Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa
Media Service: Schweizer Presserat; Stellungnahme 2/2012 (http://presserat.ch/_02_2012_d.htm)
Ein Dokument
Interlaken (ots)
Parteien: X. c. «20 Minuten Online» / Y. c. «20 Minuten»
Thema: Respektierung der Totenruhe / Menschenwürde
Beschwerde gegen «20 Minuten Online» teilweise gutgeheissen.
Beschwerde gegen «20 Minuten» abgewiesen.
Zusammenfassung
Fotos und Videos des toten Muammar al-Gadaffi
Die Frage, ob die Medien Aufnahmen von der Leiche eines brutal getöteten Diktators verbreiten dürfen, beantwortet der Presserat mit Ja. Aber auch wer die Menschenwürde anderer nie respektiert hat, darf nach seinem Tod nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die seine eigene Menschenwürde verletzt. Nach der Festnahme des libyschen Machthabers am 20. Oktober 2011 zeigten Online-Newsportale und Printmedien aussergewöhnlich blutige Aufnahmen des schwer verletzten, später des toten Muammar al-Gaddafi, darunter «20 Minuten» und «20 Minuten Online». Die Print-Ausgabe des Gratisblatts druckte zwei der Fotos relativ kleinformatig, online aber waren immer wieder neue Bilder zu sehen, teilweise stark vergrössert, später auch diverse Videos der Misshandlung Gaddafis. Zwei Leser beschwerten sich beim Presserat, die Fotos der «brutale(n) Exekution eines zum Todeszeitpunkt wehrlos ausgelieferten Menschen» sei menschenunwürdig - «egal, was man von Gaddafi als Mensch oder als Politiker halten will». «20 Minuten» und «20 Minuten Online» argumentierten, die Bilder seien historische Dokumente, welche «das definitive Ende des Machtregimes von Gaddafi» festgehalten hätten; es überwiege das öffentliche Interesse an der Publikation gegenüber dem Recht auf Totenruhe. Der Presserat stellt dazu fest: Ein historisches Ereignis wird nicht dadurch historischer, dass es aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt und durch Zoom-Technik nahe an den Betrachter herangeholt wird. Eine unverhältnismässige, sensationalistische Berichterstattung bedient bloss die öffentliche Neugier des Publikums, die nicht mit öffentlichem Interesse gleichzusetzen ist. Das Foto- und Video-Angebot über Misshandlung und Tod von Muammar al-Gaddafi auf «20 Minuten Online» verstiess deshalb gegen die Menschenwürde. «20 Minuten» dagegen hat mit seinen visuell deutlich zurückhaltenderen Berichten über den Tod von Gaddafi die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.
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