avancen gegenüber einem 15-jährigen Jugendlichen gemacht. Hinter dem angeblichen Jugendlichen steckte ein verdeckt recherchierender Mitarbeiter von «20 minutes». Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war der Lehrer aufgrund eines gegen ihn laufenden Administrativverfahrens suspendiert. «20 minutes» illustrierte den Artikel mit einem Screenshot der Website, der einen Auszug auf dem geführten Chat und ein gepixeltes Foto des Lehrers/Politikers zeigt.Der Presserat hält es für unlauter im Sinne von Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», einen bereits suspendierten Lehrer via einer Gay-Website in der Weise von «20 minutes» aktiv zu ködern. Er erinnert daran, dass eine verdeckte Recherche nur ausnahmsweise, unter strengen Voraussetzungen zulässig ist. Erforderlich ist ein den Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigendes, überwiegendes öffentliches Interesse an den Informationen, die sich zudem nicht auf andere Weise beschaffen lassen. Im konkreten Fall fehlt es nach Auffassung des Presserat nicht bloss an einem überwiegenden öffentliches Interesse an der Recherche. «20 minutes» hätte insbesondere auch gestützt auf das Verhältnismässigkeitsprinzip auf die Veröffentlichung verzichten müssen, da der suspendierte Lehrer zum Zeitpunkt der Publikation seinen Rückzug aus der Politik bereits angekündigt hatte.Darüber hinaus hat «20 minutes» auch die Ziffern 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen») und 7 (Respektierung der Privatsphäre) der «Erklärung» verletzt. Der Bericht unterliess es, eine Passage aus dem Chat zu erwähnen, der die Vorwürfe relativiert hätte. Ungerechtfertigt war es nach Auffassung des Presserats schliesslich auch, den Namen des Ex-Lehrers/-Politikers in einem Kontext zu erwähnen, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Funktionen steht.
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